Samstag, 20. September 2025

Fallstudie: Können wir jedem Schwaben vertrauen?

Wir wollten glauben, was wir sahen: ein bodenständiger Maschinenbauer, der sein Lebenswerk übergeben wollte. Doch wie so oft bei 1-€-Deals zeigte sich beim folgenden Fall erst nach der Unterschrift, was wirklich im Unternehmen steckte – und was nicht.

Der schwäbische Unternehmer und sein Lebenswerk

Der Inhaber eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens, spezialisiert auf Biegemaschinen für Metallbleche, machte auf uns sofort einen soliden Eindruck: sparsam, sachlich, diszipliniert. Eben so, wie wir uns einen klassischen schwäbischen Unternehmer vorstellen. Auch das persönliche Treffen verlief angenehm. Beim Abendessen mit ihm und seiner Frau, einer Ärztin, vermittelte das Paar den Eindruck von Bodenständigkeit, Integrität und einer über Jahrzehnte hinweg geführten, stabilen Firma.

Ein 1-Euro-Deal mit versteckten Lasten

Wir erwarben das Unternehmen für einen symbolischen Euro – auf den ersten Blick ein sehr gutes Geschäft. Allerdings verpflichteten wir uns, einen Kredit in Höhe von 2 Millionen Euro über mehrere Jahre zu tilgen, den der Unternehmer seiner eigenen Firma gewährt hatte. Er zeigte uns stolz eine Excel-Tabelle: Seit 10 Jahren, so sagte er, hätte die Firma jedes Jahr 1 Million Euro Gewinn gemacht – bei gleichbleibendem Umsatz von 10 Millionen Euro. Nur in den letzten beiden Jahren gab es kleinere Verluste.

Die verborgene Wahrheit

Wir erinnerten uns noch, dass uns beim Kauf der Hering Wärmetauscher die Verkäuferin am Ende gefragt hatte, ob wir nicht einen Job für ihren Ehemann hätten. Wir stellten ihn dann als Geschäftsführer in dieser neuen Firma ein. Sein erster Arbeitstag begann mit einer Überraschung: Als er die Schreibtischschublade in seinem neuen Büro öffnete, kamen ihm stapelweise Rechnungen entgegen – alle ungebucht. Der frühere Besitzer hatte die Firmenpost persönlich geöffnet und Rechnungen nur dann an die Buchhaltung weitergeleitet, wenn genügend Geld in der Kasse war.

Nicht ganz so überrascht waren wir, als wir erfuhren, dass der alte Chef kurz vor dem Verkauf seinen Porsche für nur einen Euro aus der Firma „gekauft“ hatte. Wir hätten den Vertrag anfechten oder neu verhandeln können, entschieden uns aber, es trotzdem zu versuchen und die Firma zu retten.

Unverkäufliche Maschinen und der Weg in die Insolvenz

Kurz darauf merkten wir, dass vier große Maschinen gebaut worden waren, ohne dass es überhaupt Kunden dafür gab. Angeblich waren sie nur zur „Vorführung“ gedacht, aber eigentlich sollte so das Betriebsergebnis schöner aussehen, als es wirklich war. Die bilanzierte Leistung verbesserte zwar das Ergebnis, erklärte aber auch den hohen Liquiditätsbedarf in der Vergangenheit. Da die Maschinen keine Kundenvorgaben erfüllten, blieben sie unverkäuflich. Ohne nennenswerten Auftragseingang und mit knapper Liquidität mussten wir wenig später die Insolvenz anmelden.

Warum die Sanierung scheiterte:

  • Geschönte Erfolgszahlen: Ungebuchte Rechnungen verdecken ein akutes Liquiditätsloch.
  • Nachträgliche Kaufpreisraten (Earn-outs / Verkäuferdarlehen): Sie belasten den Cashflow und mindern die Exit-Perspektive.
  • Das Betrugsrisiko steigt in Krisen und bei Privatverkäufen: Es fehlen wirksame Kontrollmechanismen.
  • 1-€-Privatübernahmen haben deutlich weniger Liquiditätspuffer als Carve-outs aus Konzernen.

Lektion: Prüfe bei 1-€-Deals die Liquidität besonders sorgfältig – versteckte Verbindlichkeiten können dich ruinieren. Im Zweifel: nachverhandeln oder vom Vertrag zurücktreten.

In einer Woche beschreibe ich, wie wir mit unserer vierten Übernahme Schiffbruch in der Modebranche erlitten.

Sonntag, 14. September 2025

Fallstudie: Geld wechseln mit Wärmetauschern?

Manche Investitionen erfordern von uns viel Geduld. Die folgende Geschichte über Hering Wärmetauscher zeigt, wie viel Ausdauer, Improvisation und Führungskraft nötig sind, um ein kleines Industrieunternehmen aus der Verlustzone zu holen.

Ein ungewöhnlicher 1-Euro-Deal

Im Sommer 2003 bekamen wir zum ersten Mal Besuch in unserem Büro. Eine selbstbewusste Dame machte uns ein ungewöhnliches Angebot: Wir sollten ihre Firma in Gunzenhausen für einen symbolischen Euro übernehmen. Außerdem wollte sie uns noch 200.000 Euro in der Firmenkasse lassen. Die einzige Bedingung war, dass das Unternehmen mindestens ein Jahr weiter existiert. 

Warum das Ganze? Die Frau wollte sicherstellen, dass ein ungenutztes Grundstück, das sie an einen Supermarkt verkaufen wollte, rechtlich sauber aus der Firma herausgelöst werden konnte. Falls die Firma pleitegehen würde, hätte der Insolvenzverwalter sonst versucht, das Grundstück zurückzufordern. Zum Glück reichte ihr unser Ehrenwort, dass wir die Firma ein Jahr lang weiterführen.

Ein alter Studienkollege als Retter in der Not

Die Hering Wärmetauscher AG erwirtschaftete damals nur rund 7 Millionen Euro Umsatz, verlor dabei jedoch jedes Jahr etwa 1 Million Euro – kein leichter Startpunkt für uns. Wir setzten einen alten Kollegen aus dem BWL-Studium als Geschäftsführer ein. Er kannte sich zwar nicht mit Wärmetauschern aus, aber die Mitarbeiter vertrauten ihm. Trotzdem war die Lage so schlecht, dass wir den Angestellten zeitweise fast zwei Monatsgehälter schuldeten. Wie haben wir es trotzdem geschafft? 

Mein Studienfreund schaffte es, die Produktion von ungefähr 80 Wärmetauschern im Jahr besser zu organisieren, sodass die monatliche Ausbringung konstanter wurde. Das half dabei, das Umlaufvermögen zu glätten und Spitzen im Kapitalbedarf zu verringern. Außerdem verhandelte er bessere Verträge und vermietete einen Teil der Produktionshalle weiter, was zusätzlich Geld einbrachte. Wir veräußerten das Werkgelände per Sale-and-Lease-back und nutzten die freigesetzte Liquidität, um die Löhne pünktlich auszuzahlen.

