Sonntag, 5. Oktober 2025

Fallstudie: Wie wir uns auf eine mögliche Insolvenz vorbereiten – Ein Praxisblick

Wenn wir ein Unternehmen praktisch „geschenkt“ bekommen, droht oft schon bald die Pleite – vor allem, wenn wir nichts ändern und die alte Geschäftsführung weitermacht wie bisher. Das größte Problem ist fast immer die Liquidität: Auf dem Konto fehlt schlicht das Geld, um alle Rechnungen zu bezahlen. Deshalb muss die neue Geschäftsleitung von Tag 1 an genau verfolgen, wie viel Geld täglich hinein- und hinausfließt.

Liquidität permanent im Blick

In der Startphase arbeiten wir mit rollierenden Sechs-Wochen-Plänen und projizieren jede Woche den Cash-Bedarf für die kommenden sechs bis zwölf Monate. Dabei kalkulieren wir realistisch, aber nicht übertrieben pessimistisch: Ohne frische Bestellungen läuft bei einem Maschinenbauer der Auftragsbestand aus – dann fehlen Deckungsbeiträge, während die Fixkosten weiterlaufen.

Rechtliche und finanzielle Risiken nach einer Insolvenz

Neben finanziellen Verlusten birgt eine Insolvenz auch rechtliche Risiken – vor allem, wenn Zahlungen an Gesellschafter oder Geschäftsführung nicht eindeutig dokumentiert oder vertraglich abgesichert sind.

Zahlungen ohne Vertrag

Der Insolvenzverwalter untersucht zuerst alle Geldflüsse, die an Gesellschafter oder Geschäftsführung geflossen sind, und legt darüber dem Gericht ein Gutachten vor. Fehlt eine eindeutige vertragliche Grundlage – etwa ein schriftlicher Beratungs- oder Geschäftsführervertrag – können solche Überweisungen zurückgefordert werden. Im schlimmsten Fall steht sogar der Vorwurf der Untreue im Raum.

Wir haben das einmal teuer gelernt: Beim ersten 1-€-Deal zahlten wir uns eine Management Fee aus, ohne sie sauber zu vereinbaren. Der Insolvenzverwalter verlangte das Geld zurück, und ein strafrechtliches Verfahren wurde nur mit viel Aufwand eingestellt. Seitdem schließen wir für jede Honorierung einen ausführlichen Vertrag ab – Leistungsumfang, Vergütung, Fälligkeit und Kontrollrechte klar geregelt.

Fristgerechter Insolvenzantrag

Nach deutschem Recht muss die Geschäftsführung spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz beantragen.

  • Zahlungsunfähigkeit liegt in der Praxis vor, wenn mindestens zehn Prozent der fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr beglichen werden können und keine kurzfristige Besserung absehbar ist.
  • Überschuldung ist gegeben, wenn das Vermögen geringer ist als die Schulden und keine positive Fortführungsprognose besteht.

Versäumt die Geschäftsführung diese Frist, drohen persönliche Haftung und strafrechtliche Konsequenzen. Darum engagieren wir in kritischen Phasen immer einen auf Insolvenzrecht spezialisierten Anwalt, der uns tagesaktuell begleitet und jede Stundungsvereinbarung schriftlich fixiert.

Unser Grundsatz lautet: Lieber einen Tag zu früh als zu spät – schon um den Insolvenzverwalter nicht von Beginn an gegen uns aufzubringen.

Gesellschafterdarlehen und Rangrücktritte

Konzerne finanzieren Tochtergesellschaften häufig über Gesellschafterdarlehen. Beim Carve-out übernehmen wir solche Kredite oft mit. Gefährlich wird es, wenn wir Darlehen während der Krise zurückführen oder in Eigenkapital umwandeln, ohne die richtige Reihenfolge der Beschlüsse einzuhalten. Rückzahlungen, die nicht klar nach Rangrücktritt oder Kapitalherabsetzung erfolgen, fechtet der Insolvenzverwalter regelmäßig an. Deshalb achten wir darauf, dass zunächst das Stammkapital ordnungsgemäß angepasst wird, bevor ein Gesellschafterdarlehen zurückgeführt wird.

Wann kehrt endlich Ruhe ein?

Nach den ersten hundert Tagen kehrt endlich Ruhe ein: Die Liquidität reicht wieder, Lieferanten liefern ohne Vorkasse, und das Team hat Vertrauen gefasst. Jetzt stellt sich die größere Frage: Wollen wir weiter Feuerlöscher spielen – oder ein skalierbares Sanierungsmodell aufbauen, das Krisenfälle systematisch in stabile Betriebe verwandelt?     

Nächste Woche mehr dazu!


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