Dienstag, 8. April 2025

Exportweltmeister und kein Wachstum mehr?

Seit Jahrzehnten lebt Deutschland gut vom Ausland – vor allem von den USA. Doch das Modell kommt an seine Grenzen. Warum das gefährlich ist und was wir dringend ändern müssen.

Der stille Deal mit Amerika

Deutschland gilt als Exportweltmeister. Unsere Industrie florierte über Jahrzehnte, weil andere Länder – allen voran die USA – unsere Produkte kauften. Doch was viele übersehen: Diese Nachfrage war nicht nachhaltig finanziert. Bis zur Großen Finanzkrise 2008 waren es vor allem amerikanische Privathaushalte, die sich verschuldeten, um deutsche Autos, Maschinen oder Chemieprodukte zu kaufen.

Nach der Krise sprang der amerikanische Staat ein – mit immer höheren Defiziten. Heute liegt die US-Staatsverschuldung bei etwa 130 % der Wirtschaftsleistung. In Deutschland sind es knapp 70 %. Allein 2024 betrug das amerikanische Haushaltsdefizit rund 7 % des BIP – und entspricht damit fast exakt dem US-Importüberschuss.

Konsum auf Pump – und wir profitieren?

Die USA leisten sich diesen Konsum auf Kredit. Die Zinslast wird mittlerweile zum Problem: Rund 15–17 % der US-Staatsausgaben fließen inzwischen in Zinszahlungen. Um etwas Zinsen zu sparen, setzt das US-Finanzministerium zunehmend auf kurzlaufende Anleihen (2 Jahre) – Die durchschnittlichen Laufzeit alle US-Schulden beträgt nur noch etwa 5 Jahren. Die baldige Refinanzierung droht.

Gleichzeitig bröckelt die industrielle Basis in den USA. Kein Wunder, dass Trump mit Zöllen gegensteuern wollte – ein eher grobes Werkzeug, aber Ausdruck echter wirtschaftlicher Schieflagen.

Deutschland: Sparen als Selbstzweck?

Und was passiert bei uns? Sparen gilt weiterhin als Tugend – selbst wenn niemand weiß, was mit dem Geld geschehen soll. Der Staat spart, obwohl Brücken, Schulen und die Bahn dringend saniert werden müssten. Unternehmen investieren wenig, und auch Privathaushalte halten sich zurück.

Ein Beispiel: Deutschland baut jedes Jahr rund 130.000 bis 200.000 Wohnungen zu wenig, obwohl der Bedarf bei etwa 400.000 liegt. Statt Anreize zu schaffen, werden Regularien verschärft – Stichwort Mietpreisbremse.

Ein Irrtum: Die Wirtschaft kann nicht „im Saldo“ sparen

Was dabei oft übersehen wird: Eine Volkswirtschaft kann in Summe nicht sparen, wenn niemand Schulden aufnimmt. Sparen bedeutet Konsumverzicht – und damit sinkende Nachfrage. Nur wenn ein Sektor – Staat, Unternehmen oder Haushalte – Schulden macht, kann ein anderer sparen.

In Deutschland liegt die Sparquote bei rund 10 % des BIP. Wenn dieses Geld nicht im Inland investiert wird, müssen wir es ins Ausland exportieren – samt der Nachfrage. Die Folge: Andere Länder verschulden sich, während wir ihre Industrie verdrängen.

Die dunkle Seite der Exportüberschüsse

Das alles hat eine Kehrseite. Die USA finanzieren unsere Exporte mit Schulden – und haben dafür zunehmend weniger Spielraum. Auch Deutschland spürt die Folgen: Das Wirtschaftswachstum pro Kopf liegt seit fünf Jahren bei mageren 0,2 % pro Jahr.

Selbst China – mit einer Sparquote von über 40 % – tritt wirtschaftlich auf der Stelle. Auch dort funktioniert das Modell "Exportüberschuss gegen Auslandsschulden" nicht mehr wie früher.

Was wäre die Alternative?

Statt weiterhin Produkte gegen zunehmend wertlose Schuldscheine zu tauschen, sollten wir uns stärker auf das Binnenwachstum konzentrieren:

  • Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Wohnungsbau
  • Maßnahmen zur Stärkung des Konsums
  • Produktivitätssteigerung, vor allem im öffentlichen Sektor

Denn: Die Reallöhne stagnieren – nicht, weil Arbeitgeber nicht zahlen wollen, sondern weil die Produktivität nicht wächst. Der Staat macht rund 50 % der Wirtschaftsleistung aus, hat aber in den letzten 20 Jahren keinen Effizienzgewinn erzielt. Die Privatwirtschaft allein kann das nicht ausgleichen.

Und die Politik?

Die Vorschläge der Parteien wirken oft planlos: Die SPD setzt auf Mietpreisbremsen, die CSU verteilt Rentenzuschläge und Boni. Dabei verschärft sich die demografische Lage spürbar: Heute gibt es nur noch halb so viele 19-Jährige wie zur Zeit der Babyboomer. Gleichzeitig steigen die Rentenausgaben – sie machen ein Drittel des Haushalts aus, jährlich um fast 1 % steigend.

Fazit: Deutschland braucht eine neue Balance

Wir können nicht ewig darauf hoffen, dass andere Länder unsere Nachfrage übernehmen – und sich dafür verschulden. Die Weltwirtschaft braucht neue, ausgewogene Modelle, und Deutschland muss Verantwortung für das eigene Wachstum übernehmen.

 Es ist Zeit für eine Politik, die versteht, dass man Wohlstand nicht sparen kann, sondern gestalten muss – durch kluge Investitionen, moderne Infrastruktur und eine aktivierende Wirtschaftspolitik.

1 Kommentar:

  1. Gespart wird ja nicht aus (falsch verstandenem) Prinzip, sondern überwiegend, weil kaum noch jemand dem System vertraut. Zu oft und zu dramatisch das Versagen der Staaten, die alles mögliche erledigen wollen, nur nicht das, wofür sie eigentlich zuständig sind: die Schaffung und Gewährleistung von innerer und äußerer Sicherheit. Zudem die notorischen, bedenklichen Eingriffe in den Markt - natürlich stets begleitet von ganz tollen Begründungen (Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Schwarzgeld, etc.).
    Dabei bewirkt Politik nahezu durchgehend das exakte Gegenteil ihrer Versprechungen. Sie eskaliert mit schöner Regelmäßigkeit in ihrer Korruption, die naturgemäß wuchert, weil es ja bequem ist, sich aus anonymen Töpfen zu bedienen, ohne kreativ und produktiv sein zu müssen.
    Bei alledem stehen Alternativen derzeit nur sehr überschaubar zur Verfügung, z.B. Free Cities.
    Dezentralität und Kleinteiligkeit bewirken Transparenz und Wettbewerb, und anderes: wie beispielsweise Frieden.
    Weil Menschen nämlich keinen Krieg wollen.
    Den wollen nur Politiker. Und sie bekommen ihn auch, solange dieses Konzept nicht ersetzt wird.

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