Dienstag, 21. November 2023

Wofür die Schuldenbremse?

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts fordern die Politiker neue Steuern und unser Finanzminister hat einen Ausgabenstopp verhängt. Das Verbot der Neuschuldenaufnahme* wurde 2009 in der Verfassung verankert, wohl um ein Vorbild für die verschuldeten südeuropäischen Länder zu sein. Leider ignorieren diese Länder uns. So beträgt z.B. die Neuverschuldung in Frankreich 5 % des Bruttosozialproduktes ("BSP").  

Die Deutschen sind mit einer Quote von 10 % Weltmeister im Sparen.  Was nur funktioniert, wenn jemand anders Schulden macht. Wirtschaftsleistung ist nichts weiter als die Summe aller Ausgaben. Sparen bedeutet eine Reduzierung des Bruttosozialproduktes, wenn keiner Schulden aufnimmt, um damit Ausgaben zu finanzieren. Die deutschen Unternehmen nehmen keine Kredite auf und der Staat darf nicht mehr ... Also leihen wir unser Geld den Amerikanern, die damit ihren Konsum finanzieren. Die Exporte in die USA erhöhen unsere Wirtschaftsleistung und bieten das wesentliche Ventil für die deutschen Ersparnisse (Europäer sind mittlerweile auch Nettosparer). Da Staatsschulden nie getilgt, sondern nur refinanziert werden, sammeln wir amerikanische Schuldentitel. Und finanzieren mit unseren Ersparnissen den amerikanischen Staatshaushalt. Das hohe amerikanische Staatsdefizit von 8 % der Wirtschaftsleistung führt zu einer verstärkten Inflation, die dafür sorgt, dass diese Papiere schnell den Wert verlieren.

Stattdessen könnten wir mit den Ersparnissen die Bundesbahn sanieren und Verspätungen abbauen, ein schnelleres Internet schaffen, sozialen Wohnungsbau zur Beseitigung der Wohnungsnot unterstützen oder Steuersenkungen finanzieren. Alle diese Maßnahmen kurbeln die Nachfrage in Deutschland an und erhöhten die Wirtschaftsleistung. Die geplanten Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen lassen unsere Wirtschaft dagegen noch mehr schrumpfen. Was die Schuldenquote erhöht (vorhandene Schulden im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt) - auch ohne Neuschulden!

Das Dogma der Schuldenbremse wird nicht infrage gestellt. Sonderausgaben wie zu Covidzeiten sind vom Verfassungsgericht ein Riegel vorgeschoben worden, da sie mit Recht dem Inhalt der damals mit 2/3 Mehrheit im Verfassungsgesetz beschlossenen Schuldenbremse widersprechen. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel heraus? Es bleibt nur die Einigung mit der Opposition, um diese völlig widersinnige Regel wieder loszuwerden. 

Ein anderes Dogma, keinen Fisch zu essen, trug im Mittelalter zum Verhungern der Wikinger-Kolonie in Grönland bei (1). Diese hatten sich in einer Wärmeperiode dort angesiedelt und ernährten sich ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht. Das Essen von Fisch wurde zum Tabu erklärt. Ein Verbot, dass sich diese junge Kolonie zum Unverständnis der dortig ansässigen Inuit leistete.  



*erlaubt sind Neuschulden in homöopathischer Dosis von 0,35 % des Bruttosozialproduktes

Dienstag, 14. November 2023

Ryman Healthcare - was haben wir falsch gemacht?

Seit unserem Einstieg bei dem Betreiber von Altenheimen hat sich die Bewertung gedrittelt.  Der Verkauf von Wohnungen in attraktiven Clubanlagen an Rentner auf Zeit hat seine Attraktivität behalten. Der Buchwert wuchs in den letzten fünf Jahren 20 % p.a. (von 21 % in zehn Jahren). Dieses hohe Wachstum wurde zu zwei Dritteln durch Vorauszahlungen ("Float") und zu einem Drittel durch Fremdkapital finanziert. Trotzdem wurde noch eine Dividende von 1 bis 2 % bezahlt. Als angesehener Marktführer machte das Management jedoch Fehler. Zu viele Entwicklungsprojekte wurden angestoßen, darunter die rasche Expansion in Australien und der Anteil an unprofitablen Pflegebetten wurde zu hoch angesetzt. Bei den Clubformaten wurde zu wenig auf den Deckungsbeitrag geschaut. Der Anstieg der Nettoverschuldung auf fast zwei Drittel vom Eigenkapital erforderte in diesem Jahr eine Kapitalerhöhung. Die Dividende wurde gestrichen und unser Anteil verwässerte sich um ein Drittel. Die Nettoverschuldung liegt nun bei NZD 2.3 Mrd. (50 % vom Eigenkapital) und erscheint angemessen.

