Wie viel ist ein regelmäßiges Einkommen von 100 wert? Um das zu beurteilen,
benötigt man einen passenden Vergleich. Die durchschnittliche Rendite aller
Projekte, die die Menschheit je unternommen hat, liegt bei 7-8%. Dies
entspricht historisch auch der Rendite, die man langfristig mit dem Kauf von
Aktien oder Immobilien erzielen konnte. Also liegt der faire Wert bei
rund 13 mal 100 = 1.300. Damit beträgt meine "Dividendenrendite" 7,7%
(100/1300).
Zahlen würde ich dagegen immer 30-50% weniger, um so eine Sicherheit zu
haben, da es in der Wirklichkeit an der "Regelmäßigkeit" mangelt.
Also nicht mehr als 1.000, das 10- fache des Einkommens. Der Kapitaleinsatz des
Unternehmens (das Eigenkapital) beträgt nicht zufällig auch 1.300, da ja -wie gesagt
- alle Projekte im Durchschnitt nur ca. 7-8% Rendite erzielen, mithin auch die Investitionen in
Betriebskapital (Anlage- und Umlaufvermögen minus aller Schulden).
Wie viel ist Wachstum wert? Garnichts – so lange wie die
Eigenkapitalrendite im Durchschnitt auch nur bei 7-8% liegt. Häufig wird der
Fehler gemacht, stark wachsenden Unternehmen einen höheren Wert beizumessen,
ohne darauf zu achten, wie viel Kapital für das Wachstum benötigt wird. In
vielen Branchen werden höhere " Multiples" gezahlt, obwohl die
Rendite deutlich niedriger als 7% ist. Beispiele hierfür sind
Pharmaunternehmen, die bei immer geringeren Erfolgsaussichten immer mehr investieren müssen. Oder ÖL-Fracker, die in der Summe bisher
weniger erwirtschafteten als das eingesetzte Kapital, da nach 2 Jahren nur noch
die Hälfte des Öls aus den Bohrlöchern fließt. Nur wenn das Unternehmen mit
deutlich höherer Kapitalrendite wächst, ist es auch mehr als das 13- fache der
Erlöse wert.
Wie berechnet man möglichst einfach den fairen Wert? Die
Eigenkapitalrendite ist das Nettoergebnis dividiert durch das Eigenkapital. Damit
lässt sich ermitteln, wie viel investiert werden muss, um das Wachstum zu
sichern und was als Dividende für den Investor bleibt. Schätzen muss man dann
lediglich noch den Zeitraum für das "Überwachstum", denn langfristig
kann ein Unternehmen nie schneller wachsen als der Markt.
Als Beispiel möge hier FEDEX dienen, einem der weltweit größten
Paketversender. Der Gewinn je Aktie wuchs in den letzten 5 Jahren um 12% von
8,4 auf 14,9 USD*. Steigert das Unternehmen den Gewinn je Aktie in den nächsten
7 Jahren** um 10% p.a., um danach nur noch mit dem Markt mitzuwachsen, dann
wäre die Aktie in 7 Jahren bei einer Verdoppelung des Ergebnisses auf rund 30
USD das 13- fache davon wert - also 390 USD. Beim Wachstum muss man aber -wie gesagt - den erforderlichen
Kapitaleinsatz mit berücksichtigen. Ein Unternehmen kann immer nur in der Höhe
der Eigenkapitalrendite wachsen, ohne fremde Mittel in Anspruch zu nehmen, die
den Unternehmenswert mindern. Das Unternehmen hatte zuletzt eine Eigenkapitalrendite
von 21%. Nimmt man für die Zukunft 20% an, könnte FEDEX doppelt so schnell
wachsen wie angenommen (20% statt 10%). Die Hälfte des Gewinns kann also
genutzt werden, um eine Dividende auszuschütten. US- typisch beträgt die
Dividendenrendite allerdings nur 0,8% (ca. 10% vom Nettogewinn). Der Rest kann
dazu genutzt werden, vorhandene Schulden abzubauen (derzeit netto 15 Mrd. USD)
oder, wie bisher praktiziert, eigene Aktien zurückzukaufen. Geht man vom
Rückkauf eigener Aktien in Höhe von 40% vom Gewinn aus, dann erhöht sich der
Gewinn je Aktie zusätzlich um den reduzierten Aktienbestand des Unternehmens.
Beim Rückkauf spielt die Höhe des Aktienkurses die entscheidende Rolle: ist
er höher als der faire Preis wird Wert vernichtet, ist er niedriger wird
zusätzlicher Wert generiert. Geht man davon aus, dass der Aktienpreis im Mittel
das 15- fache des Gewinns je Aktie ist, dann würde sich die Aktienanzahl um 2,7%
p.a. von derzeit 267 auf 220 Mio. Stück verringern. Der Gewinn wäre in ca. 7
Jahren 36,4 USD je Aktie (30*267/220). Der faire Wert der Aktie betrüge dann 473
USD - das 13- fache, da das Wachstum danach abfällt. Diskontiert man dies mit
7% p.a. ab, dann ergibt sich als fairer Wert heute ein Preis von 290 USD je Aktie;
beim Aktienkurs von 242 USD ist
die Aktie damit ca. 17% unterbewertet.
