Im Sommer
2003 übernahmen wir Louis Féraud, eine traditionsreiche Luxusmarke, von der
Escada-Gruppe. Der symbolische Kaufpreis betrug einen Euro; als Anlaufhilfe
stellten uns die Verkäufer rund zwei Millionen Euro Liquidität zur Verfügung.
Auf dem Papier schien das Geschäft verlockend. Doch schon die ersten Kennzahlen
ließen erahnen, wie schwer die Aufgabe werden würde: Bei gut vierzig Millionen
Euro Umsatz verlor das Unternehmen jährlich rund zehn Millionen.
Mein erster Eindruck: Stil über Substanz
Bereits mein
erster Rundgang durch die Düsseldorfer Zentrale machte deutlich, warum. Das
Büro des Fashion-Direktors war stilvoll ganz in Weiß gehalten – von den Möbeln
über den Teppich bis zur Orchidee auf dem Schreibtisch. Während ich auf ihn
wartete, debattierte er mit seinem Team leidenschaftlich darüber, ob die
kommende Kollektion in Smaragd- oder Moosgrün erscheinen solle. Niemand sprach
über Margen, Liefertermine oder Liquiditätsbedarf.
Das gleiche
Bild zeigte sich später im Münchner Flagship-Store in der Theatinerstraße. Zwei
Verkäuferinnen vertrieben sich die Zeit im leeren Laden, und selbst ein üppiger
Hausrabatt überzeugte meine Frau nicht, ein Kleidungsstück zu kaufen. Féraud
strahlte nach außen noch Grandezza aus, doch ihre Kollektionen wirkten
altbacken; die Marke hatte den Anschluss an moderne Kundinnen verloren.
Die tückische Mechanik der Modebranche
Als wir
tiefer einstiegen, lernten wir die tückische Mechanik des Geschäfts kennen.
Eine neue Kollektion wird bis zu 18 Monate vor der Auslieferung entworfen und
zwölf Monate im Voraus bei asiatischen Lieferanten in Auftrag gegeben. Diese
fordern Bürgschaften oder hohe Anzahlungen – und Banken stellen angeschlagenen
Modehäusern solche Garantien nur ungern aus. Damit saß Féraud in der
klassischsten aller Zwickmühlen: Ohne frische Ware keine Kundschaft, ohne
Banklinien keine frische Ware.
Ein verhängnisvoller Sparkurs
Unser
Sanierungsplan setzte auf schnelle Kostensenkung: Wir kappten fast das gesamte
Marketingbudget, sagten Events ab, verschlankten die Kollektionserstellung und
reduzierten unsere Overhead-Kostenbasis um rund zehn Millionen Euro. Die
Fixkosten für Mieten, Personal und Produktion blieben jedoch hoch – und der
Sparkurs ging zulasten des Luxusimages. Jede abgesagte Modenschau raubte Féraud
Strahlkraft, die Kreativität erlahmte, die Kollektionen verblassten – die
Umsätze sanken schneller, als die Einsparungen greifen konnten.
Hinzu kam
der wachsende Wettbewerb aus dem E-Commerce: Immer mehr Kundinnen bestellten
Designermode online; im stationären Handel konnten sich inzwischen fast nur
noch echte Luxusmarken profitabel halten.
Das schnelle Ende
Nach wenigen
Monaten war klar, dass unsere Finanzreserve aufgebraucht sein würde, lange
bevor die nächste Kollektion nennenswert Cash in die Kasse spülen konnte. Wir
meldeten Insolvenz an. Es blieb bei einem kurzen Gastspiel in der Haute
Couture.
Kurz zusammengefasst: die Lektionen von Féraud
- Lange Vorfinanzierungen: Die Modebranche verlangt hohe
Vorinvestitionen. Ohne sichere Bankgarantien ist ein Turnaround kaum zu
stemmen.
- Der Sparkurs als Sargnagel: Reiner Sparkurs zerstört bei
Luxusmarken oft gerade das, wofür Kundinnen zahlen – das Image und die
Strahlkraft.
- Überflüssige Marken: Viele Marken sind schlicht
überflüssig geworden. Dem Weggang der Kaufkraft ins Internet konnte der
stationäre Handel kaum noch entgegenwirken.
Manchmal ist
eine Insolvenz unvermeidbar. Nächste Woche beantworten wir die Frage: Wie
bereiten wir uns am besten darauf vor?
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