Im
Mittel stagniert das Einkommen der
Lohnempfänger seit vielen Jahren oder ist in einigen entwickelten Industrieländern
real sogar rückläufig. Viele haben Angst um die Zukunft und wenden sich Demagogen
zu, die einfache Lösungen anbieten. Sie wissen, etwas stimmt nicht, nur was? Hilft hier QE?
Das
Platzen der Kreditblase vor 10 Jahren hat heftige Spuren bei den
Privathaushalten hinterlassen. Durch den Fall der Immobilienpreise sind viele
Haushalte in den USA, England und den Mittelmeerländern unter Wasser: die für
den Kauf von Immobilien aufgenommenen Schulden
übersteigen das private Vermögen deutlich, was dazu führt, dass diese Haushalte
auf Konsum verzichten und mehr sparen. Die Angst vor der ungenügenden Rente
kommt für viele noch hinzu: Viele Rentenversicherungen sind durch die
geringeren Zinseinnahmen unter deckt - die Zusagen sind nicht mehr durch die
Zinseinnahmen gedeckt. Der Wirtschaft fehlt damit die Nachfrage.
Die
Politik der Absenkung der Zinsen auf nahe null und darunter durch die
wichtigsten Notenbanken führte in einer solchen Lage dazu, dass fallende
Zinseinnahmen (die meisten Sparer investieren nur in festverzinsliche
Wertpapiere und nicht in Aktien) die Sparquote sogar noch erhöhen. Die Kreditnachfrage
wird zwar durch die Niedrigzinsen angekurbelt, aber im falschen Bereich: 80 %
aller Neukredite werden – steuerlich sogar noch begünstigt - für
Immobilienkredite aufgewendet, was weltweit zu steigenden Immobilienpreisen und
zum Entstehen einer neuen Kreditblase führt. Hinzu kommt die zunehmende
Konzentration der Vermögen: nur die, die sich das Spekulieren leisten können,
werden reicher. Das eigentliche Ziel der niedrigen Zinsen, Investitionen in
Produktivvermögen zu fördern, findet nicht statt, da schlicht die Nachfrage
fehlt. Pro Jahr steigt zwar das Kreditvolumen um rund 10 %, davon fließen jedoch
nur 2 % in reales Wachstum. Immer mehr Kredite erkaufen immer weniger
Realwachstum. Unternehmen nutzen die niedrigen Zinsen, um mit neu aufgenommenen
Krediten eigene Aktien zurückzukaufen,
statt zu investieren. Kein Wunder, dass die wichtigsten Aktienbörsen fast täglich neue Höchstniveaus erklimmen.
Bereits
in den letzten 10 Jahren vor dem Platzen der Immobilienblase in 2009
stagnierten die Realeinkommen in den USA. Mehr Kredite an Privathaushalte
überdeckten die fehlende Kaufkraft. Das Wirtschaftswachstum wurde mit einer
steigenden Verschuldung der Privathaushalte erkauft. Seit dem Beginn der Krise 2009 hat der
Staat durch höhere Ausgaben einen Teil
der fehlenden privaten Nachfrage kompensiert und damit einen kleinen Rückbau
der privaten Schulden ermöglicht. Im Saldo sind die Gesamtschulden in allen
wichtigen Industrieländern jedoch gestiegen. Wichtige Ausnahme ist Deutschland,
das mit einer Exportquote von 7 % der Gesamtleistung ausländische Nachfrage stiehlt
und damit die Verschuldung bei den Empfängern der Exporte (früher die Länder
der Europäischen Union jetzt in erster Linie USA) zusätzlich erhöht. Die Deutschen leisten Konsumverzicht und
exportieren die Ersparnisse. Und erwerben damit zumeist wertlose ausländische
Schuldtitel. Die Deutschen fühlen sich moralisch als die Sieger: aber ohne den willigen
Gläubiger gibt es eben auch keinen Schuldner.