Das Problem der Einzelanfertigung

Ein weiteres Problem war, dass jeder Wärmetauscher individuell nach Kundenwunsch gefertigt wurde. Diese Sonderanfertigungen machten alles sehr teuer, und die Firma kam nie wirklich in die Gewinnzone. Erst viele Jahre später, nach mehreren Wechseln in der Geschäftsführung, fanden wir mit Christian Rasch den richtigen Geschäftsführer für die Hering AG. Dank strafferen Managements und der Konzentration auf den Einsatz von Wärmetauschern im Großkraftwerksbau gelang es ihm nach und nach, die operative Gewinnmarge (EBIT) auf stattliche 15 % zu steigern!

Wachstum am Limit

Leider stagnierte der Umsatz in der Zwischenzeit nahezu vollständig. Ein begrenzender Faktor war der Kran in der Produktionshalle, der keine höheren Traglasten bewältigen konnte. Der geplante Neubau einer zusätzlichen Halle scheiterte ebenfalls – es fehlte schlicht an ausreichend qualifizierten Schweißern. Zwar erhielten wir zahlreiche Anfragen für größere Wärmetauscher, aber unsere Kapazitäten reichten einfach nicht aus, um diese Aufträge umzusetzen.

Warum der Turnaround bei Hering Wärmetauscher stockte
  • Einzelfertigung großer Wärmetauscher: Kaum Skaleneffekte, hohe Stückkosten.
  • Kleine Serien: Preisdruck durch die Einkaufsmacht der Kunden.
  • Häufig wechselnde Spezifikationen: Hoher Rüstaufwand, der die Marge drückte.
  • Fehlende qualifizierte Zulieferer: Weitere Kostennachteile.
  • Hallen- und Kranlimit (Traglast max. 10 t): Auftragsgröße gedeckelt, Wachstum blockiert.

Der Erfolg liegt oft im Fokus und in der Kunst, 'Nein' zu sagen. Gerade bei begrenzten Ressourcen ist das essenziell, um Ziele zu erreichen. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Hauptkonkurrent: Anstatt sich auf große Wärmetauscher zu konzentrieren, wie wir es taten (wir verkauften die Hering letztes Jahr), setzte er auf die Produktion von Kleinserien – und das an einem kostengünstigeren Standort. So konnte er mit einem anderen Ansatz erfolgreich sein. 

In einer Woche beschreibe ich, wie wir mit unserer dritten Übernahme hinters Licht geführt worden sind.

Dienstag, 9. September 2025

Beyss: Warum unser erster 1-Euro-Deal scheiterte

Am Tag nach der Übernahme saß ich allein im Büro – mit den Schlüsseln auf dem Tisch und der Verantwortung für 130 Mitarbeitende. Diese Fallstudie zeigt, was bei einem 1-Euro-Deal alles schieflaufen kann.

Der 1-Euro-Kauf mit Zuschuss

Im April 2003, nur vier Monate nach der Gründung unserer Firma, kauften wir den Anlagenbauer für einen symbolischen Euro. Beyss stellte Waschanlagen für Getriebeteile in der Automobilindustrie her. Mit 30 Millionen Euro Jahresumsatz in der Vergangenheit schien das Unternehmen eine Basis zu haben, doch der Ausblick war düster.

Um die Verluste abzufedern, handelten wir einen Zuschuss von 1,6 Millionen Euro mit dem Verkäufer aus – eine Schließung wäre für ihn noch teurer gewesen. 

Plötzlich allein für 130 Mitarbeiter verantwortlich

Voller Tatendrang stand ich am ersten Tag nach der Übernahme mit einer Liste von Verbesserungsideen im Büro des Geschäftsführers. Doch bevor ich überhaupt anfangen konnte, drückte er mir die Firmenschlüssel in die Hand – zusammen mit seiner Kündigung. Er fürchtete wohl, künftig an seinen eigenen Ankündigungen gemessen zu werden.

Später erfuhr ich, dass Geschäftsführer Boni für eine positive Darstellung des Unternehmens in Präsentationen erhalten. Das soll verhindern, dass sie sich zu früh auf die Seite des Käufers schlagen und bei der Senkung des Kaufpreises mitwirken. 

Da saß ich nun allein in seinem dunkel getäfelten Büro und fragte mich: „Was jetzt?“ Ob mir damals die Tränen in den Augen standen, weiß ich nicht mehr. Plötzlich war ich für 130 Menschen verantwortlich. Als Kaufmann hatte ich nur selten eine Produktionshalle betreten, und nun schaute ich auf große, laute Maschinen. Mein Geschäftspartner, der in München geblieben war, konnte mir aus der Ferne auch keinen schnellen Rat geben. Im Hotelzimmer am Abend wurde meine Entscheidung klar: Ich musste versuchen, das Unternehmen als Geschäftsführer selbst zu retten!

Die ernüchternde Bilanz

Ich bat den Controller, eine monatliche Cashflow-Planung zu erstellen. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Das Unternehmen hatte nur noch wenige Monate zu leben.

Wir verlegten die täglichen Management-Meetings auf 7 Uhr morgens, während mein Vorgänger erst um 9 Uhr angefangen hatte. Wir bauten die Rückstände schrittweise ab und lieferten die Maschinen schneller aus. Das verbesserte unseren Cashflow merklich.

Der nächste Schock kam beim Blick in die Bilanz: Es gab viel zu wenig Eigenkapital. Die Betriebsimmobilie war als „Kaufpreis“ im Besitz der alten Gesellschaft geblieben. Alle anderen Vermögenswerte und Schulden – inklusive der 1,6 Millionen Euro auf einem neuen Konto – waren in eine neue Gesellschaft überführt worden, die wir für einen symbolischen Euro übernommen hatten. Trotz des gut gefüllten Kontos lag das Eigenkapital wegen der vielen offenen Lieferantenrechnungen bei nur 50.000 Euro. Das reichte angesichts der laufenden Verluste nur noch für wenige Tage.

Ohne eine schnelle Trendwende hätte ich nach drei Wochen Insolvenz anmelden müssen, sonst hätte ich persönlich für neue Schulden gehaftet.

Nachverhandlungen, um die Firma zu retten

Mithilfe eines Anwalts aus München fanden wir einen Weg: Die Verkäuferin hatte beim Verkauf nicht abgewartet, dass die 30-tägige Frist für Mitarbeiterwidersprüche abgelaufen war. Die Mitarbeiter konnten dem Übergang noch widersprechen. Im Gespräch mit dem Betriebsrat wurde klar: Nur so ließen sich Arbeitsplätze oder Abfindungen sichern. Die alte Gesellschaft war weiterhin verpflichtet, die Verluste auszugleichen.

Die Verkäuferin steckte in der Klemme: Die Maschinen und Vorräte waren schon übertragen. Ein ganzer Monat verging, bis wir eine Einigung fanden. Wir hatten uns verpflichtet, alle Mitarbeiter zu übernehmen, aber ohne Stellenabbau war das Unternehmen nicht zu retten. Unser Plan sah eine Reduzierung auf 60, später sogar auf 40 Mitarbeiter vor. Die Auftragslage von circa 7 Millionen Euro gab nicht mehr her. Kurz vor Fristende stimmte die Verkäuferin zu, die Abfindungen zu übernehmen. Die meisten Angestellten wechselten zur neuen Gesellschaft.

