Dienstag, 23. April 2024

BAVARIA Industries nimmt Abschied von der Börse...

Nach gut 18 Jahren an der Börse haben wir gestern die Kündigung verschickt. Ich bin erleichtert. Mit einem Streubesitz von 4 % macht die Börsennotiz keinen Sinn mehr. Den Aktionären bleiben noch drei Monate, um ihre Anteile zu verkaufen. Nach dem 19. Juli ist ein Verkauf nur noch privat möglich. Die Gesellschaft führen wir seit ein paar Jahren ohnehin wie eine Vermögensverwaltung. Mit einer Mischung aus Bargeld, Gold, Rohstoffen und Aktienwetten liegt der Fokus auf Kapitalerhalt. Als Anleger sollten man den Vermögens-Mix dagegen abhängig von den eigenen Zielen selbst bestimmen und in Unternehmen investieren, deren Strategie klar auf Wachstum oder Dividenden ausgerichtet ist. Sonst akzeptiert man zusätzliche Verwaltungskosten und einen Discount zum Nettovermögen, mit dem ähnlich diversifizierte Holding-Gesellschaften üblicherweise notieren.

Würden wir nochmal an die Börse gehen? 

Der Börsengang Anfang 2006 kostete uns knapp EUR 1 Mio. und brachte EUR 11 Mio. Kapital. Das Geld benötigten wir nicht. Bereits in den ersten zwei Jahren kehrten wir diesen Betrag in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre aus. Insgesamt flossen rund EUR 150 Mio. an die Aktionäre.  Der Aufsichtsrat und die fehlende Kenntnis der Börsenanforderungen kosteten uns viel Zeit. Anfangs hatten wir viel Respekt vor der Börse und beantworteten beispielsweise jede Frage der Aktionäre, statt an die Hauptversammlung zu verweisen.   

Ich weiß nicht, ob uns die Notiz beim Erwerb von Firmen half. Vielleicht war es unser guter Ruf? Ausschlaggebend war wohl eher die Direktansprache und viele Vorstellungsgespräche bei Konzernen und (noch wichtiger) bei M&A Vermittlern. Bei der Restrukturierung führte der Blick auf die gefüllte Unternehmenskasse zu mehr Begehrlichkeiten und zusätzlichen Verhandlungsrunden.

Enttäuschungen blieben nicht aus. Schon nach der offiziellen Roadshow begann mein Mitgründer, seine Anteile mithilfe des IPO-Beraters zu verkaufen. Kurz nach Notizaufnahme wurden wir durch einen Shortseller mit erstaunlichem Insider-Wissen öffentlich angezählt. Der Börsenkurs lag nie mehr über dem Wert der Beteiligungen. Also die Kehrtwende: keine Werbung mehr, sondern Aktienrückkäufe unter Substanzwert. Durch Zukäufe verdoppelte ich meinen Anteil am Unternehmen und erzielte damit eine Rendite von knapp 20 % p.a. Ohne die Börsennotiz hätten meine Mitgesellschafter vielleicht höhere Kaufpreise erwartet. 

Die Klage des Aufsichtsrates traf mich, als ich nach einem Radunfall im Krankenhaus lag. Ich hatte einen der Aufsichtsräte im Namen der Gesellschaft auf Schadensersatz verklagt. Den Prozess wegen Fehlberatung beim Unternehmenskauf verloren wir gleichwohl. Ohne die Börsennotiz wäre es nicht zu der teuren Klage gekommen, die der Aufsichtsrat auf Kosten der Gesellschaft führte.  

Das deutsche Aktienrecht ist zu kompliziert und führt dazu, dass nur wenige Unternehmen in Deutschland öffentlich gehandelt werden. So müssen bei Unternehmensabspaltungen stille Reserven vom Unternehmen versteuert werden, statt dass die künftigen Aktionäre ihre Gewinne selber versteuern. Jede Maßnahme, wie zum Beispiel ein Reverse-Aktiensplitt, unterliegt dem Risiko jahrelanger Anfechtungsklagen auf Kosten des Unternehmens. 

Statt beim Squeeze-out den zuletzt gezahlten Kurs als fair zu erachten, müssen drei Gutachten eingeholt werden. Trotzdem findet in der Regel ein Schiedsverfahren statt - die Gesellschaft trägt die Kosten. Rechtsanwälte haben sich darauf spezialisiert, nach Bekanntmachung der Maßnahme eine Aktie zu kaufen und die Gesellschaft mit Klagen zu überziehen. Kosten und Zeitaufwände können sie dem Unternehmen in Rechnung stellen. Das Ganze kann wie im Fall der HypoBank 15 Jahre dauern! Wen wundert es, dass die Unternehmen die Handelsnotiz einstellen und danach die Minderheitsaktionäre ein Schattendasein fristen. 

Als Abschiedsgeschenk fordert die deutsche Börse von uns knapp EUR 50.000, weil wir zum geforderten Termin vor zwei Jahren einen Geschäftsbericht zunächst nicht testiert einreichten.

10 Kommentare:

  1. Der "letzte Kurs" ist also immer Fair und zu diesem sollte man jederzeit und problemlos enteignen dürfen? Ein schlechter Witz. Versetzen Sie sich mal in die Lage des Anlegers in so einem Fall.

