Projektgeschäft – Chancen und Herausforderungen
Im zweiten
Jahr nach der Gründung übernahmen wir vier Unternehmen, die vor allem Aufträge
in Einzelfertigung abwickelten. Damals steckte die deutsche Wirtschaft mitten
in einer anhaltenden Krise. Besonders im Anlagenbau führten stagnierende
Umsätze dazu, dass die Fixkosten vieler Betriebe nicht mehr gedeckt waren – die
Verluste stiegen.
Das Projektgeschäft
birgt hohe Risiken: Jeder Auftrag muss individuell geplant und kalkuliert
werden. Ein kleiner Fehler kann sich teuer auswirken, vor allem wenn wir an
feste Zusagen gegenüber Kunden gebunden waren. Die Produktion lässt sich in
solchen Fällen kaum automatisieren – dafür kommt es umso mehr auf eine saubere
Lagerführung, ein strukturiertes Bestellwesen und gut abgestimmte Abläufe in
der Montage an.
Aber das
Projektgeschäft hat auch seine Vorteile: Wenn wir die Verlustbringer einmal
identifiziert und aus dem System entfernt haben, lassen sich neue Aufträge mit
besserer Kalkulation abwickeln. Schon ein kleiner Anstieg im Auftragseingang
kann ausreichen, um wieder deutlich profitabel zu werden. Und weil die
Fertigung meist mit einfachen Mitteln auskommt, braucht es kaum neue
Investitionen. Der vorhandene Maschinenpark lässt sich lange nutzen – was nach
Material- und Personalkosten übrig bleibt, ist dank der niedrigen
Abschreibungen Gewinn.
Rückblickend
war der Einstieg in das Projektgeschäft für uns eine wertvolle Schule. Hohe
Risiken, aber auch schnelles Lernpotenzial und große Hebel – wenn wir bereit
sind, konsequent zu führen und auf Details zu achten.
Fallstudie: Explodierende Kaffeebecher
Manchmal
beginnt eine Sanierung mit einem 5-Mio.-Euro-Scheck – und endet mit einem
Kaffeebecher, der sich selbst erhitzt. Diese Fallstudie zeigt, wie technischer
Mut, klare Führung und harte Verhandlungen ein fast gescheitertes
Projektgeschäft doch noch zum Erfolg führen können.
Gut ein Jahr
nach unserer Gründung übernahmen wir die Firma Hamba. Sie stellte
Verpackungsmaschinen her, also zum Beispiel Maschinen, die Becher befüllen und
verpacken. Die Firma erzielte rund 30 Mio. € Umsatz – bei knapp 10 Mio. €
Verlust!
Wir zahlten
den symbolischen Euro, doch damit nicht genug: Wir erhielten zusätzlich einen
Scheck über 5 Mio. € – allerdings lautete der 5-Mio.-Euro-Scheck auf die
Gesellschaft, nicht auf uns persönlich. Entspannt zurücklehnen konnten wir uns
also noch lange nicht.
Der
Verpackungsmaschinenhersteller hatte in seinem Expansionsdrang Aufträge
angenommen, die zuvor niemand erfolgreich umsetzen konnte. Die Vorbesitzerin
war erleichtert, diese Verpflichtungen endlich loszuwerden. Eines der
ehrgeizigsten Projekte war eine Maschine, die Kaffeebecher herstellen und
befüllen sollte, die sich auf Knopfdruck selbst erhitzen konnten!
Mut zur Veränderung: Von alten Maschinen zu neuer
Technik
Um die Firma
wieder auf die Beine zu bringen, haben wir einen neuen Geschäftsführer
eingestellt. Er war Maschinenbauingenieur und hatte vorher bei einer
Unternehmensberatung gearbeitet. Seine Aufgabe war es, mit den Kunden zu
verhandeln und unrealistische Versprechen aus der Vergangenheit loszuwerden.
Ein Vorteil war dabei, dass wir nun unabhängig von der alten Mutterfirma waren
und die Bilanz – also alles, was die Firma besitzt und schuldet – nicht mehr so
groß war. Dadurch waren wir flexibler in den Verhandlungen.
Nach den
Verhandlungen hatten wir zwar weniger Umsatz, aber auch deutlich weniger
Verluste. Am Ende haben wir es geschafft, bei plus/minus Null rauszukommen.
Allerdings
gab es immer noch ein Problem: Die Maschinen waren technisch veraltet. So
wurden alle Verpackungsvorgänge über eine große mechanische Welle gesteuert.
Das machte sie anfällig für Fehler und die Montage war dadurch schwierig und
aufwändig.
Deshalb
suchten wir nach einer neuen Lösung. In der Entwicklungsabteilung fanden wir
eine Zeichnung für eine moderne Maschine, die mit elektrischen Sensoren und
Modulen arbeiten sollte – also viel moderner und flexibler. Die Techniker waren
erst skeptisch, ob das überhaupt funktionieren würde. Trotzdem entschieden sich
der neue Geschäftsführer und der technische Leiter, das Risiko einzugehen und
die neue Technik auszuprobieren. Sie arbeiteten dafür auch mit externen
Entwicklern zusammen.
Der erfolgreiche Turnaround
Nach gut
zwei Jahren war es geschafft: Die neue Technologie funktionierte, und wir
verkauften die erste Anlage an einen Joghurthersteller. Die Investition zahlte
sich aus – schließlich veräußerten wir Hamba für rund 18 Mio. € an einen
Wettbewerber. Das war unser erster großer Turnaround-Erfolg.
Nächste Woche schildern wir unseren ersten Ausflug in den Großanlagenbau und was dabei schieflief.
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