Falsche Mitarbeiter entlassen und wertvolles Wissen verloren

Die Leiter der Entwicklung und des Vertriebs entschieden sich dagegen, nahmen die Abfindungen an und wechselten zur Konkurrenz. Das passiert oft: Während eines Verkaufs nutzen gerade die qualifiziertesten Mitarbeiter die Chance, sich neu zu orientieren. Der Wiederaufbau des Vertriebs zog sich länger hin als gedacht. Rückblickend mussten wir feststellen, dass wir die falschen Mitarbeiter entlassen hatten. Wir wollten die Fertigung auslagern und das Engineering-Know-how behalten. Aber wir unterschätzten, wie viel Praxiswissen in der Montagehalle steckte – die erfahrenen Facharbeiter fehlten nun.

Die Vergabeprozesse der Autohersteller wurden immer komplexer, die Fristen für die Fertigung immer kürzer. Wir mussten oft halbfertige Konstruktionszeichnungen in die Produktion geben, weil schlicht die Zeit fehlte, sie zu vollenden. Die Fachkräfte in der Halle wussten aus der Praxis, wie die fertigen Anlagen am Ende aussehen mussten. Die Anlagendokumentation wurde extern vergeben, um die letzten 10 % der Auftragssumme zu sichern. Das war ein Fehler: Wertvolles Wissen ging in der Entwicklungsabteilung verloren und es schlichen sich Fehler in die Unterlagen ein. Alle Aufträge konnten nur mit viel Nacharbeit abgeschlossen werden.

Der gescheiterte Turnaround

Fünf Jahre später meldete das Unternehmen Insolvenz an – inzwischen unter einem anderen Eigentümer. Wir hatten Beyss bereits ein Jahr zuvor für einen symbolischen Euro an den Geschäftsführer verkauft. Trotz vieler Wechsel in der Führung schaffte es niemand, das Unternehmen dauerhaft in die Gewinnzone zu bringen. Am Ende war die Substanz durch den Personalabbau und die vielen Eigenkündigungen so weit ausgeblutet, dass ein Turnaround nicht mehr möglich war.

Lehren aus dem Beyss-Deal:

  • Schlüsselkräfte im Vertrieb kündigten: Der Auftragseingang brach ein.
  • Mangelnde Dokumentation, Know-how im Engineering: Es gab Qualitätsprobleme und teure Nacharbeiten.

Die wichtigste Lektion: Gerade kleine Unternehmen hängen stark vom Wissen, den Kontakten und der Motivation weniger Schlüsselpositionen ab. Ohne einen passenden Geschäftsführer und engagierte Fachkräfte scheitert jede Sanierung.

In einer Woche beschreibe ich, wie unsere zweite Übernahme, ebenfalls ein Anlagenbauer, nach vielen Anläufen und Geschäftsführerwechseln fast zwei Jahrzehnte später doch noch zum Erfolg führte.












Donnerstag, 21. August 2025

Quálitas Controladora: Buffett-Check bestanden?

Quálitas Controladora ist der führende Kfz-Versicherer in Mexiko. Das Unternehmen verbindet eine starke Marktstellung mit konsequentem Kostenfokus und solider Kapitaldisziplin. Mit rund 33 % Marktanteil, 52 % Familienanteil, einem KGV von rund 11, einer Dividendenrendite um 6 % sowie einer Schaden-Kosten-Quote (Combined Ratio) um 90 % – einschließlich der Start-up-Märkte – erfüllt das Unternehmen unsere Investitionskriterien.

Rückblickend waren die Gewinne der letzten fünf Jahre insgesamt ohne nennenswertes Wachstum – vor allem aufgrund anhaltenden Preisdrucks im Heimatmarkt. Gleichwohl blieb die Profitabilität bemerkenswert: Im Mittel lag die Eigenkapitalrendite bei etwa 23 %, der Buchwert stieg um 7,5 % p. a. Rechnen wir konservativ ohne Dividendenerhöhungen, ergibt sich aus Dividende (~6 %) und Buchwertwachstum eine erwartbare jährliche Rendite von rund 12,5 %. Das ist eine solide Ausgangsbasis, auch wenn das Gewinnniveau zuletzt stagniert hat.

Entscheidend ist der Blick nach vorn. Nach der Covid-Delle sehen wir mehrere Argumente für wieder zunehmendes Ergebniswachstum: Q1/2025 startete mit +12 % Prämienwachstum, +17,8 % verdienten Prämien und einer Schaden-Kosten-Quote von 88,2 % – deutlich unter dem langfristigen Zielkorridor. Die Schadenquote lag konzernweit bei 59,7 %, in Mexiko bei 58,2 %; der Bestand erreichte mit rund 5,9 Mio. versicherten Einheiten einen neuen Höchststand. Das Management erwartet für 2025 Prämienwachstum im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich und eine Schadenquote innerhalb von 62–65 %.

Das Geschäftsmodell verfügt über deutliche Burggräben (Moats):

  • Marktführerschaft und Marke in einem skalengetriebenen Geschäft,

  • das größte Agentennetzwerk des Landes,

  • vertikale Integration (eigene Reparaturkapazitäten sowie Glas-/Teile-/Telematik-Wertschöpfung), die Kosten senkt und Kundenzufriedenheit erhöht,

  • hohe Verhandlungsmacht gegenüber Zulieferern.

Die Wachstumschancen bleiben intakt. Nur etwa ein Drittel aller Autos in Mexiko ist versichert – trotz gesetzlicher Pflicht. Langfristig kann der Markt deutlich wachsen, wenn Versicherungsdurchdringung und Kreditpenetration zunehmen. Darüber hinaus expandiert Quálitas nach Kolumbien und stärkt durch Zukäufe in der Teile- und Reparaturkette seine Position.

Risiken sind klar benennbar: Das Geschäft ist an den mexikanischen Autozyklus gekoppelt; sinkende Neuwagenverkäufe oder steigende Schadenhäufigkeit wirken direkt auf die Ergebnisse. Anders als manche internationale Wettbewerber nutzt Quálitas weniger Rückversicherung und trägt damit mehr Risiko selbst. Zudem bleibt das makroökonomische Umfeld verhalten (BIP-Wachstum meist 1,5–3 %), und die Durchsetzung der Versicherungspflicht ist schwach.

Kapitalanlage und Bilanz bleiben bewusst konservativ (überwiegend festverzinsliche Anlagen mit einer durchschnittlichen Laufzeit von knapp zwei Jahren) und liefern einen stabilen Ertragsbeitrag. Zum Vergleich: Die Eigenkapitalquote liegt bei Quálitas bei rund 22 %; bei großen europäischen Multiline-Versicherern (z. B. Allianz mit 6 %) ist sie viel niedriger.

