Der Großanlagenbau wirkt auf den ersten Blick planbar – ist es aber oft nicht. Komplexe Verträge, lange Projektlaufzeiten und hohe Materialkosten machen das Geschäft anfällig für Fehler mit großer Hebelwirkung. Diese Fallstudie zeigt, wie sich ein vielversprechender Einstieg ins Gegenteil verkehren kann.
Ein vielversprechender Start
Im Sommer
2004 kauften wir die Firma Langbein + Engelbracht (L+E), die große
Anlagen für die Industrie baut. Anfangs lief alles rund: Wir übernahmen
Maschinen, die noch nicht ganz fertig waren, aber deren Baukosten von der
Vorbesitzerin bezahlt worden waren. Im zweiten Halbjahr konnten wir diese
Anlagen dann an Papierfabriken und andere Kunden ausliefern – und so die
Einnahmen dafür kassieren.
Ein Knackpunkt beim Kauf: Die Bürgschaften
Die Kunden
zahlten einen Teil des Preises schon bei der Bestellung, wollten aber eine
Sicherheit dafür, dass sie ihr Geld nicht verlieren, falls die Firma
pleitegeht. Auch für die Garantie nach der Lieferung (falls später etwas
kaputtgeht) wollten sie abgesichert sein. Die Vorbesitzerin hatte dafür noch
persönlich gebürgt.
Wir
erklärten, dass wir nicht genau wissen konnten, welche Verpflichtungen aus den
alten Aufträgen noch auf uns zukommen. Deshalb wollten wir nur für neue
Aufträge die Verantwortung übernehmen – und das hat die Verkäuferin am Ende
auch akzeptiert.
Um eine
persönliche Rückbürgschaft zu vermeiden, hinterlegten wir für jede neue
Bestellung Sicherheiten bei Bank und Kautionsversicherern – eine sogenannte Avallinie.
Das dort gebundene Kapital fehlte uns allerdings im laufenden Geschäft.
Neuer Führungsstil, neue Erfolge
Zunächst
ließen wir den übernommenen Geschäftsführer gewähren – samt der Extravaganz,
seinen Jaguar in der Firmengarage abzustellen. Doch mit der Zeit wurde
deutlich, dass nicht genug an der Kostenschraube gedreht wurde. Beim
Betriebsrundgang erlebten wir, wie der Geschäftsführer Mitarbeiter lautstark
anfuhr, während diese untätig in der Halle standen. Doch die Belegschaft
reagierte gelassen – mit dem Sprichwort: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“
Wir
entschieden uns, die Führung zu wechseln. An einem Wochenende machten wir mit
den Bereichsleitern Bewerbungsgespräche für die neue Geschäftsführung. So
stellten wir sicher, dass auch die Abteilungsleiter mit dem neuen Chef
einverstanden waren. Der neue Geschäftsführer machte seine Sache sehr gut: Er
sorgte dafür, dass alle Nacharbeiten ordentlich dokumentiert wurden. Dadurch
konnten wir Zusatzleistungen auch wirklich abrechnen, was die Gewinne
steigerte. Einige Jahre lief das Geschäft so gut, dass wir sogar schöne
Dividenden bekamen.
Das böse Erwachen und die Insolvenz
Doch später,
als wir die Firma verkaufen wollten, kam das böse Erwachen: Ein Mitarbeiter
hatte einem Kunden eine Anlage aus teurem Edelstahl zugesagt, ohne dass er die
Mehrkosten beachtete. Der Kunde bestand auf Edelstahl und wollte keine
billigere Lösung akzeptieren. Dadurch entstanden hohe Verluste.
Als der
Umsatz weiter zurückging, wurde die Situation immer schlechter, und am Ende
mussten wir leider Insolvenz anmelden. Die Lektion: Im Großanlagenbau reicht
ein guter Ergebnisbeitrag nicht aus – eine unüberlegte Zusage kann alles
kippen.
Erfolgsprinzipien im Anlagenbau
- Nacharbeiten lückenlos
dokumentieren:
Sauber erfasste Mehrleistungen lassen sich abrechnen und sind oft die
stillen Ergebnistreiber eines Projekts.
- Vier-Augen-Prinzip bei jeder
Zusage: Jede
Material- oder Lieferzusage sowie jede Vergabe werden erst gültig, wenn
sie ein zweiter Entscheider gegenzeichnet – abgestuft nach klaren
Unterschriftsgrenzen.
- Leise Führung schlägt lautes
Auftreten:
Nachhaltige Sanierer überzeugen durch Fakten, Disziplin und Respekt, nicht
durch Lautstärke.
- "Buy-in" vor
Amtsantritt sichern: Neue Geschäftsführer stellen wir erst ein, wenn
alle Bereichsleiter die Personalie mittragen – so ziehen Technik, Vertrieb
und Produktion von Beginn an in eine Richtung.
Diese vier
Prinzipien senken Kosten, reduzieren Fehlentscheidungen und schaffen die Basis,
um auch komplexe Großprojekte profitabel zu steuern.
Nächste Woche unternehmen wir einen Ausflug in die
Produktion und den Vertrieb von Küchen!
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