Die amerikanische und Europäische Zentralbank haben nach Jahren wieder die Zinsen erhöht, um
die Inflationsrate von rund 8 % zu bekämpfen. Die FED und die EZB drohen
mit weiteren Zinssteigerungen, um Preis- und Lohnsteigerungen abzuwehren. Lässt
sich so die Inflation bekämpfen? Droht eine Rezession oder die Stagflation,
d.h. Inflation ohne Wirtschaftswachstum?
Zu viel Schulden
Weltweit betragen
die Schulden heute 370 % der wirtschaftlichen Gesamtleistung ("BSP").
Staatsschulden machen rund ein Drittel des Betrages aus, während der Rest
private Schulden ist. Im Euroraum beträgt die Verschuldung das Dreifache der
Gesamtleistung, während die staatliche Verschuldung dem BSP entspricht. Das
Beispiel Italien zeigt, warum drastische Zinserhöhungen (derzeit 0-2 % je nach
Industriestaat) auf mehr als 8 % (die Höhe der Inflationsrate in den
Industrienationen) zur wirksamen Bekämpfung der Inflation ausgeschlossen
sind. In Italien betragen die Staatsschulden 150 % der Gesamtleistung und
der italienische Staat zahlt EUR 84 Mrd. Zinsen. Obwohl die Zinsrate
nur durchschnittlich bei 2 % liegt, werden 10 % der Staatseinnahmen (mehr als das
Dreifache der Militärausgaben) und 3,5 % der italienischen Gesamtleistung für
Zinsen ausgegeben. Auch wenn die meisten Industriestaaten weniger für Zinsen
zahlen, würde die notwendige Vervierfachung des Zinses viele Schuldner in die
Pleite treiben und die Weltwirtschaft fast zum Stillstand bringen.
Rohstoffe sind
knapp und es wurde zu wenig investiert
Das Angebot an Öl
und Rohstoffen ist beschränkt und kurzfristig lassen sich Fördervolumen nicht
steigern, um auf die gestiegene Nachfrage nach dem Wegfall der
Covidbeschränkungen zu reagieren. Also steigen die Preise. Der Krieg in der
Ukraine und der teilweise Boykott der russischen Lieferungen erschweren die
Lage. Die Erschließung neuer Vorkommen dauert lange (Kupfer zum Beispiel 10
Jahre und mehr) und jahrelang ist zu wenig investiert worden; neu erschlossene
Vorkommen gleichen nur den Wegfall alter aus. Die Investitionen der letzten 5
Jahre betrugen nur halb so viel wie davor. Da Wirtschaftswachstum trotz aller
Effizienzsteigerungen immer zu einem Mehrverbrauch an Energie und Rohstoffen
führt, lassen sich weitere Preissteigerungen durch Zinserhöhungen allein nicht
abwenden. Erst recht nicht, da die geplante Energiewende den Bedarf an
Rohstoffen aller Art drastisch steigen lässt.
Rezession
unvermeidlich
So bleibt zur
Dämpfung der Preissteigerung nur die Reduzierung der Nachfrage. Was nichts
anderes als eine Rezession ist. Hinter einem "Softlanding" steckt die
Erwartung, dass es reicht, einmal "Buh" zu sagen (durch Drohung
weiterer Zinssteigerungen), um ein Aufdrehen der Preisspirale noch
abzuwenden. Wie wahrscheinlich ist es, dass das funktioniert, ohne durch
weitere Zinssteigerungen die Nachfrage nachhaltig zu reduzieren?
Zu viel Schulden: ein Problem?
Die Summe aller
Schulden einer Volkswirtschaft ist, mit Ausnahme (meistens) geringfügiger
Auslandsschulden, immer Null, da Schulden immer jemanden gehören. Warum ist die
Höhe der Verschuldung trotzdem ein Problem?
1. Eingeschränkte
Handlungsfähigkeit der Zentralbanken
Immer wenn in der
Vergangenheit Inflation drohte, reagierten die Notenbanken mit (teilweise drastischen) Zinserhöhungen, um die Nachfrage zu reduzieren und die Erwartung
weiterer steigender Preise zu dämpfen. Die dann eintretende Rezession wurde mit
sinkenden Zinsen und steigenden Staatsausgaben bekämpft. Das Zinsniveau fiel im
Laufe der Jahre mehr und mehr; zum Beispiel, um den Rückgang der Nachfrage
während der großen Finanzkrise 2008 auszugleichen. Gleichzeitig stieg die Verschuldung,
da die Wirtschaft langsamer wuchs als die Neuverschuldung. Seit 2000 hat
sich das Gesamtniveau aller Schulden verdoppelt - es lag davor bei unter 200 %
der wirtschaftlichen Gesamtleistung. Der Wirtschaftsboom nach dem Zweiten
Weltkrieg erlaubten ein Herauswachsen aus den Kriegsschulden (Schulden werden
fast nie zurückgezahlt). Seit den 70'er Jahren sind die Wachstumsraten stark
gefallen, sodass sich die Schulden seitdem vermehrten.