    "Die Gesellschaft führen wir seit ein paar Jahren ohnehin wie eine Vermögensverwaltung." Daran ist doch nichts auszusetzen und das schliesst eine Börsennotiz auch nicht aus. Mit dem Argument dürfte man die meisten Gesellschaften in ihrem Portfolio (Berkshire, Brederode, usw) auch nicht kaufen und diese sollten gar nicht an der Börse sein?

    "jahrelange Anfechtungsklagen" - es gibt ein Freigabeverfahren und inzwischen kommen die Unternehmen doch mit fast jeder Schweinerei durch (siehe z.B. jüngst die ABO Wind Umwandlung in KGaA). Und wenn ihnen das deutsche Aktienrecht nicht passt können Sie ja auch in eine SE umwandeln und den Sitz in ein anderes EU-Land verlegen oder einen reverse merger mit einer ausl. Gesellschaft. Aber ich vermute darum geht es Ihnen gar nicht!

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    1. Meine Empfehlung an Sie ist, die Aktien zu verkaufen, solange der Handel noch möglich ist. Dank der teuren und komplizierten Squeeze-out Regeln, fristen viele Aktien über die Jahre ein Zombie-Dasein mit minimaler Unternehmenskommunikation. Rückkaufangebote werden, wenn überhaupt, im Laufe der Zeit immer niedriger ausfallen.

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    2. Warum werden Rückkaufangebote immer niedriger ausfallen? Inwiefern hängen Rückkaufangebote von der Börsennotiz ab? Es sollte doch eigentlich für ein Rückkaufangebot egal sein, ob die Gesellschaft börsennotiert ist? Die Börsennotiz bietet den zusätzlichen Vorteil von einer Unterbewertung an der Börse zu profitieren, indem teilweise deutlich unter dem intrinsischen Wert zurückgekauft werden kann. Ein Rückkaufangebot ist doch aber unabhängig vom Börsenhandel!?

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  2. Sehr geehrter Herr Scholz,

    vielen Dank für diese Mitteilung. Für mich, der ich selbst kein Finanzfachmann bin, bleiben einige Fragen offen.

    Wie sehen sie die Rolle Ihrer Geschäftspartner in der Zukunft?

    Vielleicht könnten Sie darüber einen Blogbeitrag verfassen. Ich weiß nämlich genau wie Sie, dass meine Anteile an der Bavaria mehr wert sind als es der Börsenkurs widerspiegelt. Ich möchte meine Anteile nicht verkaufen und weiterhin ihr Partner bleiben. Inwiefern wird sich Ihre Kommunikation mit mir verändern? Falls ich doch einmal Anteile veräußern möchte, um z.B. Geld zu spenden, wie kann man dies gestalten bei einem Ausschluss vom Freihandel usw.?

    Vielen Dank!

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  3. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Leistung von 20% p.a. Das ist ein aussergewöhnlich guter Wert. Ihr Abschied von der Börse wundert nicht, zeigen doch alle Massnahmen seit Jahren auf diesen Schritt, was für externe Investoren schade ist. Ein etwas fader Beigeschmack in diesem Zuge war und ist, dass bei Rückkaufangeboten meist Informationen zum letzten Wert der Aktie und der Firma fehlte. So veröffentlichten Sie im Januar 2023 die Ergebnisse der Anlage für 2022. Bis heute gibt es keinen Überblick, wo Bavaria im Wert steht, weder zu Ende 2023 noch zu Q1 2024. Der letzte offizielle Wert ist aus 30. Juni 2023. Seitdem haben Rückkaufangebote stattgefunden. Das ist m.E. kein fair play, da dem Käufer aktuell sehr genau bewusst ist und dem Verkäufer nicht. Wozu diese Vorteilnahme, wenn Ihr Erfolg schon so groß ist? Alles Gute dennoch!

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  4. I think these last months put a shadow on your work for shareholders. It's now clear that you only work to preserve (and increase) your capital.

    The current NAV is around 110 €/share. You could have made a buyback offer at around NAV or slightly under and treat all shareholders fairly. Instead the last buyback offer was 20% under NAV and you're currently forcing shareholders to sell in the market and I suspect the company is buying back all the shares. So don't worry, the shareholders that hold the 4% float are paying the 50 000 € for the de-listing, plus probably around 3-4 millions € that will soon be in your pocket.

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    1. I also calculated the NAV at around EUR 110 based on the last report. I agree.

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    2. Could not agree more

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    3. I wonder, how the value can be unlocked for the minority shareholder's? I think Mr Scholz is an honorable CEO and he says he follows the example of Buffett and Munger. Munger never took advantage of his business partners. If Mr Scholz wants to have the whole company for some reason, he could get my shares, but I would like to receive a fair price. And the fair price is not difficult to calculate. In fact, Mr Scholz did it in all his past letters. June 23 was 98 Euro per share. Now it will be between 105 and 115 EUR per share. If I receive this, I will be satisfied. But I feel cheated, when I hear, that I should sell at this price and that future prices will be lower.

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  5. Wird es ein Annual Meeting 2024 im Münchener Künstlerhaus geben? Lange habe ich mich darauf gefreut, vor ein paar Tagen sah ich einen Termin auf der Website für August 2024, jetzt kann ich diesen nicht mehr finden!?

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