Unsere
Haushaltshilfe bekommt von uns zur Zeit
EUR 21 je Stunde inklusive des Arbeitgeberanteils. Davon verbleiben ihr nach
allen Abzügen des Staates und der Sozialversicherungsträger nur EUR 11 je
Stunde – ein Schwund von knapp 50 %. Wir dagegen zahlen auf die Millionenerlöse
aus unseren Unternehmensverkäufen in der Regel nur 1,5 % Steuern. Da wir -
mangels entsprechender Vorhaben - nur einen Bruchteil davon in produktive
Investitionen stecken können, beträgt unsere Sparquote fast 100 %. Kein Wunder, dass es zu wenig private
Nachfrage gibt! Schuldzinsen – egal ob für Unternehmens- oder
Immobilienkäufe - lassen sich überdies komplett von der Steuer absetzen. Immobilienerlöse können steuerfrei vereinnahmt werden, wenn die Haltedauer
zumindest 10 Jahre beträgt. Banken verleihen hierfür gern Geld, schließlich
versprechen die steigenden Immobilienpreise eine gute Sicherheit.
Kapitalanleger werden immer reicher, während die Bevölkerungsmehrheit keinen
Kaufkraftzugewinn hat! Hinzu kommt, dass der globale Lohnwettbewerb und die
zunehmenden Effizienzgewinne durch den Einsatz von mehr künstlicher Intelligenz
ein Wachsen der Löhne in den nächsten Jahren wohl ausschließen wird.
Wie
könnte ein Ausweg aus dem Schlamassel aussehen?
Zur
Erhöhung der Kaufkraft und um die Arbeit wieder lohnender zu machen, sind
Negativsteuern für Niedriglohnempfänger nötig, d.h. sie sollten vom Staat Geld
dazu bekommen, statt für das Arbeiten bestraft zu werden. Steuern auf jede Art
von Spekulationsgewinnen, höhere Transaktionssteuern auf Immobilienkäufe und
das Streichen der Absetzbarkeit von Schuldzinsen könnten dies finanzieren.
Statt sich in Deutschland kaputtzusparen (um Ländern wie Griechenland ein
Beispiel zu geben), sollte Deutschland die Überschüsse in den öffentlichen
Kassen zu Infrastrukturinvestitionen nutzen. Deutschland lebt seit Jahren von
der Substanz, die Neuinvestitionen liegen
unter den Abschreibungen. Die Euromitgliedschaft muss entweder zu einer Solidargemeinschaft ausgebaut werden
(z.B. durch gemeinschaftlich verbürgte Eurobonds), um den ärmeren Ländern zu
helfen, oder die Bundesrepublik sollte aus dem Euroraum austreten, um den
Deutschen die Kaufkraft durch eine steigende DM zurückzugeben und mit der
steigenden Nachfrage nach ausländischen Gütern unsere Handelsbilanzüberschüsse abzubauen.
Auch
stellt sich die Frage, ob das Privileg des Gelddruckens durch die freie
Kreditvergabe bei den Banken bleiben sollte. Schließlich wird in den Boomjahren in der Regel zu viel Geld geschaffen, während
in der Krise zu wenig Kredit zur Verfügung gestellt wird. Verstärkt werden die
Zyklen der Wirtschaft noch durch innovative Kreditinstrumente und zunehmende Off-Balance Sheet
Finanzierungen. Als ein Beispiel sei
angeführt, dass die größte Deutsche Bank vor der Krise ihre Bilanz so aufgebläht hatte, dass das Eigenkapital trotz aller mittlerweile erfolgten
Kapitalmaßnahmen nur bei rund 4 % liegt. Angemessen wären aufgrund der Bedeutung
für das Wohl aller eher die historisch üblichen 20 %. Banken sollte man aufgrund
der Sonderstellung eher mit Stromversorgern vergleichen und ähnlich
reglementieren. Der Staat kann durch Infrastrukturmaßnahmen, die durch neu
geschaffenes Gelde bezahlt werden, in die Bresche springen. Allerdings auch
hier nur unter strikten Vorgaben und Kontrollen!
Einfach
sind die Lösungen alle nicht, ein Umdenken muss jedoch erfolgen, wenn man das
Spiel nicht Demagogen überlassen will, die mit Schlagworten (Austritt aus der Europäischen
Gemeinschaft, Rausschmiss von Ausländern und dergleichen mehr) hausieren gehen. Wer mehr hierzu lesen möchte,
dem sei das Buch „Between Debt and the Devil“ von Adair Turner, dem ehemaligen
Chef der englischen Bankenaufsicht, empfohlen.