Montag, 20. Oktober 2025

Fallstudie: Ausflug in den Großanlagenbau

Der Großanlagenbau wirkt auf den ersten Blick planbar – ist es aber oft nicht. Komplexe Verträge, lange Projektlaufzeiten und hohe Materialkosten machen das Geschäft anfällig für Fehler mit großer Hebelwirkung. Diese Fallstudie zeigt, wie sich ein vielversprechender Einstieg ins Gegenteil verkehren kann.

Ein vielversprechender Start

Im Sommer 2004 kauften wir die Firma Langbein + Engelbracht (L+E), die große Anlagen für die Industrie baut. Anfangs lief alles rund: Wir übernahmen Maschinen, die noch nicht ganz fertig waren, aber deren Baukosten von der Vorbesitzerin bezahlt worden waren. Im zweiten Halbjahr konnten wir diese Anlagen dann an Papierfabriken und andere Kunden ausliefern – und so die Einnahmen dafür kassieren.

Ein Knackpunkt beim Kauf: Die Bürgschaften

Die Kunden zahlten einen Teil des Preises schon bei der Bestellung, wollten aber eine Sicherheit dafür, dass sie ihr Geld nicht verlieren, falls die Firma pleitegeht. Auch für die Garantie nach der Lieferung (falls später etwas kaputtgeht) wollten sie abgesichert sein. Die Vorbesitzerin hatte dafür noch persönlich gebürgt.

Wir erklärten, dass wir nicht genau wissen konnten, welche Verpflichtungen aus den alten Aufträgen noch auf uns zukommen. Deshalb wollten wir nur für neue Aufträge die Verantwortung übernehmen – und das hat die Verkäuferin am Ende auch akzeptiert.

Um eine persönliche Rückbürgschaft zu vermeiden, hinterlegten wir für jede neue Bestellung Sicherheiten bei Bank und Kautionsversicherern – eine sogenannte Avallinie. Das dort gebundene Kapital fehlte uns allerdings im laufenden Geschäft.

Neuer Führungsstil, neue Erfolge

Zunächst ließen wir den übernommenen Geschäftsführer gewähren – samt der Extravaganz, seinen Jaguar in der Firmengarage abzustellen. Doch mit der Zeit wurde deutlich, dass nicht genug an der Kostenschraube gedreht wurde. Beim Betriebsrundgang erlebten wir, wie der Geschäftsführer Mitarbeiter lautstark anfuhr, während diese untätig in der Halle standen. Doch die Belegschaft reagierte gelassen – mit dem Sprichwort: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“

Wir entschieden uns, die Führung zu wechseln. An einem Wochenende machten wir mit den Bereichsleitern Bewerbungsgespräche für die neue Geschäftsführung. So stellten wir sicher, dass auch die Abteilungsleiter mit dem neuen Chef einverstanden waren. Der neue Geschäftsführer machte seine Sache sehr gut: Er sorgte dafür, dass alle Nacharbeiten ordentlich dokumentiert wurden. Dadurch konnten wir Zusatzleistungen auch wirklich abrechnen, was die Gewinne steigerte. Einige Jahre lief das Geschäft so gut, dass wir sogar schöne Dividenden bekamen.

Das böse Erwachen und die Insolvenz

Doch später, als wir die Firma verkaufen wollten, kam das böse Erwachen: Ein Mitarbeiter hatte einem Kunden eine Anlage aus teurem Edelstahl zugesagt, ohne dass er die Mehrkosten beachtete. Der Kunde bestand auf Edelstahl und wollte keine billigere Lösung akzeptieren. Dadurch entstanden hohe Verluste.

Als der Umsatz weiter zurückging, wurde die Situation immer schlechter, und am Ende mussten wir leider Insolvenz anmelden. Die Lektion: Im Großanlagenbau reicht ein guter Ergebnisbeitrag nicht aus – eine unüberlegte Zusage kann alles kippen.

Erfolgsprinzipien im Anlagenbau

  • Nacharbeiten lückenlos dokumentieren: Sauber erfasste Mehrleistungen lassen sich abrechnen und sind oft die stillen Ergebnistreiber eines Projekts.
  • Vier-Augen-Prinzip bei jeder Zusage: Jede Material- oder Lieferzusage sowie jede Vergabe werden erst gültig, wenn sie ein zweiter Entscheider gegenzeichnet – abgestuft nach klaren Unterschriftsgrenzen.
  • Leise Führung schlägt lautes Auftreten: Nachhaltige Sanierer überzeugen durch Fakten, Disziplin und Respekt, nicht durch Lautstärke.
  • "Buy-in" vor Amtsantritt sichern: Neue Geschäftsführer stellen wir erst ein, wenn alle Bereichsleiter die Personalie mittragen – so ziehen Technik, Vertrieb und Produktion von Beginn an in eine Richtung.

Diese vier Prinzipien senken Kosten, reduzieren Fehlentscheidungen und schaffen die Basis, um auch komplexe Großprojekte profitabel zu steuern.

Nächste Woche unternehmen wir einen Ausflug in die Produktion und den Vertrieb von Küchen!

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