Dienstag, 3. Oktober 2017

Was antworten Politiker eigentlich auf Emails?

Ein paar Wochen vor der Wahl hatte ich unseren letzten Aktionärsbrief mit dem Motto "Was tun?" an einige Spitzenpolitiker der Parteien geschickt. Geantwortet haben allerdings nur Herr Lindner (ausführlich) und Herr Schulz:


Sehr geehrter Herr Scholz,

besten Dank für Ihre Nachricht. Eine ganze Reihe von Punkten Ihrer Analyse kann man nur unterstreichen, andere wären eine längere Diskussion wert.

Zu Ihren Maßnahme-Vorschlägen: Ein Negativ-Steuersystem begrüßen und fordern wir. Wir nennen das "Bürgergeld". Es ist auch ein Weg, Menschen schrittweise aus der Arbeitslosigkeit zu führen. 

Jetzt trennen sich unsere Wege: Denn sehe ich auch darüber hinaus bei höheren Einkommen die Notwendigkeit, bei Steuern und Sozialabgaben die Belastung zu reduzieren. In der Mittelschicht müssen die Asset-Klassen Immobilie (nicht überall haben wir eine Blase) durch Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer und Wertpapier (durch Schaffung einer steuerfreien Spekulationsfrist) attraktiver werden. Wie Sie richtigerweise sagen, darf die Sparquote nicht in Richtung von Staatsanleihen und Sparbuch gehen. Dies alles wäre ein Beitrag, um die Vermögensverteilung zu korrigieren.

Ihre Gegenfinanzierungsvorschläge überzeugen mich noch nicht. Die Bedingungen für private Investitionen, an denen es hierzulande mangelt, werden dadurch nicht besser. In den öffentlichen Haushalten wird bereits stark investiert, da sind wir im Hoch-  und Tiefbau bald an der Auslastungsgrenze. Eine beliebige Erhöhung gelingt nicht. Auch konjunkturpolitisch ist zu fragen, ob man jetzt noch weiter auf dieses Gaspedal treten sollte. Ich persönlich befürworte es, aber in bestimmten Bereichen: Digitalisierung der Schulen, Glasfaserausbau. Finanzieren würde ich über einen Verkauf von Post und Telekom aus dem Staatsbesitz.

Beim Euro lehne ich Ihren Therapievorschlag Transferunion ab. Ich sehe auch nicht, dass es den schwächeren Mitgliedern an Kapital fehlen würde. Die Programme aus Brüssel werden nicht abgerufen. Die Investitionsbedingungen stimmen nicht. Aber keinen dauerhaften Finanzausgleich. Den Austritt aus dem Euro wünscht sich aber ebenfalls niemand. Deshalb muss es einen dritten Weg geben, die Regeln der Euro-Zone wieder verbindlich zu machen, Staateninsolvenzen zu regeln etc. ("Saures") und ggf. gemeinsame Investitionsfonds zu schaffen, die aber zweckgebunden Investitionen finanzieren ("Süßes").

Viel mehr wäre zu schreiben, aber nun landet mein Flugzeug. Betrachten Sie dies als ein unvollkommendes Feedback auf Ihre Gedanken, damit Sie in etwa ahnen können, wo wir in dieser Debatte stehen.

Beste Grüße
Christian Lindner

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Christian Lindner MdL 

Bundesvorsitzender der FDP

Vorsitzender der Landtagsfraktion und 
des Landesverbands der FDP in NRW

Landtag Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

Lieber Herr Scholz, herzlichen Dank für Ihren Aktionärsbrief. Martin Schulz hat mich gebeten, Ihnen dafür zu danken und Sie herzlich zu grüßen. Lassen Sie mich die Antwort mit einem Satz zusammenfassen: interessant. Herzliche Grüße Hermann Zimmermann



  HERMANN ZIMMERMANN

  stv. Abteilungsleiter
  Abteilung Politik
  Referatsleiter Nachhaltige Wirtschaft 
  Referent für Wirtschafts- und Verkehrspolitik
  

 
   SPD-Parteivorstand
   Willy-Brandt-Haus
   Wilhelmstraße 141
   10963 Berlin 

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