Eine Clubanlage erzielt neun Jahre nach Kauf des Grundstückes den  Cash Break-even und die durchschnittliche Kapitalrendite beträgt 9 %. Durch den kostenlosen Float (1:1) und Fremdkapital (1:0,5) gehebelt, betrug die Eigenkapitalrendite im letzten Jahr 22 %. In 12 Monaten haben sich die Kosten der Verschuldung per Ende März um rund ein Drittel auf 5,4 % erhöht. Die Drittelung der Bewertung ist jedoch nicht gerechtfertigt, da die Eigenkapitalrendite noch mindestens das Zweifache der sonst erzielbaren Rendite beträgt. Diese marktübliche Rendite sehen wir bei 8 % (entspricht KGV von ca. 12). Für die Aktie bezahlt man 20 % weniger als Buchwert, während wir bei unserem Einstieg das mehr als 2,5-fache gezahlt hatten. Ryman profitiert dank der begonnen Bauvorhaben noch viele Jahre von der steigenden Nachfrage nach Altenheimplätzen.

Unter Berücksichtigung der gezahlten Dividende sind wir mit einem Drittel unseren Einsatzes im Minus (ca. EUR 4 Mio.). Erfolgreicher war unser Investment in den neuseeländischen Konkurrenten Summerset Group Holding. Der Buchwert wuchs 22 % p.a. in 5 Jahren. Die Gesellschaft erzielte diese hohe Wachstum ohne die Verschuldungsquote von ca. 50 % vom Eigenkapital zu erhöhen. Die Dividendenrendite beträgt 2,3 % und es gab keine Kapitalerhöhungen. Trotz der Halbierung der Bewertung seit unserem Einstieg liegen wir deutlich im Plus und konnten damit die Verluste bei Ryman mehr als ausgleichen.

Als Fazit bleibt, dass wir die Auswirkungen der höheren Zinsen auf die Rendite und insbesondere auf die Bewertungen unterschätzten. Hätten wir bei den hohen Bewertungen vor ein paar Jahren (mehr als das 3-fache vom Buchwert) einen Teil der Gewinne realisiert, hätten wir jetzt vielleicht den Mut noch nachzukaufen.

Freitag, 10. November 2023

Grupo Catalana - der weltbeste Versicherer?

Grupo Catalana ist weltweit die Nr.  2 im Oligopol der Kreditversicherer und die Nr. 4 bei den spanischen Sach- und Lebensversicherern. Die geringe Schadens- und Vertriebskostenquote ("Combined Ratio") von 72 % im Kreditversicherungsgeschäft Atradius im letzten Jahr (45 % vom Umsatz) erstaunt weniger als die geringe Kostenquote von 92 % im traditionellen spanischen Versicherungsgeschäft (55 % vom Umsatz). 


