Samstag, 12. April 2025

Sind wir noch zu retten?

In Deutschland arbeiten Beschäftigte im Schnitt nur noch an rund 170 Tagen im Jahr – das entspricht etwa jedem zweiten Kalendertag. Gleichzeitig steigt der Krankenstand: Im Durchschnitt fällt jeder Arbeitnehmerin mittlerweile an fast jedem zehnten Arbeitstag krankheitsbedingt aus. Für Arbeitgeber ist das kostspielig, denn sie tragen die Lohnfortzahlung.

Zugleich hat der Staat in den letzten Jahren viele seiner Aufgaben an Unternehmen delegiert – und diese zusätzlich mit immer mehr Bürokratie belastet. Ein Beispiel: Die Bauvorschriften, insbesondere im Zuge der Energiewende, wurden stark verschärft. Das hat die Kosten für Neubauten innerhalb von fünf Jahren um mehr als 30 % steigen lassen, schätzen Branchenverbände.


Wenn Regulierung zur Besitzstandswahrung wird

Einige Branchen haben sich mit der Regulierung arrangiert – und nutzen ihren Einfluss, um bestehende Strukturen zu schützen:

  • Notare: Jede Änderung im Handelsregister muss notariell beurkundet werden. Eine Kapitalerhöhung von 1 Mio. Euro bei einem Start-up verursacht dadurch etwa 5.000 Euro Kosten – allein für die Eintragung.

  • Landwirte: Die staatlichen Zuschüsse machen ein Drittel der Einnahmen aus - dazu kommen Steuervergünstigungen etwa beim Agrardiesel sowie Förderungen für Solar-, Wind- und Biogasanlagen.

  • Pflichtabgaben: Unternehmen zahlen Jahr für Jahr kleinere, aber summierende Beträge – z. B. GEZ (80 €), IHK-Beiträge (ab 300 €), LEI-Registrierung (80 €), Schornsteinfegerpauschalen (100 €) und mehr.


Verwaltung – digital nur auf dem Papier

Zwar wurde mit dem Onlinezugangsgesetz ein erster Schritt Richtung digitale Verwaltung gemacht – die Umsetzung bleibt aber oft kurios: Formulare lassen sich online einreichen, werden dann aber ausgedruckt und per Hauspost weitergeleitet.

Ein paar Beispiele:

  • Das Passamt Gauting beschäftigt drei Mitarbeitende, kann aber keine Anträge aus anderen Bezirken entgegennehmen 

  • Ärzt*innen füllen Totenscheine auf Durchschlagpapier aus – die Daten werden bis zu siebenmal manuell an unterschiedliche Stellen übermittelt. Statistiken, die daraus entstehen, sind entsprechend fehleranfällig.

  • Bürger*innen verbringen jedes Jahr viele Stunden mit Behördengängen – ein realer Produktivitätsverlust für die Gesamtwirtschaft.


Gut gemeint, aber schlecht gemacht

Viele Vorschriften verfolgen sinnvolle Ziele – wirken in der Praxis aber oft als Innovationsbremse oder schützen Marktführer:

  • Datenschutz ist wichtig, stellt aber vor allem kleine Start-ups vor große Hürden, während Konzerne wie Google und Meta die Anforderungen auf Millionen Nutzer verteilen.

  • Das Verbot der Sonntagsarbeit hatte einst sozialen Schutz im Blick – heute erschwert es flexible Modelle, während Onlinehändler mit 24/7-Verfügbarkeit den stationären Handel verdrängen.

  • Geflüchtete dürfen während ihres Asylverfahrens oft jahrelang nicht arbeiten – viele verlieren in dieser Zeit Perspektive und Struktur. Eine pragmatischere, arbeitsmarktnahe Regelung würde helfen.


Pflege und Fachkräftemangel – ein deutsches Dilemma

Wer eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause organisieren möchte, benötigt laut aktueller Arbeitsschutzregelungen vier Vollzeitkräfte. Inklusive Vermittlungsgebühren entstehen dabei Kosten von über 30.000 Euro pro Monat. Statt hier durch gezielte Fachkräftezuwanderung und Lockerungen der Arbeitszeitregeln z.B. für Bereitschaftszeit zu entlasten, steigen die Pflegekosten unaufhaltsam.


Digitalisierung? Bitte nicht mit deutscher Gründlichkeit

Digitalisierungsprojekte scheitern oft – nicht an Technik, sondern an Zuständigkeiten:

  • Datenschutz bremst Fortschritt wie z.B. elektronische Krankenakte, obwohl viele Bürger längst digital unterwegs sind.

