Einiges. Wir hatten
das Eigenkapital vergessen. Uns rettete allerdings, dass die Verkäuferin zu
eilig handelte. Sie hatte Aktiva und Passiva des Betriebs an eine New Co übertragen, um diese dann für einen Euro an uns zu verkaufen. Sie tat dies, um
die Betriebsimmobilie zu behalten. Das Eigenkapital wurde inklusive unseres
geforderten Kassenbestandes von 1,6 Mio. auf 50.000 Euro eingestellt. Was
natürlich viel zu wenig war, angesichts der fortlaufenden Verluste der
Gesellschaft. Der Eigenkapitalpuffer war erforderlich, um die Verluste
abzufedern, bevor unser Turnaround wirklich greifen konnte.
Da die 30-Tage-Frist für den wirksamen Übergang der Assets noch nicht abgelaufen war, nutzten
wir die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat dazu, die Zukunft der
neuen Gesellschaft möglichst schlecht darzustellen. Mit dem Ergebnis, dass wir
nach Ablauf der 30 Tage auf einer leeren Gesellschaft mit allen Aktiva und
Verbindlichkeiten saßen, aber ohne die Mitarbeiter. Die hatten sich
wohlweislich dafür entschieden, bei der gut finanzierten Verkäuferin zu
bleiben. Wir verhandelten dann die Übernahme der Mitarbeiter gegen eine
entsprechende zusätzliche Finanzhilfe für die junge Gesellschaft. Damit wir den
Mitarbeitern auch ein Gefühl der sicheren Zukunft vermitteln konnten.
Allerdings wurden
alle Mitarbeiter, die dann nicht mit übergehen wollten, großzügig abgefunden.
Sodass wir am Ende keinen Vertriebsmitarbeiter übernommen haben und auch die
technische Leitung nicht mit überwechselte (sie bekamen schließlich leicht
einen neuen Job anderswo). Eine Erfahrung, die wir in der Folge leider häufiger
machten: Die mobilsten Mitarbeiter nutzen die Verkaufsphase des Unternehmens
dazu, ihren Marktwert zu testen. Mit dem Ergebnis, dass nach der Übernahme
häufig erst einmal die Kündigungen eintrudeln.
Unsere Fehlerreihe
setzte sich fort. Wir mussten von 130 Mitarbeitern mehr als die Hälfte abbauen,
um den fehlenden Auftragseingang des Maschinenbauers auszugleichen. Der
verzögerte Neuaufbau des Vertriebs führte in der Folge zu einem weiter
abschwächenden Auftragseingang. Wie sich später herausstellte, hatten wir
den falschen Mitarbeitern gekündigt. Unsere Vorstellung war, dass wir die
Fertigung zum überwiegenden Teil auslagern und die Kräfte im Engineering
erhalten würden. Allerdings wussten wir nicht, dass die Anlagen in der
Vergangenheit aufgrund der langwierigen Prozesse in der Auftragsvergabe und der
Anlagenkonfiguration nur halbfertig gezeichnet in die Halle kamen. Die erfahrenen
technischen Mitarbeiter wussten, wie die fertige Anlage auszusehen hatte.
Allerdings wurde
die erforderliche Dokumentation extern vergeben, um die letzten 10 % der
Auftragssumme in Rechnung stellen zu können. Die fertigen Zeichnungen waren
also nicht die Grundlage für den nächsten Auftrag, sondern es wurde mit
fehlerhaften Vorentwürfen gearbeitet. Nachdem wir die erfahrenen Techniker
entlassen hatten (es gab kein Kästchen mehr für sie in der Neuorganisation)
konnten die Aufträge in der Folge nur mit erheblichen Nacharbeiten
abgeschlossen werden. Von diesem Manko erholte sich der Betrieb in der
Folge nicht mehr. 5 Jahre später musste der Betrieb schließlich Insolvenz
anmelden. Allerdings nicht mehr unter unserer Ägide: Wir hatten den Betrieb
nach ein paar Jahren für einen symbolischen Kaufpreis an einen der
nachfolgenden Geschäftsführer verkauft. Trotz vieler Wechsel in der
Geschäftsleitung schaffte es jedoch keiner, das Unternehmen nachhaltig in die
Gewinnzone zu bringen.
Super! Weiter so! Informativ und unterhaltsam!
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