Die Prämieneinnahmen ("Float") ermöglichen die gewinnbringende Anlage der Mittel, da nur ein schrumpfendes Versicherungsgeschäft zur Rückzahlung führt. Warren Buffet freut sich in seinen Aktionärsbriefen, wenn das Combined Ratio unter 100 liegt und der Float damit nichts kostet. Die Anlage der Mittel deckt die Fixkosten ab und was übrig bleibt, ist Gewinn. Der Float beträgt EUR 13,5 Mrd. (ohne separierte Kundengelder) und entspricht fast dem vierfachen der Marktkapitalisierung von 3,6 Mrd. Zum 30.9. waren knapp 85 % des Floats in verzinsliche Anlagen investiert. Da die durchschnittliche Laufzeit 3,4 Jahre beträgt, wird die Gesellschaft in kurzer Zeit von den auf rund 4 % gestiegenen Zinsen profitieren. In den letzten Jahren wurde mit dem Float wenig verdient, so rechnen wir mit weiterem Ergebniszuwachs. Steigende Prämieneinnahmen verbessern die Auslastung und erhöhen die Margen bei dem noch kleinem spanischen Versicherer. Die Gesellschaft notiert mit einem KGV von unter 7. Die Aktie bekommt man mit 30 % Nachlass auf den Nettowert, während Berkshire etwas unter Verkehrswert notiert (1,4-fache vom Buchwert) und die Allianz Aktie mit 70 % Prämie gehandelt wird. Mit der gleichen 70 % Prämie hatte uns die Allianz auch bei der Übernahme von Euler Hermes abgefunden, der Nummer 1 unter den Kreditversicherern.

Das Nettovermögen der Catalana beträgt EUR 5,2 Mrd. und entspricht dem 1,4-fachen der Marktkapitalisierung. Das Nettovermögen hat sich in den letzten 20 Jahren trotz der gezahlten Dividende (die Rendite beträgt derzeit 3,4 %) verzehnfacht (12,5 % p.a.).

Da Versicherer hoch verschuldeten Hedgefunds gleichen, ist die Minimierung der Risiken entscheidend. Catalana gehört zu Zweidritteln dem Management und der Gründerfamilie. Entsprechend vorsichtig wird agiert. Dies zeigt sich unter anderen in der geringen Laufzeit des verzinslichen Wertpapierportfolios von 3,4 Jahren (versus 8,8 Jahre bei Allianz) und der Höhe des Eigenkapitals von 30 % (versus 6 % bei Allianz).   Bei der angesehenen Allianz sind die Kapitalanlagen mit dem 16-fachen des Eigenkapitals gehebelt, während der Hebel bei Grupo Catalana unter 3 liegt, wenn man den Verkehrswert der Nettoanlagen zugrunde legt.

Was kann schiefgehen?

Kreditversicherer kennen aufgrund der hohen Marktanteile das Zahlungsverhalten der Kunden genau und können zeitnah die Limits anpassen. Als Service veröffentlichen sie regelmäßig in aggregierter Form das Zahlungsverhalten jeder Branche. Für viele Lieferanten ist die Kreditversicherung essenziell, da sie sich ein Zahlungsausfall der Kunden in der Regel nicht leisten können. So haben die Regierungen zur Sicherung des Handels während der Covidkrise die Risiken der Kreditversicherer rück verbürgt. Insofern birgt nur das traditionelle Versicherungsgeschäft Risiken, die aber aus unser Sicht gut diversifiziert sind.

Zinsen können wieder fallen. Mittelfristig deutet die hohe Verschuldung der Industrienationen und die Notwendigkeit der Refinanzierung eher auf ein gestiegenes Zinsniveau hin. Auch führt der beginnende kalte Krieg mit China und die Kosten der geplanten Energiewende zu weiter steigenden Preisen. 

Aus unserer Sicht gleicht der Kauf einer Versicherungsaktie dem Erwerb einer Festgeldanlage; allerdings mit knapp vierfach gehebelter Rendite. Wir haben rund 20 % unserer Mittel in inhabergeführte Versicherer (darunter auch Berkshire) investiert. 


Freitag, 3. November 2023

Bolloré SE - ein günstiger Weg Universal Music zu erwerben?

Bolloré SE ("Bol") wird an der Börse mit rund EUR 15 Mrd. bewertet. Die 21 % Beteiligung an Universal Music (EUR 44 Mrd.) allein ist knapp EUR 9 Mrd. wert. Hinzu kommen Beteiligungen an gelisteten und ungelisteten Firmen (z.B. Canal Plus, Havas, Lagardere, Logistik und Energie) mit einem Wert von rund EUR 11 Mrd. (1, 2). Ein Holding Abschlag von 25 % auf den Nettowert ist allerdings nichts Ungewöhnliches. 


