Montag, 6. November 2017

Was lief bei unserm ersten Deal alles schief?


Einiges. Wir hatten das Eigenkapital vergessen. Uns rettete allerdings, dass die Verkäuferin zu eilig handelte. Sie hatte Aktiva und Passiva des Betriebs an eine New Co übertragen, um diese dann für einen Euro an uns zu verkaufen. Sie tat dies, um die Betriebsimmobilie zu behalten. Das Eigenkapital wurde inklusive unseres geforderten Kassenbestandes von 1,6 Mio. auf 50.000 Euro eingestellt. Was natürlich viel zu wenig war, angesichts der fortlaufenden Verluste der Gesellschaft. Der Eigenkapitalpuffer war erforderlich, um die Verluste abzufedern, bevor unser Turnaround wirklich greifen konnte.

Da die 30-Tage-Frist für den wirksamen Übergang der Assets noch nicht abgelaufen war, nutzten wir die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat dazu, die Zukunft der neuen Gesellschaft möglichst schlecht darzustellen. Mit dem Ergebnis, dass wir nach Ablauf der 30 Tage auf einer leeren Gesellschaft mit allen Aktiva und Verbindlichkeiten saßen, aber ohne die Mitarbeiter. Die hatten sich wohlweislich dafür entschieden, bei der gut finanzierten Verkäuferin zu bleiben. Wir verhandelten dann die Übernahme der Mitarbeiter gegen eine entsprechende zusätzliche Finanzhilfe für die junge Gesellschaft. Damit wir den Mitarbeitern auch ein Gefühl der sicheren Zukunft vermitteln konnten.

Allerdings wurden alle Mitarbeiter, die dann nicht mit übergehen wollten, großzügig abgefunden. Sodass wir am Ende keinen Vertriebsmitarbeiter übernommen haben und auch die technische Leitung nicht mit überwechselte (sie bekamen schließlich leicht einen neuen Job anderswo). Eine Erfahrung, die wir in der Folge leider häufiger machten: Die mobilsten Mitarbeiter nutzen die Verkaufsphase des Unternehmens dazu, ihren Marktwert zu testen. Mit dem Ergebnis, dass nach der Übernahme häufig erst einmal die Kündigungen eintrudeln.

Unsere Fehlerreihe setzte sich fort. Wir mussten von 130 Mitarbeitern mehr als die Hälfte abbauen, um den fehlenden Auftragseingang des Maschinenbauers auszugleichen. Der verzögerte Neuaufbau des Vertriebs führte in der Folge zu einem weiter abschwächenden Auftragseingang. Wie sich später herausstellte, hatten wir den falschen Mitarbeitern gekündigt. Unsere Vorstellung war, dass wir die Fertigung zum überwiegenden Teil auslagern und die Kräfte im Engineering erhalten würden. Allerdings wussten wir nicht, dass die Anlagen in der Vergangenheit aufgrund der langwierigen Prozesse in der Auftragsvergabe und der Anlagenkonfiguration nur halbfertig gezeichnet in die Halle kamen. Die erfahrenen technischen Mitarbeiter wussten, wie die fertige Anlage auszusehen hatte.

Allerdings wurde die erforderliche Dokumentation extern vergeben, um die letzten 10 % der Auftragssumme in Rechnung stellen zu können. Die fertigen Zeichnungen waren also nicht die Grundlage für den nächsten Auftrag, sondern es wurde mit fehlerhaften Vorentwürfen gearbeitet. Nachdem wir die erfahrenen Techniker entlassen hatten (es gab kein Kästchen mehr für sie in der Neuorganisation) konnten die Aufträge in der Folge nur mit erheblichen Nacharbeiten abgeschlossen werden. Von diesem Manko erholte sich der Betrieb in der Folge nicht mehr. 5 Jahre später musste der Betrieb schließlich Insolvenz anmelden. Allerdings nicht mehr unter unserer Ägide: Wir hatten den Betrieb nach ein paar Jahren für einen symbolischen Kaufpreis an einen der nachfolgenden Geschäftsführer verkauft. Trotz vieler Wechsel in der Geschäftsleitung schaffte es jedoch keiner, das Unternehmen nachhaltig in die Gewinnzone zu bringen.


1 Kommentar:

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