Einordnung: Der Versicherer erinnert in seiner Ausrichtung an GEICO im Portfolio von Warren Buffett. Wir halten derzeit knapp 3 % unseres Kapitals in der Position.

Mittwoch, 6. August 2025

Kein Nullwachstum: Wie wir Rente, Klima und Löhne sichern

Warum Nullwachstum attraktiv erscheint:

  • Überforderung & Vorzug einfacher Lösungen: Nach Krisen, Preisschocks und Dauerpessimismus klingt „weniger“ wie Erleichterung.
  • Klimasorge: Manche setzen „Wachstum“ mit mehr Ressourcenverbrauch gleich.
  • Kritik am BIP: Das Bruttoinlandsprodukt misst wenig von dem, was uns wirklich wichtig ist (Gesundheit, Zeitwohlstand, Naturqualität).

Diese Punkte sind verständlich. Aber aus ihnen folgt nicht, dass Null die Lösung ist.

Warum? 

Weil Deutschlands Wohlstand, Sozialstaat und ökologische Transformation ohne Wachstum nicht finanzierbar sind. Die ausführliche Antwort steht unten – und sie handelt nicht von „mehr vom Gleichen“, sondern von der Qualität des Wachstums.

1) Der Sozialstaat braucht Wachstum zur Finanzierung

Renten, Pflege, Gesundheit und Bildung sind laufende Zusagen. Mit einer alternden Gesellschaft steigt die Zahl der Leistungsbezieher schneller als die der Beitragszahler. Rente, Kranken- und sonstige Transfers binden in Deutschland rund 60 % aller Staatsausgaben (inkl. Sozialversicherungen), der Anteil steigt jedes Jahr um fast 0,5 %. Ohne Produktivitäts- und Einkommenswachstum bleiben nur drei Wege: Leistungen kürzen, Beiträge/Steuern erhöhen oder mehr Schulden.

2) Sicherheit, Infrastruktur, Verteidigung kosten real Ressourcen

Energie- und Netzwende, Schiene, digitale Infrastruktur, Resilienz von Lieferketten, Verteidigungsfähigkeit – all das sind Investitionen in Zukunftsfähigkeit. Sie müssen geplant, gebaut, gewartet werden. Bei Nullwachstum konkurrieren diese Projekte eins zu eins mit der Grundversorgung. Ergebnis: Stau, Verspätungen, Verschleiß (S-Bahnhöfe, die immer dreckiger und ungepflegter wirken; Rolltreppen und Fahrstühle, die nicht funktionieren …).

3) Die ökologische Transformation braucht Investitionen

Klimaschutz erfordert Mehrkosten. Eine Windanlage erreicht ihren energetischen Payback erst nach einiger Zeit; zusätzlich braucht es Investitionen in Speicher, Netze und Flexibilität/Regelenergie, um das System stabil zu halten.

4) Wohlstand ohne Produktivitätsfortschritt erodiert

Reallöhne steigen dauerhaft nur, wenn Beschäftigte mehr Wert pro Stunde schaffen können – durch bessere Prozesse, Software, Maschinen, Qualifikation. Nullwachstum heißt faktisch: keine realen Lohnerhöhungen mehr, weniger Spielräume für Konsum und bessere öffentliche Leistungen.

5) Geopolitische Handlungsfähigkeit hängt an wirtschaftlicher Stärke

Ohne wirksame Verteidigungsfähigkeit sind wir ein Spielball der Großmächte USA und China. Europa ist kein Ersatz; unterschiedliche Interessen und Vetorechte einzelner Staaten verhindern ein gemeinsames Auftreten (z. B. im Zollstreit oder bei der kostengünstigeren Beschaffung von Verteidigungswaffen). Nullwachstum bedeutet auch weniger Anziehungskraft für Talente und Kapital.

Missverständnis klären: Wachstum ≠ höherer Ressourcenverbrauch

Das 20.-Jahrhundert-Modell „mehr Tonnen, mehr Energie“ ist vorbei. Wachstum heute kommt aus Ideen, Software, neuen Verfahren, besseren Allokationen. Drei Hebel helfen dabei:

  • Effizienz: Gleiche Leistung mit weniger Input (Wirkungsgrade, Materialkreisläufe, KI-gestützte Planung).
  • Substitution: Saubere statt fossile Inputs (Erneuerbare + Speicher, grüne Prozesse).
  • Organisation & Regeln: Markt- und Rahmensetzung, die externe Kosten einpreist (CO₂-Preis, Standards) – so lenkt man Kapital in saubere Lösungen.

Das Ziel ist also nicht „mehr Beton“, sondern mehr Produktivität pro Ressourceneinheit.

Was wir statt „Null“ brauchen: Qualitätswachstum

Nennen wir es qualitatives Wachstum: mehr Wertschöpfung mit weniger Emissionen, Zeit- und Flächenverbrauch. Dafür braucht es politische Vorgaben.

A) Investieren, wo der Multiplikator hoch ist

  • Energie & Netze: Planungsbeschleunigung, Priorisierung von Engpässen (Übertragungs- und Verteilnetze, Speicher).
  • Schiene & Logistik: Mehr Kapazität pro Trasse durch Signaltechnik; Güterkorridore.
  • Digitalisierung des Staates: End-to-End-Prozesse statt PDF; Identität, Zahlungen, Register verknüpfen.
  • Forschung & Transfer: Fokusfelder mit Spillovers (Power-/Prozess-Tech, Industrie-Software, Biotech, Materialwissenschaften).

B) Produktivität im Mittelstand heben

  • Steuerliche Sofortabschreibung für Software/Automatisierung.
  • Standardisierte Förderpfade (eine Tür, klare Fristen) statt kleinteiliger Programme.
  • Weiterbildung on the job: Micro-/Kleinkredite, die nach bestandenen Modulen erlassen werden.

C) Arbeit mobilisieren

  • Qualifizierte Zuwanderung, schnellere Anerkennung, englischsprachige Behördenpfade.
  • Kinderbetreuung & Ganztag: reale Wahlfreiheit, höhere Erwerbsquoten.
  • Besseres Matching: regionale und digitale Mobilität (Pendler- bzw. Remote-Infrastruktur).

D) Kapital an den richtigen Platz

  • Planungs- und Genehmigungszeiten halbieren (harte Fristen, „Keine Antwort gilt als genehmigt“ bei Standardfällen).
  • Kapitalmarkt stärken: mehr Eigenkapitalfreundlichkeit (Mitarbeiterbeteiligung, Börsenfähigkeit), Pensionen auf privates Sparen umstellen und in Produktivvermögen (Aktien) lenken.
  • Regeln vereinfachen, aber verlässlich: Weniger Ausnahmen, mehr Stabilität – Investoren vertragen klare Leitplanken besser als komplexe, schwankende Vorgaben.

Fazit

„Null Wachstum“ klingt gut, löst aber kein strukturelles Problem – sondern bedeutet: weniger Finanzkraft, weniger ökologische Investitionen, weniger Chancenmobilität. Die echte Alternative lautet: sinnvolles Wachstum als politischer und unternehmerischer Auftrag.  

