Samstag, 27. September 2025

Fallstudie: Modeschau in Düsseldorf

Im Sommer 2003 übernahmen wir Louis Féraud, eine traditionsreiche Luxusmarke, von der Escada-Gruppe. Der symbolische Kaufpreis betrug einen Euro; als Anlaufhilfe stellten uns die Verkäufer rund zwei Millionen Euro Liquidität zur Verfügung. Auf dem Papier schien das Geschäft verlockend. Doch schon die ersten Kennzahlen ließen erahnen, wie schwer die Aufgabe werden würde: Bei gut vierzig Millionen Euro Umsatz verlor das Unternehmen jährlich rund zehn Millionen.

Mein erster Eindruck: Stil über Substanz

Bereits mein erster Rundgang durch die Düsseldorfer Zentrale machte deutlich, warum. Das Büro des Fashion-Direktors war stilvoll ganz in Weiß gehalten – von den Möbeln über den Teppich bis zur Orchidee auf dem Schreibtisch. Während ich auf ihn wartete, debattierte er mit seinem Team leidenschaftlich darüber, ob die kommende Kollektion in Smaragd- oder Moosgrün erscheinen solle. Niemand sprach über Margen, Liefertermine oder Liquiditätsbedarf.

Das gleiche Bild zeigte sich später im Münchner Flagship-Store in der Theatinerstraße. Zwei Verkäuferinnen vertrieben sich die Zeit im leeren Laden, und selbst ein üppiger Hausrabatt überzeugte meine Frau nicht, ein Kleidungsstück zu kaufen. Féraud strahlte nach außen noch Grandezza aus, doch ihre Kollektionen wirkten altbacken; die Marke hatte den Anschluss an moderne Kundinnen verloren.

Die tückische Mechanik der Modebranche

Als wir tiefer einstiegen, lernten wir die tückische Mechanik des Geschäfts kennen. Eine neue Kollektion wird bis zu 18 Monate vor der Auslieferung entworfen und zwölf Monate im Voraus bei asiatischen Lieferanten in Auftrag gegeben. Diese fordern Bürgschaften oder hohe Anzahlungen – und Banken stellen angeschlagenen Modehäusern solche Garantien nur ungern aus. Damit saß Féraud in der klassischsten aller Zwickmühlen: Ohne frische Ware keine Kundschaft, ohne Banklinien keine frische Ware.

Ein verhängnisvoller Sparkurs

Unser Sanierungsplan setzte auf schnelle Kostensenkung: Wir kappten fast das gesamte Marketingbudget, sagten Events ab, verschlankten die Kollektionserstellung und reduzierten unsere Overhead-Kostenbasis um rund zehn Millionen Euro. Die Fixkosten für Mieten, Personal und Produktion blieben jedoch hoch – und der Sparkurs ging zulasten des Luxusimages. Jede abgesagte Modenschau raubte Féraud Strahlkraft, die Kreativität erlahmte, die Kollektionen verblassten – die Umsätze sanken schneller, als die Einsparungen greifen konnten.

Hinzu kam der wachsende Wettbewerb aus dem E-Commerce: Immer mehr Kundinnen bestellten Designermode online; im stationären Handel konnten sich inzwischen fast nur noch echte Luxusmarken profitabel halten.

Das schnelle Ende

Nach wenigen Monaten war klar, dass unsere Finanzreserve aufgebraucht sein würde, lange bevor die nächste Kollektion nennenswert Cash in die Kasse spülen konnte. Wir meldeten Insolvenz an. Es blieb bei einem kurzen Gastspiel in der Haute Couture.

Kurz zusammengefasst: die Lektionen von Féraud

  • Lange Vorfinanzierungen: Die Modebranche verlangt hohe Vorinvestitionen. Ohne sichere Bankgarantien ist ein Turnaround kaum zu stemmen.
  • Der Sparkurs als Sargnagel: Reiner Sparkurs zerstört bei Luxusmarken oft gerade das, wofür Kundinnen zahlen – das Image und die Strahlkraft.
  • Überflüssige Marken: Viele Marken sind schlicht überflüssig geworden. Dem Weggang der Kaufkraft ins Internet konnte der stationäre Handel kaum noch entgegenwirken.

Manchmal ist eine Insolvenz unvermeidbar. Nächste Woche beantworten wir die Frage: Wie bereiten wir uns am besten darauf vor?


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