Dienstag, 30. April 2024

Argentinien wird scheitern - ist Deutschland besser dran?

Das Problem in Argentinien sind die Auslandsschulden. Diese betragen 40 % der Wirtschaftsleistung. Der eingeschlagene Sparkurs der neuen Regierung unter Milei reduziert die Nachfrage im Inland und die Wirtschaftsleistung sinkt. Damit steigt zugleich die Quote der Auslandsschulden, was die Bedienung der Kredite erschwert. Das Land importiert mehr, als es ausführt, was historisch zu steigender Auslandsverschuldung führte. Die staatlichen Schulden mit 85 % der Wirtschaftsleistung sind nicht das Problem.  Andere Industrieländer, wie z.B. die USA sind mit 120 % der Wirtschaftsleistung höher verschuldet. Mit dem eingeschlagenen Sparkurs sinkt auch die Importquote, was bei stabilen Exporten zu einer Reduzierung der Neuverschuldung führt. Es überwiegt aber wohl der Schrumpfungseffekt und die damit steigende Verschuldungsquote. 

Staatliche Schulden sind nur ein Problem, wenn das Land im Ausland verschuldet ist. Diese lassen sich nicht einfach z.B. durch das Drucken von Geld beseitigen. Musterbeispiel sind die Reparationsschulden, mit denen Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg belastet war. Mit Aufnahme neuer Schulden im Ausland boomte die deutsche Wirtschaft zunächst und es konnten Reparationszahlungen geleistet werden. Durch Ausgabe von Schuldverschreibungen lösten private US-Dollar Schulden die staatlichen ab. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise in den USA sank jedoch das Vertrauen ins Ausland. 

Neue Dollarkredite gab es keine mehr und alte Schulden mussten beglichen werden. Vertrauensverlust, Abwertung der Mark und das Drucken von immer mehr Geld führten zum Kollaps der deutschen Wirtschaft. Ein Drittel der Arbeitnehmer wurde arbeitslos und Hitler übernahm die Macht. Die neue Regierung stoppte die Zahlung aller Auslandsschulden (die Reparationsschulden wurden prompt erlassen) und kurbelte durch staatliche Nachfrage ("Autobahnbau") die deutsche Wirtschaft an und beseitigte so die Arbeitslosigkeit. Die Inlandsschulden verschwanden durch die Inflation. 

Eine Steigerung der Exporte zur Ankurbelung der Wirtschaft oder Senkung der Verschuldung, wie es die Deutschen predigen, ist auf Dauer nicht möglich. Das zeigt das chinesische Beispiel.  Eine noch höhere Exportquote als 14 % vom Welthandel lassen die Abnehmerländer nicht zu. Sie reagieren mit mehr Protektionismus auf die Aushöhlung der eigenen Industrie als Folge steigender Importe - Nachfrage, die für inländische Produzenten verloren geht. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist nur durch eine Steigerung der Binnennachfrage möglich.

Deutschland hat keine Auslandsschulden, dafür wächst unsere Wirtschaft nicht. Genauso wie die Chinesen sparen wir zu viel und konsumieren zu wenig. In Deutschland könnten Zukunftsinvestitionen zur Nachfragesteigerung beitragen, z.B. mehr Geld für die Bildung. In China würde eine höhere Rente den Wohlstand im Alter sichern und eine bessere Krankenversicherung die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen erhöhen und damit die heimische Wirtschaft fördern. Aus Angst vor der Zukunft sparen die Chinesen fast die Hälfte ihrer Einkommen. Maßnahmen zur Erhöhung des Konsums sollten so gestaltet sein, dass nicht nur die Nachfrage nach ausländischen Gütern steigt. Sonst profitiert nur die Wirtschaft dieser Länder davon.

Fazit: Schulden werden nie getilgt, eine Entschuldung findet nur statt, wenn die Wirtschaft nominal stärker wächst als die Zinslast und die Neuverschuldung. Eine Verschuldung im Inland gleicht ungedeckten Pensionszusagen. Diese können einfach gestrichen werden. Ein Verteilungsproblem. Der Ausgleich von Schuldner - und Gläubigerinteressen ist eine politische Entscheidung. Mit dem Kauf der Schuldentitel durch die Notenbanken verschwinden die Kredite. Auch das künstliche Niedrighalten der Zinsen entlastet die Schuldner. Inflation oder Abwertung der Währung können aber die Konsequenz sein, wie das Beispiel Japan zeigt. Devisenkontrollen und Vorschriften, in welche Schuldenpapiere Inländer investieren dürfen, können die Folge sein.

Dienstag, 23. April 2024

BAVARIA Industries nimmt Abschied von der Börse...