Samstag, 12. April 2025

Sind wir noch zu retten?

In Deutschland arbeiten Beschäftigte im Schnitt nur noch an rund 170 Tagen im Jahr – das entspricht etwa jedem zweiten Kalendertag. Gleichzeitig steigt der Krankenstand: Im Durchschnitt fällt jeder Arbeitnehmerin mittlerweile an fast jedem zehnten Arbeitstag krankheitsbedingt aus. Für Arbeitgeber ist das kostspielig, denn sie tragen die Lohnfortzahlung.

Zugleich hat der Staat in den letzten Jahren viele seiner Aufgaben an Unternehmen delegiert – und diese zusätzlich mit immer mehr Bürokratie belastet. Ein Beispiel: Die Bauvorschriften, insbesondere im Zuge der Energiewende, wurden stark verschärft. Das hat die Kosten für Neubauten innerhalb von fünf Jahren um mehr als 30 % steigen lassen, schätzen Branchenverbände.


Wenn Regulierung zur Besitzstandswahrung wird

Einige Branchen haben sich mit der Regulierung arrangiert – und nutzen ihren Einfluss, um bestehende Strukturen zu schützen:

  • Notare: Jede Änderung im Handelsregister muss notariell beurkundet werden. Eine Kapitalerhöhung von 1 Mio. Euro bei einem Start-up verursacht dadurch etwa 5.000 Euro Kosten – allein für die Eintragung.

  • Landwirte: Die staatlichen Zuschüsse machen ein Drittel der Einnahmen aus - dazu kommen Steuervergünstigungen etwa beim Agrardiesel sowie Förderungen für Solar-, Wind- und Biogasanlagen.

  • Pflichtabgaben: Unternehmen zahlen Jahr für Jahr kleinere, aber summierende Beträge – z. B. GEZ (80 €), IHK-Beiträge (ab 300 €), LEI-Registrierung (80 €), Schornsteinfegerpauschalen (100 €) und mehr.


Verwaltung – digital nur auf dem Papier

Zwar wurde mit dem Onlinezugangsgesetz ein erster Schritt Richtung digitale Verwaltung gemacht – die Umsetzung bleibt aber oft kurios: Formulare lassen sich online einreichen, werden dann aber ausgedruckt und per Hauspost weitergeleitet.

Ein paar Beispiele:

  • Das Passamt Gauting beschäftigt drei Mitarbeitende, kann aber keine Anträge aus anderen Bezirken entgegennehmen. 

  • Ärzt*innen füllen Totenscheine auf Durchschlagpapier aus – die Daten werden bis zu siebenmal manuell an unterschiedliche Stellen übermittelt. Statistiken, die daraus entstehen, sind entsprechend fehleranfällig.

  • Bürger*innen verbringen jedes Jahr viele Stunden mit Behördengängen – ein realer Produktivitätsverlust für die Gesamtwirtschaft.


Gut gemeint, aber schlecht gemacht

Viele Vorschriften verfolgen sinnvolle Ziele – wirken in der Praxis aber oft als Innovationsbremse oder schützen Marktführer:

  • Datenschutz ist wichtig, stellt aber vor allem kleine Start-ups vor große Hürden, während Konzerne wie Google und Meta die Anforderungen auf Millionen Nutzer verteilen.

  • Das Verbot der Sonntagsarbeit hatte einst sozialen Schutz im Blick – heute erschwert es flexible Modelle, während Onlinehändler mit 24/7-Verfügbarkeit den stationären Handel verdrängen.

  • Geflüchtete dürfen während ihres Asylverfahrens oft jahrelang nicht arbeiten – viele verlieren in dieser Zeit Perspektive und Struktur. Eine pragmatischere, arbeitsmarktnahe Regelung würde helfen.


Pflege und Fachkräftemangel – ein deutsches Dilemma

Wer eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause organisieren möchte, benötigt laut aktueller Arbeitsschutzregelungen vier Vollzeitkräfte. Inklusive Vermittlungsgebühren entstehen dabei Kosten von über 30.000 Euro pro Monat. Statt hier durch gezielte Fachkräftezuwanderung und Lockerungen der Arbeitszeitregeln z.B. für Bereitschaftszeit zu entlasten, steigen die Pflegekosten unaufhaltsam und der Bürger wird zum Steuersünder.


Digitalisierung? Bitte nicht mit deutscher Gründlichkeit

Digitalisierungsprojekte scheitern oft – nicht an Technik, sondern an Zuständigkeiten:

  • Datenschutz bremst Fortschritt wie z.B. elektronische Krankenakte, obwohl viele Bürger längst digital unterwegs sind.

  • Föderalismus sorgt dafür, dass selbst bewährte Lösungen nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen auf andere Regionen übertragen werden können.

  • Behörden halten oft an analogen Prozessen fest – selbst bei Softwareeinführungen wird die Technik an alte Abläufe angepasst, nicht umgekehrt. Ausdrucke und manuelle Unterschriften nach jedem Schritt bleiben Standard – auf Kosten von Zeit und Geld.


Gleiches Spiel auf der Baustelle

Öffentliche Bauprojekte dauern regelmäßig doppelt so lange wie geplant und kosten das Mehrfache privater Bauten  – und wenn ein Kindergarten nach fünf Jahren endlich eröffnet wird, droht oft schon bald wieder die Schließung wegen baulicher Mängel.


Wie sieht die Lösung aus?

Ein Blick in die Industrie zeigt, wie Effizienz funktioniert: Unser Automobilzulieferer Carbody ist vertraglich verpflichtet, die Teilepreise jährlich um 2–3 % zu senken, obwohl Löhne und Materialkosten regelmäßig steigen. Nur um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen jährlich rund 10 % der Kosten eingespart oder die Ausbringungsmenge erhöht werden – meist durch Automatisierung und Prozessoptimierung.

Warum nicht auch im öffentlichen Dienst? Eine verpflichtende jährliche Effizienzsteigerung, sei es durch Kostenreduktion, Prozessverkürzung oder Output-Erhöhung, könnte genau die Digitalisierung anstoßen, die wir so dringend brauchen.

Mehr Anreize für Wohnungsbau schaffen

Ein effektiver Weg, den Wohnungsbau anzukurbeln, wäre eine zielgerichtete Reform der Grund- und Grunderwerbsteuer:

  • Die derzeit niedrige Grundsteuer könnte erhöht werden, um das Horten unbebauter Grundstücke weniger attraktiv zu machen.

  • Im Gegenzug könnte die Grunderwerbsteuer beim Bau oder Erstkauf von Wohnraum gesenkt werden – insbesondere für Selbstnutzer oder Investoren, die tatsächlich bauen.

So würden Brachflächen oder ungenutzte Grundstücke stärker in die Verantwortung genommen und gleichzeitig Anreize für Bebauung und Nutzung geschaffen.