  • Föderalismus sorgt dafür, dass selbst bewährte Lösungen nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen auf andere Regionen übertragen werden können.

  • Behörden halten oft an analogen Prozessen fest – selbst bei Softwareeinführungen wird die Technik an alte Abläufe angepasst, nicht umgekehrt. Ausdrucke und manuelle Unterschriften nach jedem Schritt bleiben Standard – auf Kosten von Zeit und Geld.


Gleiches Spiel auf der Baustelle

Öffentliche Bauprojekte dauern regelmäßig doppelt so lange wie geplant und kosten das Mehrfache privater Bauten  – und wenn ein Kindergarten nach fünf Jahren endlich eröffnet wird, droht oft schon bald wieder die Schließung wegen baulicher Mängel.


Wie sieht die Lösung aus?

Ein Blick in die Industrie zeigt, wie Effizienz funktioniert: Unser Automobilzulieferer Carbody ist vertraglich verpflichtet, die Teilepreise jährlich um 2–3 % zu senken, obwohl Löhne und Materialkosten regelmäßig steigen. Nur um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen jährlich rund 10 % der Kosten eingespart oder die Ausbringungsmenge erhöht werden – meist durch Automatisierung und Prozessoptimierung.

Warum nicht auch im öffentlichen Dienst? Eine verpflichtende jährliche Effizienzsteigerung, sei es durch Kostenreduktion, Prozessverkürzung oder Output-Erhöhung, könnte genau die Digitalisierung anstoßen, die wir so dringend brauchen.

Mehr Anreize für Wohnungsbau schaffen

Ein effektiver Weg, den Wohnungsbau anzukurbeln, wäre eine zielgerichtete Reform der Grund- und Grunderwerbsteuer:

  • Die derzeit niedrige Grundsteuer könnte erhöht werden, um das Horten unbebauter Grundstücke weniger attraktiv zu machen.

  • Im Gegenzug könnte die Grunderwerbsteuer beim Bau oder Erstkauf von Wohnraum gesenkt werden – insbesondere für Selbstnutzer oder Investoren, die tatsächlich bauen.

So würden Brachflächen oder ungenutzte Grundstücke stärker in die Verantwortung genommen und gleichzeitig Anreize für Bebauung und Nutzung geschaffen.

Digitalisierung der Unternehmensverwaltung vereinfachen

Auch im Bereich Unternehmensgründung und -verwaltung ist Effizienzsteigerung möglich:
Eintragungen ins Handelsregister oder Gesellschafteränderungen könnten längst vollständig digital abgewickelt werden – sicher und rechtsverbindlich, z. B. durch Video-Ident oder Online-ID-Check, wie er bereits bei Kontoeröffnungen eingesetzt wird.

Wenn man heute innerhalb weniger Minuten online ein Bankkonto eröffnen kann, sollten einfache Verwaltungsvorgänge wie Handelsregisteränderungen nicht mehr tagelang dauern oder zwingend einen Notartermin erfordern.


Fazit: Nicht kaputtsparen, aber kaputtregulieren auch nicht

Deutschland steht vor der Herausforderung, Verwaltung, Bürokratie und Prozesse auf ein neues Effizienzniveau zu heben – ohne sozialen Schutz über Bord zu werfen. Doch dafür braucht es Mut, Offenheit und die Bereitschaft, liebgewonnene Strukturen zu hinterfragen.

Denn wer heute nicht reformiert, riskiert morgen Stillstand – und den können wir uns schlicht nicht mehr leisten.

Freitag, 11. April 2025

US-Schuldenkrise – Bessere Lösungen statt willkürlicher Zölle und Handelsstreitigkeiten

Statt auf protektionistische Maßnahmen wie Zölle oder Handelskonflikte zu setzen, sollte die US-Regierung über strategisch durchdachte und langfristig wirkende Alternativen nachdenken, um strukturelle Ungleichgewichte zu korrigieren. Bereits in den 1990er Jahren schlug Warren Buffett einen innovativen Mechanismus vor: Ein Zertifikatesystem, bei dem Importeure von Waren Lizenzen von Exporteuren ersteigern müssen – ähnlich einem Emissionshandelssystem. Der Marktmechanismus dieses Systems sorgt dafür, dass Importe und Exporte über den Preis ins Gleichgewicht gebracht werden. Im Ergebnis wirkt dieser Ansatz wie ein flexibler, marktwirtschaftlich organisierter Zoll, ohne direkte Handelspartner zu benachteiligen. 