Nach gut 18 Jahren an der Börse haben wir gestern die Kündigung verschickt. Ich bin erleichtert. Mit einem Streubesitz von 4 % macht die Börsennotiz keinen Sinn mehr. Den Aktionären bleiben noch drei Monate, um ihre Anteile zu verkaufen. Nach dem 19. Juli ist ein Verkauf nur noch privat möglich. Die Gesellschaft führen wir seit ein paar Jahren ohnehin wie eine Vermögensverwaltung. Mit einer Mischung aus Bargeld, Gold, Rohstoffen und Aktienwetten liegt der Fokus auf Kapitalerhalt. Als Anleger sollten man den Vermögens-Mix dagegen abhängig von den eigenen Zielen selbst bestimmen und in Unternehmen investieren, deren Strategie klar auf Wachstum oder Dividenden ausgerichtet ist. Sonst akzeptiert man zusätzliche Verwaltungskosten und einen Discount zum Nettovermögen, mit dem ähnlich diversifizierte Holding-Gesellschaften üblicherweise notieren.

Würden wir nochmal an die Börse gehen? 

Der Börsengang Anfang 2006 kostete uns knapp EUR 1 Mio. und brachte EUR 11 Mio. Kapital. Das Geld benötigten wir nicht. Bereits in den ersten zwei Jahren kehrten wir diesen Betrag in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre aus. Insgesamt flossen rund EUR 150 Mio. an die Aktionäre.  Der Aufsichtsrat und die fehlende Kenntnis der Börsenanforderungen kosteten uns viel Zeit. Anfangs hatten wir viel Respekt vor der Börse und beantworteten beispielsweise jede Frage der Aktionäre, statt an die Hauptversammlung zu verweisen.   

Ich weiß nicht, ob uns die Notiz beim Erwerb von Firmen half. Vielleicht war es unser guter Ruf? Ausschlaggebend war wohl eher die Direktansprache und viele Vorstellungsgespräche bei Konzernen und (noch wichtiger) bei M&A Vermittlern. Bei der Restrukturierung führte der Blick auf die gefüllte Unternehmenskasse zu mehr Begehrlichkeiten und zusätzlichen Verhandlungsrunden.

Enttäuschungen blieben nicht aus. Schon nach der offiziellen Roadshow begann mein Mitgründer, seine Anteile mithilfe des IPO-Beraters zu verkaufen. Kurz nach Notizaufnahme wurden wir durch einen Shortseller mit erstaunlichem Insider-Wissen öffentlich angezählt. Der Börsenkurs lag nie mehr über dem Wert der Beteiligungen. Also die Kehrtwende: keine Werbung mehr, sondern Aktienrückkäufe unter Substanzwert. Durch Zukäufe verdoppelte ich meinen Anteil am Unternehmen und erzielte damit eine Rendite von knapp 20 % p.a. Ohne die Börsennotiz hätten meine Mitgesellschafter vielleicht höhere Kaufpreise erwartet. 

Die Klage des Aufsichtsrates traf mich, als ich nach einem Radunfall im Krankenhaus lag. Ich hatte einen der Aufsichtsräte im Namen der Gesellschaft auf Schadensersatz verklagt. Den Prozess wegen Fehlberatung beim Unternehmenskauf verloren wir gleichwohl. Ohne die Börsennotiz wäre es nicht zu der teuren Klage gekommen, die der Aufsichtsrat auf Kosten der Gesellschaft führte.  

Das deutsche Aktienrecht ist zu kompliziert und führt dazu, dass nur wenige Unternehmen in Deutschland öffentlich gehandelt werden. So müssen bei Unternehmensabspaltungen stille Reserven vom Unternehmen versteuert werden, statt dass die künftigen Aktionäre ihre Gewinne selber versteuern. Jede Maßnahme, wie zum Beispiel ein Reverse-Aktiensplitt, unterliegt dem Risiko jahrelanger Anfechtungsklagen auf Kosten des Unternehmens. 

Statt beim Squeeze-out den zuletzt gezahlten Kurs als fair zu erachten, müssen drei Gutachten eingeholt werden. Trotzdem findet in der Regel ein Schiedsverfahren statt - die Gesellschaft trägt die Kosten. Rechtsanwälte haben sich darauf spezialisiert, nach Bekanntmachung der Maßnahme eine Aktie zu kaufen und die Gesellschaft mit Klagen zu überziehen. Kosten und Zeitaufwände können sie dem Unternehmen in Rechnung stellen. Das Ganze kann wie im Fall der HypoBank 15 Jahre dauern! Wen wundert es, dass die Unternehmen die Handelsnotiz einstellen und danach die Minderheitsaktionäre ein Schattendasein fristen. 

Als Abschiedsgeschenk fordert die deutsche Börse von uns knapp EUR 50.000, weil wir zum geforderten Termin vor zwei Jahren einen Geschäftsbericht zunächst nicht testiert einreichten.

Argentinien wird scheitern - ist Deutschland besser dran?

Das Problem in Argentinien sind die Auslandsschulden. Diese betragen 40 % der Wirtschaftsleistung. Der eingeschlagene Sparkurs der neuen Reg...