Digitalisierung der Unternehmensverwaltung vereinfachen

Auch im Bereich Unternehmensgründung und -verwaltung ist Effizienzsteigerung möglich:
Eintragungen ins Handelsregister oder Gesellschafteränderungen könnten längst vollständig digital abgewickelt werden – sicher und rechtsverbindlich, z. B. durch Video-Ident oder Online-ID-Check, wie er bereits bei Kontoeröffnungen eingesetzt wird.

Wenn man heute innerhalb weniger Minuten online ein Bankkonto eröffnen kann, sollten einfache Verwaltungsvorgänge wie Handelsregisteränderungen nicht mehr tagelang dauern oder zwingend einen Notartermin erfordern.


Fazit: Nicht kaputtsparen, aber kaputtregulieren auch nicht

Deutschland steht vor der Herausforderung, Verwaltung, Bürokratie und Prozesse auf ein neues Effizienzniveau zu heben – ohne sozialen Schutz über Bord zu werfen. Doch dafür braucht es Mut, Offenheit und die Bereitschaft, liebgewonnene Strukturen zu hinterfragen.

Denn wer heute nicht reformiert, riskiert morgen Stillstand – und den können wir uns schlicht nicht mehr leisten.

Freitag, 11. April 2025

US-Schuldenkrise – Bessere Lösungen statt willkürlicher Zölle und Handelsstreitigkeiten

Statt auf protektionistische Maßnahmen wie Zölle oder Handelskonflikte zu setzen, sollte die US-Regierung über strategisch durchdachte und langfristig wirkende Alternativen nachdenken, um strukturelle Ungleichgewichte zu korrigieren. Bereits in den 1990er Jahren schlug Warren Buffett einen innovativen Mechanismus vor: Ein Zertifikatesystem, bei dem Importeure von Waren Lizenzen von Exporteuren ersteigern müssen – ähnlich einem Emissionshandelssystem. Der Marktmechanismus dieses Systems sorgt dafür, dass Importe und Exporte über den Preis ins Gleichgewicht gebracht werden. Im Ergebnis wirkt dieser Ansatz wie ein flexibler, marktwirtschaftlich organisierter Zoll, ohne direkte Handelspartner zu benachteiligen. 

Die “Dutch Disease” der USA – Der Export von Dollar statt von Gütern

Die Vereinigten Staaten leiden heute unter einer Form der „Dutch Disease“: Während rohstoffreiche Länder natürliche Ressourcen exportieren und ihre Währungen dadurch aufwerten, exportiert die USA ihre eigene Währung – den US-Dollar. Dies ist historisch gewollt. Seit dem Petrodollar-Abkommen in den 1970er Jahren wird Öl weltweit in Dollar gehandelt, oft als Gegenleistung für militärische oder sicherheitspolitische Garantien. Dieses Arrangement sichert eine konstante Nachfrage nach dem Dollar, führt jedoch auch zu strukturellen Handelsdefiziten und einer tendenziellen Überbewertung der Währung – zum Nachteil amerikanischer Exporteure.

Sterilisierte Kapitalflüsse: Ein strategischer Wealth Fund für Amerika

Eine mögliche Lösung wäre ein öffentlicher Vermögensfonds („Public Wealth Fund“), wie ihn der US Schatzmeister Graham Bessent vorschlug. Dabei würden die Kapitalzuflüsse in den Dollar – etwa durch ausländische Investitionen – sterilisiert, indem die US-Regierung gezielt Auslandsinvestitionen tätigt, anstatt das Geld in der Binnenwirtschaft zirkulieren zu lassen. Dieses Modell ähnelt dem Vorgehen Chinas mit seiner Belt-and-Road-Initiative oder der Schweiz, wo Zentralbanken und Staatsfonds seit Jahren erfolgreich den Wechselkurs managen, um eine übermäßige Aufwertung der eigenen Währung zu verhindern und die Exportindustrie zu schützen.

Die USA könnten damit ähnlich wie andere Länder bewusst externe Nachfrageüberschüsse neutralisieren, ohne die Geldpolitik zu lockern oder die Inflation zu steigern – durch eine Art „Schattenpolitik“ der Kapitalbilanz. Die langfristige Folge wäre ein stabilerer, schwächerer Dollar, eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie und eine strategische Diversifikation nationalen Reichtums durch internationale Anlagen.

Weitere Optionen: Kapitalmarkt-Kontrollen und Ertragssteuern auf USD-Schulden

Alternativ oder ergänzend könnten Kapitalertragssteuern auf USD-Schulden, beispielsweise in Höhe von 30 %, eingeführt werden. Dies würde den Anreiz für kurzfristige, spekulative Kapitalzuflüsse in den US-Markt dämpfen und die externe Nachfrage nach US-Dollar reduzieren. Auch eine moderat regulierte Kapitalmarktpolitik – wie sie China praktiziert – könnte ein Instrument sein, um einseitige Aufwertungsdynamiken zu bremsen und dem Exportsektor eine strategische Entlastung zu verschaffen.

Dienstag, 8. April 2025

Exportweltmeister - und kein Wachstum mehr?

Seit Jahrzehnten lebt Deutschland gut vom Ausland – vor allem von den USA. Doch das Modell kommt an seine Grenzen. Warum das nicht mehr geht und was wir dringend ändern müssen.

Der stille Deal mit Amerika

Deutschland gilt als Exportweltmeister. Unsere Industrie florierte über Jahrzehnte, weil andere Länder – allen voran die USA – unsere Produkte kauften. Doch was viele übersehen: Diese Nachfrage war nicht nachhaltig finanziert. Bis zur Großen Finanzkrise 2008 waren es vor allem amerikanische Privathaushalte, die sich verschuldeten, um deutsche Autos, Maschinen oder Chemieprodukte zu kaufen.

Nach der Krise sprang der amerikanische Staat ein – mit immer höheren Defiziten. Heute liegt die US-Staatsverschuldung bei etwa 130 % der Wirtschaftsleistung. In Deutschland sind es mit knapp 70 % nur halb so viel. Allein 2024 betrug das amerikanische Haushaltsdefizit rund 7 % des BIP – und entspricht damit fast exakt dem US-Importüberschuss.

Konsum auf Pump – und wir profitieren?

Die USA leisten sich diesen Konsum auf Kredit. Die Zinslast wird mittlerweile zum Problem: Rund 15–17 % der US-Staatsausgaben fließen inzwischen in Zinszahlungen. Um etwas Zinsen zu sparen, setzt das US-Finanzministerium zunehmend auf kurzlaufende Anleihen (2 Jahre) – Die durchschnittlichen Laufzeit alle US-Schulden beträgt nur noch etwa 5 Jahren. Die baldige Refinanzierung droht.

Gleichzeitig bröckelt die industrielle Basis in den USA. Kein Wunder, dass Trump mit Zöllen gegensteuern wollte – ein eher grobes Werkzeug, aber Ausdruck echter wirtschaftlicher Schieflagen.

Deutschland: Sparen als Selbstzweck?