2. Die Inhaber der
Schuldentitel konsumieren zu wenig
Das Hauptproblem
der vielen Schulden ist die Reduzierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Das Wachstum einer Volkswirtschaft ist nur mit einer Steigerung der Nachfrage
möglich. Die Inhaber der Schuldentitel konsumieren nicht, sondern verleihen
lieber ihr Geld. So wie wir: trotz unseres Vermögens geben wir kein Geld aus
(unsere Ausgabenquote liegt bei unter 1 %), sondern legen das Geld lieber an.
Die Schuldner (Privathaushalte, Staaten) verlieren mit steigender Verschuldung
die Bonität, statt den Konsum mit immer mehr Schulden zu finanzieren, müssen
sie jetzt den Konsum einschränken. Ein Rückgang der Nachfrage und eine
Rezession sind die Folge. Beispiele sind die große Finanzkrise, ausgelöst durch
Rückforderungen von Immobilienkrediten oder die Griechenlandkrise. Ohne einen
Garanten (wie FED oder EZB), der die Schulden verbürgt oder mehr Geld schafft
(Geld ist nichts anderes als Kredit), verlieren immer mehr Gläubiger die
Bonität und es kommt es zu einem schweren Nachfrageeinbruch (Depression).
Wege aus der
Schuldenkrise
Schuldenerlass wie
im alten Rom?
Im alten Rom soll
es alle sieben Jahre einen Erlass aller Schulden gegeben haben. Da jeder Erlass
immer ein Verteilungskampf bedeutet, ist er de facto politisch nicht
durchsetzbar. Dies zeigt das Beispiel Griechenlands, wo die Schulden nach
langem Streit nur gestundet wurden. Neue Schulden zur Bezahlung der Zinsen
haben die Staatsverschuldung der Griechen in der Zwischenzeit weiterwachsen lassen. Der
einzige, politisch durchsetzbare Weg aus der Schuldenkrise ist die Inflation.
Bei starkem Nominalwachstum der Wirtschaft sinkt - im Verhältnis - die
Schuldenlast. Die augenblickliche Inflation ist also gewollt von den
Notenbanken.
Inflation außer
Kontrolle?
Die Inflation darf nur nicht außer Kontrolle geraten. Zuerst leidet der Wechselkurs: Anleger gehen ins Ausland, um dem Wertverfall zu begegnen, wenn die Zinsen niedriger sind als die Inflationsrate. Ein Beispiel ist Japan: Die japanische Zentralbank hat die Zinsen nicht erhöht, da der Schuldenstand noch höher ist als bei uns. Die Staatsschulden betragen 260 % der Wirtschaftsleistung und mit den privaten Schulden von 240 % beträgt die gesamte Schuldenlast 500 % der Wirtschaftsleistung! So ist der Yen seit Jahresbeginn um mehr als 15 % gefallen. Letztendlich müssen Kapitalkontrollen eingeführt werden, wie nach dem Krieg, wenn die Flucht der Gelder ins Ausland zu groß wird. Den Zentralbanken hilft im Augenblick, dass mit Ausnahme von Indien und Russland nur wenige Länder nicht stark verschuldet sind.
Stagflation, das
wahrscheinlichste Szenario
Da die Zinsen
nicht ausreichend steigen können und die hohen Schulden bleiben, werden uns
Inflation und geringes Wirtschaftswachstum wohl die nächsten Jahre begleiten.
Die Runde der Zinserhöhungen wird jedenfalls bei den ersten Anzeichen einer
Rezession stoppen.
Gefahr von Betriebsunfällen ist groß
Die Gefahr ist
groß, dass die Zentralbanken Fehler machen und die Zinsen zu stark erhöhen oder
zu schnell die Zinsbremse wieder loslassen. Als Folge wird die Glaubwürdigkeit weiter
fallen und die Anleihen- und Aktienmärkte werden stärker schwanken, mit
negativen Wirkungen für die reale Wirtschaft. Eine Gefahr ist auch der zunehmende
Protektionismus. So wie einige Länder jetzt versuchen durch Exportverbote für
bestimmte Nahrungsmittel die Preise niedrig zu halten. Mit dem Ergebnis, dass
die Preise am Weltmarkt weiter steigen.
Euroraum besonders
im Risiko
Seit der
Einführung des Euros sind alle Schulden der Euroländer Auslandsschulden und
können nicht mehr durch ein Aufdrehen der nationalen Notenpresse bedient
werden. Das Beispiel Italien zeigt, wie fragil die Lage ist: Die Zinsen dort sind
bereits von 2 % auf 4 % gestiegen. Ein weiteres Auseinanderlaufen der Schere mit
Ländern wie Deutschland droht. Die EZB kauft bereits 25 % aller italienischen
Anleihen und schrittweise werden die Schulden in Europa sozialisiert werden
(wie mit dem EUR 750 Mio. Eurobond), um ein Auseinanderbrechen des Euros zu
verhindern.
Was tun als
Anleger?
Rohstoffe und Gold
sind mögliche Anlagealternativen und bieten bei Inflation den besten
Werterhalt. So einfach ist allerdings nicht. Solange die Zinserhöhungen noch
stattfinden, sind die Goldpreise unter Druck. Rohstoffwerte leiden im Augenblick unter der
drohenden Rezession.