Montag, 17. Dezember 2018

Wetten das...?

70 % der Anteile von Radisson wurden von einem Wettbewerber aus Asien übernommen, der in den nächsten 6 Wochen ein Übernahmeangebot zum aktuellen Kurs von 35 (oder darüber) für die restlichen 30 % unterbreiten musste. Wie viel ist die Aktie wert? 

Wir nahmen mit einer 30%igen Wahrscheinlichkeit ein Gebot von 45 an; damit beträgt der faire Wert der Aktie = 38. Bei diesem Arbitragegeschäft konnte man unter Abzug der Transaktionskosten knapp 3 je Aktie verdienen (0,7 * 35 + 0,3*45 = 38). Das Risiko, dass der Käufer das Geld nicht aufbringen konnte, sahen wir als gering an. Die liquiden Mittel des Übernehmers waren höher als die erforderliche Kaufsumme. 

Mittlerweile gibt es ein Übernahmeangebot für 40 und wir haben noch einmal nachgekauft, da der Kurs nur bei 40,1 lag und wir die Wahrscheinlichkeit einer Nachbesserung auf 45 nach wie vor bei 30 % sahen (ca. 41,5 als fairer Wert).

Auch der vermeintlich risikofreie Kauf einer Münchner Immobilie bei der momentan gezahlten 30-50fachen Nettokaltmiete in Innenstadtlagen ist eine Wette. Und zwar auf die zukünftige Wertsteigerung. 2-3 % Mietrendite gleichen kaum die Inflation aus. Übersehen wird dabei, dass die Zinsen historisch auf niedrigstem Stand sind und damit die Wahrscheinlichkeit fallender Preise mindestens genauso hoch ist wie der weitere Wertanstieg.

Unser Leben besteht aus Wetten: Jede Entscheidung ist in Wirklichkeit eine Wette auf die Zukunft - meistens mit uns selbst.  Und bei jeder Entscheidung wägen wir verschiedene Gefühle ab. Wir stellen uns vor, welches Gefühl wir mit dem Eintreffen der erwarteten Ergebnisse verbinden. Mit rationalen Argumenten kann unser Gehirn nicht viel anfangen. Unsere Glaubenssätze und Gefühle bestimmen unser Verhalten. Ein richtiges Infragestellen lässt sich mit einem gedanklichen Kurzschluss im Gehirn gleichsetzen, der sehr viel Energie kostet. Meistens handeln wir daher wie auf Autopilot. Evolutionär ist das viel schneller und effizienter als Nachdenken. Auch erfordert Nachdenken, dass man die Unsicherheit der Wirklichkeit akzeptiert. Weder sind alle Möglichkeiten bekannt, noch kennt man die Wahrscheinlichkeiten oder kann alle zukünftigen Ergebnisse vorhersagen. 

Nur derjenige lernt dazu, der sich bei jedem Ergebnis (wie z.B. beim Gewinn oder Verlust ein Jahr nach dem Aktienkauf) fragt, wie sich der Entscheidungsprozess noch verbessern lässt. Nur wer fragt, ob wirklich alle damals bekannten Informationen vorurteilsfrei abgewogen worden sind, verbessert mit der Zeit seine Entscheidungen und damit auch die Ergebnisse.  Trotzdem wird man in 40 % der Fälle einfach Pech haben, trotz bester Vorbereitung. Auch dies zu akzeptieren, ist Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. 

Damit sich die Qualität der Entscheidungen erhöht, sollte man sich im Stillen immer fragen, ob man bereit ist, darauf zu wetten. Das zwingt dazu, sich ernsthaft mit den Chancen und Risiken auseinanderzusetzen. Das Leben ist in Wirklichkeit ein Pokerspiel. Nur das wir uns in den seltensten Fällen dessen bewusst sind…

Wer mehr dazu lesen möchte, dem seien die Bücher von Kahnemann, "Thinking fast and slow" und von Annie Duke "Thinking in Bets" zur weiteren Lektüre empfohlen.


Mittwoch, 12. Dezember 2018

Nimm keinen Gefallen von der Mafia an...

Bei der Übernahme eines Automobilzulieferers in der Nähe von Neapel mussten wir feststellen, dass Italien seinem Ruf ab und zu doch gerecht wird. Denn den dazugehörigen Aluminiumschmelzbetrieb gab es nur auf dem Papier. Der Verkäufer fühlte sich schuldig genug, uns einen lokalen Unternehmer als Käufer zu vermitteln. Dieser bot uns seine Hilfe an, wenn wir einmal in einer Zwangslage sein sollten … Ein Angebot, auf das wir bis heute nicht zurückgekommen sind.


Der Drang, einen Gefallen zu erwidern, ist in uns genetisch verankert. Nur so konnten wir in der Vergangenheit in der Gruppe überleben. Auch andere Verhaltensweisen sind in uns fest einprogrammiert: Haben wir uns einmal öffentlich zu etwas verpflichtet, fällt es sehr schwer, uns wieder davon zu lösen. Selbst wenn sich die Information im Nachhinein als falsch herausstellt, auf der unsere Entscheidung beruhte. So schreiben wir Fehler nicht ab, sondern suchen nach einer Rechtfertigung. Unsere Sucht nach Konsistenz führt dazu, dass wir unsere Fehler perpetuieren.

Auch achten wir immer darauf, was andere denken und orientieren uns an der Mehrheitsmeinung. Ein bekannter Markenname signalisiert Vertrauen und stützt unsere Kaufentscheidung. Aktien eines bekannten Markenunternehmens werden immer teurer gehandelt als eine No-Name-Firma mit gleichen oder sogar besseren Kennzahlen. Wir vertrauen gerne jemandem, der uns sympathisch erscheint und gute Umgangsformen hat. So saßen wir beim zweiten Unternehmenskauf einem schwäbischen Unternehmer auf, der bei einem gemeinsamen Abendessen mit seiner Arztgattin so vertrauenerweckend wirkte, dass jeder Zweifel an der Richtigkeit der Bilanz ausgeräumt war. Wie wir uns überhaupt gerne einer vermeintlichen Autorität wie einem Geschäftsführer oder Wirtschaftsprüfer unterwerfen. Auch dieses Verhalten ist fest in uns verankert. 

Neulich kaufte unser Sohn einen teuren Pullover im Internet und bezahlte mit unserer Kreditkarte. Er hatte versucht, uns zu fragen, aber das Sonderangebot war nur für eine Stunde gültig. Auch wir versehen unsere Kaufangebote immer mit einer Deadline, um ein Gefühl der Knappheit zu erzeugen. Zwar gib es objektiv eigentlich keinen Grund dazu, aber es erhöht den Handlungsdruck und verbessert gleichzeitig den Wert des Angebots.

Wer mehr dazu lesen möchte, dem sei der Psychologie-Klassiker von Caldini "The Power of Persuasion" sehr empfohlen.

BAVARIA Industries nimmt Abschied von der Börse...

Nach gut 18 Jahren an der Börse haben wir gestern die Kündigung verschickt. Ich bin erleichtert. Mit einem Streubesitz von 4 % macht die Bör...