Die “Dutch Disease” der USA – Der Export von Dollar statt von Gütern

Die Vereinigten Staaten leiden heute unter einer Form der „Dutch Disease“: Während rohstoffreiche Länder natürliche Ressourcen exportieren und ihre Währungen dadurch aufwerten, exportiert die USA ihre eigene Währung – den US-Dollar. Dies ist historisch gewollt. Seit dem Petrodollar-Abkommen in den 1970er Jahren wird Öl weltweit in Dollar gehandelt, oft als Gegenleistung für militärische oder sicherheitspolitische Garantien. Dieses Arrangement sichert eine konstante Nachfrage nach dem Dollar, führt jedoch auch zu strukturellen Handelsdefiziten und einer tendenziellen Überbewertung der Währung – zum Nachteil amerikanischer Exporteure.

Sterilisierte Kapitalflüsse: Ein strategischer Wealth Fund für Amerika

Eine mögliche Lösung wäre ein öffentlicher Vermögensfonds („Public Wealth Fund“), wie ihn der US Schatzmeister Graham Bessent vorschlug. Dabei würden die Kapitalzuflüsse in den Dollar – etwa durch ausländische Investitionen – sterilisiert, indem die US-Regierung gezielt Auslandsinvestitionen tätigt, anstatt das Geld in der Binnenwirtschaft zirkulieren zu lassen. Dieses Modell ähnelt dem Vorgehen Chinas mit seiner Belt-and-Road-Initiative oder der Schweiz, wo Zentralbanken und Staatsfonds seit Jahren erfolgreich den Wechselkurs managen, um eine übermäßige Aufwertung der eigenen Währung zu verhindern und die Exportindustrie zu schützen.

Die USA könnten damit ähnlich wie andere Länder bewusst externe Nachfrageüberschüsse neutralisieren, ohne die Geldpolitik zu lockern oder die Inflation zu steigern – durch eine Art „Schattenpolitik“ der Kapitalbilanz. Die langfristige Folge wäre ein stabilerer, schwächerer Dollar, eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie und eine strategische Diversifikation nationalen Reichtums durch internationale Anlagen.

Weitere Optionen: Kapitalmarkt-Kontrollen und Ertragssteuern auf USD-Schulden

Alternativ oder ergänzend könnten Kapitalertragssteuern auf USD-Schulden, beispielsweise in Höhe von 30 %, eingeführt werden. Dies würde den Anreiz für kurzfristige, spekulative Kapitalzuflüsse in den US-Markt dämpfen und die externe Nachfrage nach US-Dollar reduzieren. Auch eine moderat regulierte Kapitalmarktpolitik – wie sie China praktiziert – könnte ein Instrument sein, um einseitige Aufwertungsdynamiken zu bremsen und dem Exportsektor eine strategische Entlastung zu verschaffen.

Dienstag, 8. April 2025

Exportweltmeister und kein Wachstum mehr?

Seit Jahrzehnten lebt Deutschland gut vom Ausland – vor allem von den USA. Doch das Modell kommt an seine Grenzen. Warum das gefährlich ist und was wir dringend ändern müssen.

Der stille Deal mit Amerika

Deutschland gilt als Exportweltmeister. Unsere Industrie florierte über Jahrzehnte, weil andere Länder – allen voran die USA – unsere Produkte kauften. Doch was viele übersehen: Diese Nachfrage war nicht nachhaltig finanziert. Bis zur Großen Finanzkrise 2008 waren es vor allem amerikanische Privathaushalte, die sich verschuldeten, um deutsche Autos, Maschinen oder Chemieprodukte zu kaufen.

Nach der Krise sprang der amerikanische Staat ein – mit immer höheren Defiziten. Heute liegt die US-Staatsverschuldung bei etwa 130 % der Wirtschaftsleistung. In Deutschland sind es knapp 70 %. Allein 2024 betrug das amerikanische Haushaltsdefizit rund 7 % des BIP – und entspricht damit fast exakt dem US-Importüberschuss.

Konsum auf Pump – und wir profitieren?

Die USA leisten sich diesen Konsum auf Kredit. Die Zinslast wird mittlerweile zum Problem: Rund 15–17 % der US-Staatsausgaben fließen inzwischen in Zinszahlungen. Um etwas Zinsen zu sparen, setzt das US-Finanzministerium zunehmend auf kurzlaufende Anleihen (2 Jahre) – Die durchschnittlichen Laufzeit alle US-Schulden beträgt nur noch etwa 5 Jahren. Die baldige Refinanzierung droht.

