Samstag, 20. September 2025

Fallstudie: Können wir jedem Schwaben vertrauen?

Wir wollten glauben, was wir sahen: ein bodenständiger Maschinenbauer, der sein Lebenswerk übergeben wollte. Doch wie so oft bei 1-€-Deals zeigte sich beim folgenden Fall erst nach der Unterschrift, was wirklich im Unternehmen steckte – und was nicht.

Der schwäbische Unternehmer und sein Lebenswerk

Der Inhaber eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens, spezialisiert auf Biegemaschinen für Metallbleche, machte auf uns sofort einen soliden Eindruck: sparsam, sachlich, diszipliniert. Eben so, wie wir uns einen klassischen schwäbischen Unternehmer vorstellen. Auch das persönliche Treffen verlief angenehm. Beim Abendessen mit ihm und seiner Frau, einer Ärztin, vermittelte das Paar den Eindruck von Bodenständigkeit, Integrität und einer über Jahrzehnte hinweg geführten, stabilen Firma.

Ein 1-Euro-Deal mit versteckten Lasten

Wir erwarben das Unternehmen für einen symbolischen Euro – auf den ersten Blick ein sehr gutes Geschäft. Allerdings verpflichteten wir uns, einen Kredit in Höhe von 2 Millionen Euro über mehrere Jahre zu tilgen, den der Unternehmer seiner eigenen Firma gewährt hatte. Er zeigte uns stolz eine Excel-Tabelle: Seit 10 Jahren, so sagte er, hätte die Firma jedes Jahr 1 Million Euro Gewinn gemacht – bei gleichbleibendem Umsatz von 10 Millionen Euro. Nur in den letzten beiden Jahren gab es kleinere Verluste.

Die verborgene Wahrheit

Wir erinnerten uns noch, dass uns beim Kauf der Hering Wärmetauscher die Verkäuferin am Ende gefragt hatte, ob wir nicht einen Job für ihren Ehemann hätten. Wir stellten ihn dann als Geschäftsführer in dieser neuen Firma ein. Sein erster Arbeitstag begann mit einer Überraschung: Als er die Schreibtischschublade in seinem neuen Büro öffnete, kamen ihm stapelweise Rechnungen entgegen – alle ungebucht. Der frühere Besitzer hatte die Firmenpost persönlich geöffnet und Rechnungen nur dann an die Buchhaltung weitergeleitet, wenn genügend Geld in der Kasse war.

Nicht ganz so überrascht waren wir, als wir erfuhren, dass der alte Chef kurz vor dem Verkauf seinen Porsche für nur einen Euro aus der Firma „gekauft“ hatte. Wir hätten den Vertrag anfechten oder neu verhandeln können, entschieden uns aber, es trotzdem zu versuchen und die Firma zu retten.

Unverkäufliche Maschinen und der Weg in die Insolvenz

Kurz darauf merkten wir, dass vier große Maschinen gebaut worden waren, ohne dass es überhaupt Kunden dafür gab. Angeblich waren sie nur zur „Vorführung“ gedacht, aber eigentlich sollte so das Betriebsergebnis schöner aussehen, als es wirklich war. Die bilanzierte Leistung verbesserte zwar das Ergebnis, erklärte aber auch den hohen Liquiditätsbedarf in der Vergangenheit. Da die Maschinen keine Kundenvorgaben erfüllten, blieben sie unverkäuflich. Ohne nennenswerten Auftragseingang und mit knapper Liquidität mussten wir wenig später die Insolvenz anmelden.

Warum die Sanierung scheiterte:

  • Geschönte Erfolgszahlen: Ungebuchte Rechnungen verdecken ein akutes Liquiditätsloch.
  • Nachträgliche Kaufpreisraten (Earn-outs / Verkäuferdarlehen): Sie belasten den Cashflow und mindern die Exit-Perspektive.
  • Das Betrugsrisiko steigt in Krisen und bei Privatverkäufen: Es fehlen wirksame Kontrollmechanismen.
  • 1-€-Privatübernahmen haben deutlich weniger Liquiditätspuffer als Carve-outs aus Konzernen.

Lektion: Prüfe bei 1-€-Deals die Liquidität besonders sorgfältig – versteckte Verbindlichkeiten können dich ruinieren. Im Zweifel: nachverhandeln oder vom Vertrag zurücktreten.

In einer Woche beschreibe ich, wie wir mit unserer vierten Übernahme Schiffbruch in der Modebranche erlitten.

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