Interessant wird es, wenn man das Kleingedruckte im Geschäftsbericht der Bolloré liest. Der Firma selbst gehören nicht nur 35,5 % an der Mutter Compagnie Odet (der per Ende Dezember letzten Jahres 67,7 % an Bolloré gehörten), sondern auch knapp 50 % an den jeweiligen Obergesellschaften der Eigentümerpyramide. Dem geschäftsführenden Gesellschafter Vincent Bolloré gehören knapp die Mehrheit der Geschäftsanteile an den Zwischengesellschaften Sofibol, Financiere V und Omnium Bollore. Mit diesem Konstrukt sichert er sich die Kontrolle der Geschäftsanteile und minimiert den eigenen Kapitalaufwand. Die Frage ist, wie viel gehören ihm wirtschaftlich und wie hoch ist der Eigenbesitz von Bolloré SE?

Nach dem im Mai 23 abgeschlossenen Kauf eigener Aktien durch Bol (3,4 %), gehören der Compagnie Odet ("CO") 71,1 % an Bol. CO hält 57 % der Sofibol (71,1 % * 57 % = 40,5 %) und 35,5 % Bol selbst (71,1 % * 35,5 % = 25,2 %). Die Sofibol ist zu 51 % im Eigentum der Financiere V (51 % * 40,5 % = 20,7 %) und zu 49 % bei Bol (49 % * 40,5 % = 19,8 %). Die Financiere V gehört zu 50,1 % Omnium Bollore (20,7% * 50% = 10,4 %) und zu 49,9 Bol selbst (20,7 % *50 %= 10,3 %). Bei der Omnium gilt das gleiche: diese gehört zu 50,1 % der Bolloré Participations - einer 100 % Tochtergesellschaft der Familie Bolloré (10,4 %* 50 % = 5,2 %). Damit sind 60,5 % der Anteile im Eigenbesitz der Bol (25,2 +19,8 %+10,3 %+5,2 %). Korrigiert um den Eigenbesitz beträgt die Marktkapitalisierung der Bolloré SE nur EUR 6,2 Mrd. (15 Mrd. * 0,4). Allein die Universal Music ist das Doppelte wert - zusammen mit den 30 % an Vivendi (mit Canal Plus, Havas und Lagardere als Beteiligungen) und den 100 % an Logistik und Energie ist der Wertabschlag 70 %. 

Wie könnte eine Wertrealisierung aussehen?

Vereinfacht Vincent Bolloré die Struktur, bevor er die Firma seinem Sohn überträgt, wie in der Presse spekuliert wird?

Da sein wirtschaftlicher Anteil so niedrig ist, führt die Vereinfachung der Struktur zu einem wohl unakzeptablen Kontrollverlust.

Am wahrscheinlichsten ist der weitere Erwerb eigener Anteile. Die Bol Holding ist frei von Schulden, hat EUR 6 Mrd. Banklinien und wird nach dem Closing der Logistik Transaktion (voraussichtlich Ende 23) EUR 4,6 Mrd. zusätzlich in der Kasse haben. Jeder Euro der in Rückkäufe investiert wird, bringt 2,3 Euro an Wertzuwachs! Insofern ist wie beim letzten Rückkaufangebot mit einer deutlichen Prämie zu rechnen.  Mit der vorhanden Genehmigung dürfen noch 6,4 % der Aktien gekauft werden. Bei EUR 6 je Aktie, die beim letzten Mal gezahlt worden, würde dies EUR 1,1 Mrd. kosten. Abzüglich der Erlöse aus dem Verkauf weiterer Vivendi Anteile von ca. 0,4 Mrd., um den Anteil nicht über 30 % wachsen zu lassen.  Selbst wenn die übrigen Aktien von 22,4 % zum Verkehrswert erworben werden müssten, würde dies nur 4,5 Mrd. kosten, was durch die Liquidität der Bolloré abgesichert wäre. 

BAVARIA Industries nimmt Abschied von der Börse...

Nach gut 18 Jahren an der Börse haben wir gestern die Kündigung verschickt. Ich bin erleichtert. Mit einem Streubesitz von 4 % macht die Bör...