Gleichzeitig bröckelt die industrielle Basis in den USA. Kein Wunder, dass Trump mit Zöllen gegensteuern wollte – ein eher grobes Werkzeug, aber Ausdruck echter wirtschaftlicher Schieflagen.

Deutschland: Sparen als Selbstzweck?

Und was passiert bei uns? Sparen gilt weiterhin als Tugend – selbst wenn niemand weiß, was mit dem Geld geschehen soll. Der Staat spart, obwohl Brücken, Schulen und die Bahn dringend saniert werden müssten. Unternehmen investieren wenig, und auch Privathaushalte halten sich zurück.

Ein Beispiel: Deutschland baut jedes Jahr rund 130.000 bis 200.000 Wohnungen zu wenig, obwohl der Bedarf bei etwa 400.000 liegt. Statt Anreize zu schaffen, werden Regularien verschärft – Stichwort Mietpreisbremse.

Ein Irrtum: Die Wirtschaft kann nicht „im Saldo“ sparen

Was dabei oft übersehen wird: Eine Volkswirtschaft kann in Summe nicht sparen, wenn niemand Schulden aufnimmt. Sparen bedeutet Konsumverzicht – und damit sinkende Nachfrage. Nur wenn ein Sektor – Staat, Unternehmen oder Haushalte – Schulden macht, kann ein anderer sparen.

In Deutschland liegt die Sparquote bei rund 10 % des BIP. Wenn dieses Geld nicht im Inland investiert wird, müssen wir es ins Ausland exportieren – samt der Nachfrage. Die Folge: Andere Länder verschulden sich, während wir ihre Industrie verdrängen.

Die dunkle Seite der Exportüberschüsse

Das alles hat eine Kehrseite. Die USA finanzieren unsere Exporte mit Schulden – und haben dafür zunehmend weniger Spielraum. Auch Deutschland spürt die Folgen: Das Wirtschaftswachstum pro Kopf liegt seit fünf Jahren bei mageren 0,2 % pro Jahr.

Selbst China – mit einer Sparquote von über 40 % – tritt wirtschaftlich auf der Stelle. Auch dort funktioniert das Modell "Exportüberschuss gegen Auslandsschulden" nicht mehr wie früher.

Was wäre die Alternative?

Statt weiterhin Produkte gegen zunehmend wertlose Schuldscheine zu tauschen, sollten wir uns stärker auf das Binnenwachstum konzentrieren:

  • Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Wohnungsbau
  • Maßnahmen zur Stärkung des Konsums
  • Produktivitätssteigerung, vor allem im öffentlichen Sektor

Denn: Die Reallöhne stagnieren – nicht, weil Arbeitgeber nicht zahlen wollen, sondern weil die Produktivität nicht wächst. Der Staat macht rund 50 % der Wirtschaftsleistung aus, hat aber in den letzten 20 Jahren keinen Effizienzgewinn erzielt. Die Privatwirtschaft allein kann das nicht ausgleichen.

Und die Politik?

Die Vorschläge der Parteien wirken oft planlos: Die SPD setzt auf Mietpreisbremsen, die CSU verteilt Rentenzuschläge und Boni. Dabei verschärft sich die demografische Lage spürbar: Heute gibt es nur noch halb so viele 19-Jährige wie zur Zeit der Babyboomer. Gleichzeitig steigen die Rentenausgaben – sie machen ein Drittel des Haushalts aus, jährlich um fast 1 % steigend.

Fazit: Deutschland braucht eine neue Balance

Wir können nicht ewig darauf hoffen, dass andere Länder unsere Nachfrage übernehmen – und sich dafür verschulden. Die Weltwirtschaft braucht neue, ausgewogene Modelle, und Deutschland muss Verantwortung für das eigene Wachstum übernehmen.

 Es ist Zeit für eine Politik, die versteht, dass man Wohlstand nicht sparen kann, sondern gestalten muss – durch kluge Investitionen, moderne Infrastruktur und eine aktivierende Wirtschaftspolitik.

Sind wir noch zu retten?

In Deutschland arbeiten Beschäftigte im Schnitt nur noch an rund 170 Tagen im Jahr – das entspricht etwa jedem zweiten Kalendertag. Gleichze...