Und was passiert bei uns? Sparen gilt weiterhin als Tugend – selbst wenn niemand weiß, was mit dem Geld geschehen soll. Der Staat spart, obwohl Brücken, Schulen und die Bahn dringend saniert werden müssten. Unternehmen investieren wenig, und auch Privathaushalte halten sich zurück.

Ein Beispiel: Deutschland baut jedes Jahr rund 130.000 bis 200.000 Wohnungen zu wenig, obwohl der Bedarf bei etwa 400.000 liegt. Statt Anreize zu schaffen, werden Regularien verschärft – Stichwort Mietpreisbremse oder Energiewende.

Ein Irrtum: Die Wirtschaft kann nicht „im Saldo“ sparen

Was dabei oft übersehen wird: Eine Volkswirtschaft kann in Summe nicht sparen, wenn niemand Schulden aufnimmt. Sparen bedeutet Konsumverzicht – und damit sinkende Nachfrage. Nur wenn ein Sektor – Staat, Unternehmen oder Haushalte – Schulden macht, kann ein anderer sparen.

In Deutschland liegt die Sparquote bei rund 10 % des BIP. Wenn dieses Geld nicht im Inland investiert wird, müssen wir es ins Ausland exportieren – samt der Nachfrage. Die Folge: Andere Länder verschulden sich, während wir ihre Industrie verdrängen.

Die dunkle Seite der Exportüberschüsse

Das alles hat eine Kehrseite. Die USA finanzieren unsere Exporte mit Schulden – und haben dafür zunehmend weniger Spielraum. Auch Deutschland spürt die Folgen: Das Wirtschaftswachstum pro Kopf liegt seit fünf Jahren bei mageren 0,2 % pro Jahr.

Selbst China – mit einer Sparquote von über 40 % – tritt wirtschaftlich auf der Stelle. Auch dort funktioniert das Modell "Exportüberschuss gegen Auslandsschulden" nicht mehr wie früher.

Was wäre die Alternative?

Statt weiterhin Produkte gegen zunehmend wertlose Schuldscheine zu tauschen, sollten wir uns stärker auf das Binnenwachstum konzentrieren:

  • Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Wohnungsbau
  • Maßnahmen zur Stärkung des Konsums
  • Produktivitätssteigerung, vor allem im öffentlichen Sektor

Denn: Die Reallöhne stagnieren – nicht, weil Arbeitgeber nicht zahlen wollen, sondern weil die Produktivität nicht wächst. Der Staat macht rund 50 % der Wirtschaftsleistung aus, hat aber in den letzten 20 Jahren keinen Effizienzgewinn erzielt. Die Privatwirtschaft allein kann das nicht ausgleichen.

Und die Politik?

Die Vorschläge der Parteien wirken oft planlos: Die SPD setzt auf Mietpreisbremsen, die CSU verteilt Rentenzuschläge und Boni. Dabei verschärft sich die demografische Lage spürbar: Heute gibt es nur noch halb so viele 19-Jährige wie zur Zeit der Babyboomer. Gleichzeitig steigen die Rentenausgaben – sie machen ein Drittel des Haushalts aus, jährlich um fast 1 % steigend.

Fazit: Deutschland braucht eine neue Balance

Wir können nicht ewig darauf hoffen, dass andere Länder unsere Nachfrage übernehmen – und sich dafür verschulden. Die Weltwirtschaft braucht neue, ausgewogene Modelle, und Deutschland muss Verantwortung für das eigene Wachstum übernehmen.

Es ist Zeit für eine Politik, die versteht, dass man Wohlstand nicht sparen kann, sondern gestalten muss – durch kluge Investitionen, moderne Infrastruktur und eine aktivierende Wirtschaftspolitik.

Freitag, 14. März 2025

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Montag, 16. Dezember 2024

Was ist das wichtigste beim Investieren?

Seitdem ich die Investorenkonferenz ValueX in Klosters besuche, habe ich viele hoffnungsvolle Investoren kennengelernt. Erst liebäugeln sie mit der Idee eine Investmentfirma zu gründen, nach ein paar Jahren schlechter Performance schließen sie die Gesellschaft wieder. Was muss ich tun, um erfolglos zu bleiben?

Immer bin ich auf der Suche nach Gewinnern und jage nach der nächste Microsoft oder Nvidia. Bei der Analyse konzentriere ich mich darauf, was gut laufen kann. Risiken betrachte ich erst später und in der Investmentpräsentation erwähne ich sie höchstens auf der letzten Seite im Kleingedruckten. Als Beispiel ein M&A Manager, der mir seine todsichere Idee vorstellte. Die slowenische IT Gesellschaft machte EUR 5 Mio. operatives Ergebnis und war für EUR 25 Mio. zu haben - das Geld war in der Firmenkasse! Mein Besuch in Ljubljana nur eine Formalie ...

Die Firma erwirtschaftete ihren Umsatz in den ehemaligen russischen Republiken. Der Geschäftsführer trieb die Forderungen ein, in dem er tagelang mit dem Kunden Wodka trank. Wir hatten ihn für überflüssig gehalten. Die Kasse war so hoch, weil zum Jahresende keine Rechnungen mehr bezahlt und die Kreditlinien maximal ausgeschöpft waren. Das Management und die Belegschaft waren froh, ihre Anteile an uns zu verkaufen!

Der Investitionsprozess gleicht dem Kauf eines Gebrauchtwagens. Wenn etwas billig ist und gut sein soll, frage ich mich wo der Haken ist.  Zum Beispiel bei der indischen Bank IIfl Finance. Trotz 15 % jährlichen Wachstums und bestem Marktausblick kostet die Bank nur das 11-fache des Nettoergebnisses und das 1,5-fache des Buchwertes (= Eigenkapitals). Wettbewerber wie Kotak, HDFC oder Bajaj Finance notieren mit dem 2,5 - 5-fachen des Buchwertes. 

Auf Anhieb fallen mir folgende Risiken ein: Kann die Bank mit den Großen der Branche konkurrieren? Hat die Bank genügend Eigenkapital? Stellt die zunehmende Digitalisierung im Finanzbereich eine Gefahr dar? Wie finanziert sie sich, wenn IIFL als Non-Bank keine Kundeneinlagen zur Finanzierung nutzen darf? Wie übersteht die Bank die vielen Krisen in Indien (MWST Einführung, Abschaffung Papiergeldes, Covid, ??)? Braucht sie nicht weiteres Kapital zum Wachstum?

Mit 4.300 kleinen Filialen profitiert die Gesellschaft vom Wachstum in den B und C Lagen. Da viele Filialen noch nicht lange offen sind, rechnen wir mit Skaleneffekten. Die Eigenkapitalrate beträgt 25 % und ist damit viermal so hoch wie bei der Deutschen Bank. Die Eigenkapitalrendite beträgt 15 % und ermöglicht ohne zusätzliches Kapital ein Wachstum in gleicher Größenordnung.  Dem Management gehören 25 %; entsprechend vorsichtig wird das Geschäft ausgebaut. Die Nettozinsmarge beträgt 8 % und die Bank kann sich die Kreditnehmer noch aussuchen. Der private Kredit beträgt nur 30 % der indischen Wirtschaftsleistung, in anderen Entwicklungsländern macht er das Doppelte aus. Trotz aller Krisen betrug die Abschreibungsrate bei Krediten nie mehr als 1,8 % - der Durchschnitt der letzten 5 Jahre liebt bei 1,1 %. Bereits die Hälfte der Kredite wird ausschließlich digital vergeben. 