Wie berücksichtigt man jetzt die Schulden? Genauso wie bei Immobilien kann
man die Eigenkapitalrendite steigern, indem man sich verschuldet, so lange die
Zinskosten geringer sind als die Rendite. Allerdings erhöht sich damit auch das
Risiko der Firma und die Sicherheitsmarge beim Kauf sollte höher sein. FEDEX
hat mit netto 15 Mrd. USD eine recht hohe Verschuldungsrate in Höhe von 80% des
Eigenkapitals; der Durchschnitt für die größten US- Unternehmen (S&P) liegt
derzeit bei 60%. Die Gesellschaft war vor 5 Jahren mit einem Nettokassensaldo
von 2 Mrd. USD schuldenfrei. Das Gewinnwachstum der letzten Jahre ist also mit
netto 17 Mrd. USD zusätzlicher Schulden erkauft worden. Die Eigenkapitalrendite lag im Durchschnitt
der letzten 5 Jahre bei 15% und hätte damit zur Finanzierung des
Gewinnwachstums je Aktie von 12% genügt. Allerdings sind in den letzten 5
Jahren für knapp 10 Mrd. USD und damit in erheblichem Umfang eigene
Aktien zurückgekauft worden. Ohne die Aktienrückkäufe läge das Gewinnwachstum
nur bei 8% je Aktie.
Es zeigt sich, dass die hohe Schuldenaufnahme für die Aktienrückkäufe neben
dem extra Schub an Wachstum von +4% auch die Kapitalrendite von 15% auf 21% steigerten durch die Reduzierung des
Eigenkapitals. Legt man jetzt die Eigenkapitalrendite von 15% zugrunde und schätzt
man das Wachstum in den nächsten 7 Jahren auf nur noch 8%, dann ergibt sich in
7 Jahren (genauer 7,2 Jahren**) ein Gewinn je Aktie von 26 USD. Nimmt man
wiederum an, dass 40% der (reduzierten) Gewinne in Aktienrückkäufe investiert
werden, verringert sich die Aktienanzahl von 267 auf 223 Mio. – der Gewinn je
Aktie erhöht sich damit auf 31 USD (26*267/223). Multipliziert man diesen
wieder mit 13 und diskontiert man ihn auf den heutigen Tag mit 7% p.a. ab, ergibt
sich ein Wert der Aktie von 248 – die Aktie ist damit heute fair bewertet.
Das Beispiel FEDEX zeigt, dass Wachstum Geld kostet. Immer häufiger finden
die Investitionen aber außerhalb der Bilanz statt, z.B. in Marketing- oder
Entwicklungsaufwendungen, die direkt in den Aufwand eingehen und damit den
Gewinn mindern. In der Wachstumsphase sind die Gewinne also zu niedrig und ein hohes
Multiple (KGV) lasst damit keine Aussage über die faire Bewertung der Firma zu. Man kann sich
damit behelfen, dass man den Aufwand schätzt, der in das Wachstum fließt. Und
den Gewinn je Aktie um diesen Aufwand nach Ablauf der geschätzten
Wachstumsphase korrigiert. Beträgt der Gewinn heute z.B. 10 EUR je Aktie bei 30
EUR Ausgaben für Marketing- und Entwicklungsaufwendungen und nimmt man an, dass
die Hälfte davon Zukunftsinvestitionen sind, dann springt der Gewinn je Aktie
nach Ablauf der Wachstumsphase (z.B. nach einer Gewinnverdoppelung in 7 Jahren)
von dann 20 EUR auf 50 EUR. Der faire Wert von 650 EUR je Aktie (50 mal 13)
beträgt dann mit 7% abgezinst auf den heutigen Tag 400 EUR, was einem KGV von
40 entspricht.
Ein faires EBIT Multiple liegt bei europaweiten Steuerquote von ca. 30% bei
9 (13/0,7) und das EBITDA Multiple bei 8, wenn man die durchschnittlichen
Abschreibungssätzen für Unternehmen von ca. 1,2% zugrunde legt. Dies gilt für
alle Unternehmen, die nur mit dem Markt mit wachsen. Wir selber würden deutlich
weniger zahlen, um eine entsprechende Sicherheitsmarge zu haben.
*Geschäftsjahresende ist Mai, also handelt es sich hier um eine aktuelle
Schätzung. Die letzten veröffentlichten Zahlen sind die Neunmonatszahlen für
Februar. Der Gewinn je Aktie ist nach Ausübung aller Aktienoptionen gerechnet.
**Wenn man wissen möchte, nach wie vielen Jahren sich der Gewinn bei einer
bestimmten Verzinsungsrate verdoppelt, teilt man 72 einfach durch diesen
Zinssatz. Hier z.B. 72/10=7,2 Jahre. Das nennt man "the rule of 72".