Kein Risiko?

Im März 24 untersagte die Bankenaufsicht RBI der IIFL weitere Kredite mit Gold als Sicherheit zu vergeben, immerhin ein Drittel des Geschäftes. Der Aktienkurs fiel um ein Drittel, der Gewinn war durch einen Wegfall von Skaleneffekten sicherlich noch höher belastet. Wir dachten sofort, dass die Bank nicht die nötigen Bestechungsgelder gezahlt hatte.

Viele Banken erlitten aber dank der Auflagen der Bankenaufsicht ähnliche Einbußen im Geschäft. Als 1,5 % Gesellschafter nahmen wir wie das Management an einer Kapitalerhöhung zur Stärkung des Geschäfts teil. Mittlerweile sind die Auflagen der Bankenaufsicht erfüllt und die Einschränkungen im Geschäft wurden aufgehoben. Das Beispiel zeigt, dass immer etwas schiefgehen kann. Um Krisen zu überstehen und langfristig zu überleben, ist ein ausreichender Risikopuffer nötig.

In der Wissenschaft versuche ich eine These zu widerlegen und so indirekt den Beweis der Gültigkeit (bis auf Weiteres) zu erbringen. Löcher in eine These zu schießen, ist einfacher, als den positiven Nachweis zu erbringen. Beim Investieren ist es leichter, offensichtliche Rohrkrepierer zu vermeiden. Als Nebeneffekt erhöhe ich die Chance auf Gewinner im Portfolio. Bei uns steht immer das langfristige Überleben im Vordergrund. 

Neue Investments und riskantere Werte gehen wir zunächst nur mit kleinen Summen ein und erhöhen erst nach und nach den Einsatz. Wir nehmen bei diesem "Averaging-In" in Kauf, dass die Aktie in der Zwischenzeit teurer wird. Dabei hat sich unser Investitionsrisiko dank der längeren Prüfphase verringert. Kleine Fehler bieten uns die Chance, kontinuierlich unseren Investitionsprozess zu verbessern. Uns reichen 15 % Wachstum im Jahr und wir vermeiden teuer erkaufte 30 %. Bis auf eine kleine Alphabetposition haben wir keine Wachstumswerte im Portfolio. Trotzdem schlossen wir in den letzten 19 Jahren besser ab als der S&P.



Mittwoch, 4. Dezember 2024

In 10 Jahren geht die Welt unter...

Beim Abspülen kam das Thema Klimaerwärmung zur Sprache. Die jungen Leute waren sich einig, dass die Temperatur in den nächsten 10-20 Jahren um mehrere Grade steigen wird und dann Schluss sei mit der Menschheit. Der Pessimismus meine Mithelfer überraschte mich. Allerdings habe ich in meinem Leben schon mehrere Weltuntergangsszenarien erlebt. Waldsterben, durch Nato-Doppelbeschluss provozierter Atomkrieg, der Strahlungstod dank nuklearer Endlager oder ein IT-Kollaps nach der Jahr 2000 Wende - mehrmals gab es Endzeitszenarien, die rasch vergessen waren. 

Warum sollte es diesmal anders sein?

Bei aller Diskussion um Erderwärmung wird vergessen, dass wir Energie zum Leben brauchen. Ohne fossile Brennstoffe könnte die Erde nur ein paar Millionen Menschen ernähren und bei jedem Wetterwechsel würde die Hungerkatastrophe drohen. Die Produktion und der Transport eines Kilo Weizenmehl kostet so viel Energie wie das 3-5 fache Nutzen der Waschmaschine (bei 60 Grad). Der Energieaufwand für die Verpackung ist nicht mitgerechnet, ein Kilo Tomaten verbraucht ein Vielfaches davon. 

Carbon Null in 2050?

Ein Viertel des Stromes wird aus erneuerbaren Energien gewonnen. Allerdings deckt der Strom nur 20 % des Energieverbrauches ab. Rechnet man die 10 % der durch das Verbrennen von Holz (meistens in den ärmeren Ländern) gewonnen Energie hinzu, wird ca. 1/5 des Energieverbrauches durch erneuerbare Energien gedeckt. Da der Energieverbrauch in den nächsten 10 Jahren um ca. 1,5 % im Jahr steigen wird, erhöht sich der Verbrauch an fossilen Brennstoffen weiter, trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien. 

Wie stark erwärmt sich die Erde wirklich?

Seit Beginn der Industrialisierung vor 175 Jahren stiegen die Temperaturen weltweit um ca. 1 %. In den nächsten 75 Jahren soll der Anstieg weitere 1-2 % betragen.

Wie katastrophal ist dies für die Menschheit?

Die meiste Energie wird für die Heizung und nicht die Kühlung aufgebracht. In Delhi oder Marokko überstehen die Menschen im Sommer 42 Grad - es gibt trotz fehlender Klimaanlagen nur wenige Hitzetote, solange die Luft nicht zu feucht ist. Mit zunehmendem Wirtschaftswachstum können sich mehr Menschen eine Klimaanlage leisten und die Zahl der Hitzetoten in diesen Ländern wird weiter fallen. 

Also?

Keine Panik verbreiten. Die erneuerbaren Energien ausbauen, solange es sich rechnet. Allerdings dafür kein Wachstum zu opfern, den dies ermöglicht uns, mit den Folgen der Erwärmung besser zu Recht zu kommen (besonders in den Entwicklungsländern).  Nur das Wirtschaftswachstum ermöglicht uns einen effizienteren Umgang mit der Energie, die Entwicklung alternativer Energieformen (Geothermie, sichere Kernkraftwerke). Als Absicherung gegen die plötzliche Beschleunigung des Temperaturanstieges durch unbekannte Rückkopplungsmechanismen (Permafrost, Golfstrom?) können alternative Lösungen (z.B. künstliche Wolken) geprüft werden. 

Der technische Fortschritt und der starke Rückgang der Weltbevölkerung ab ca. 2050 werden uns dabei helfen, das Problem der globalen Erwärmung längerfristig zu lösen.


Quellen (unter Nutzung von Perplexity):

https://yearbook.enerdata.net/total-energy/world-consumption-statistics.html

https://www.statista.com/statistics/270281/electricity-generation-worldwide/

https://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/34028.html

https://www.smwa.sachsen.de/blog/2022/08/12/was-kann-man-mit-einer-kilowattstunde-tun/


Fallstudie: Können wir jedem Schwaben vertrauen?

Wir wollten glauben, was wir sahen: ein bodenständiger Maschinenbauer, der sein Lebenswerk übergeben wollte. Doch wie so oft bei 1-€-Deals z...