Ein paar Wochen vor der Wahl hatte ich unseren letzten Aktionärsbrief mit dem Motto "Was tun?" an einige Spitzenpolitiker der Parteien geschickt. Geantwortet haben allerdings nur Herr Lindner (ausführlich) und Herr Schulz:
Sehr
geehrter Herr Scholz,
besten
Dank für Ihre Nachricht. Eine ganze Reihe von Punkten Ihrer Analyse kann man
nur unterstreichen, andere wären eine längere Diskussion wert.
Zu
Ihren Maßnahme-Vorschlägen: Ein Negativ-Steuersystem begrüßen und fordern wir.
Wir nennen das "Bürgergeld". Es ist auch ein Weg, Menschen
schrittweise aus der Arbeitslosigkeit zu führen.
Jetzt
trennen sich unsere Wege: Denn sehe ich auch darüber hinaus bei höheren
Einkommen die Notwendigkeit, bei Steuern und Sozialabgaben die Belastung zu
reduzieren. In der Mittelschicht müssen die Asset-Klassen Immobilie (nicht
überall haben wir eine Blase) durch Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer und
Wertpapier (durch Schaffung einer steuerfreien Spekulationsfrist) attraktiver
werden. Wie Sie richtigerweise sagen, darf die Sparquote nicht in Richtung von
Staatsanleihen und Sparbuch gehen. Dies alles wäre ein Beitrag, um die
Vermögensverteilung zu korrigieren.
Ihre
Gegenfinanzierungsvorschläge überzeugen mich noch nicht. Die Bedingungen für
private Investitionen, an denen es hierzulande mangelt, werden dadurch nicht
besser. In den öffentlichen Haushalten wird bereits stark investiert, da sind
wir im Hoch- und Tiefbau bald an der Auslastungsgrenze. Eine beliebige
Erhöhung gelingt nicht. Auch konjunkturpolitisch ist zu fragen, ob man jetzt
noch weiter auf dieses Gaspedal treten sollte. Ich persönlich befürworte es,
aber in bestimmten Bereichen: Digitalisierung der Schulen, Glasfaserausbau.
Finanzieren würde ich über einen Verkauf von Post und Telekom aus dem Staatsbesitz.
Beim
Euro lehne ich Ihren Therapievorschlag Transferunion ab. Ich sehe auch nicht,
dass es den schwächeren Mitgliedern an Kapital fehlen würde. Die Programme aus
Brüssel werden nicht abgerufen. Die Investitionsbedingungen stimmen nicht. Aber
keinen dauerhaften Finanzausgleich. Den Austritt aus dem Euro wünscht sich aber
ebenfalls niemand. Deshalb muss es einen dritten Weg geben, die Regeln der
Euro-Zone wieder verbindlich zu machen, Staateninsolvenzen zu regeln etc.
("Saures") und ggf. gemeinsame Investitionsfonds zu schaffen, die
aber zweckgebunden Investitionen finanzieren ("Süßes").
Viel
mehr wäre zu schreiben, aber nun landet mein Flugzeug. Betrachten Sie dies als
ein unvollkommendes Feedback auf Ihre Gedanken, damit Sie in etwa ahnen können,
wo wir in dieser Debatte stehen.
Beste
Grüße
Christian
Lindner
----------------------------------------------------
Christian
Lindner MdL
Bundesvorsitzender
der FDP
Vorsitzender
der Landtagsfraktion und
des
Landesverbands der FDP in NRW
Landtag
Nordrhein-Westfalen
Platz
des Landtags 1
40221
Düsseldorf
Lieber Herr Scholz, herzlichen Dank für Ihren
Aktionärsbrief. Martin Schulz hat mich gebeten, Ihnen dafür zu danken und Sie
herzlich zu grüßen. Lassen Sie mich die Antwort mit einem Satz zusammenfassen:
interessant. Herzliche Grüße Hermann Zimmermann
HERMANN ZIMMERMANN
stv. Abteilungsleiter
Abteilung Politik
Referatsleiter Nachhaltige Wirtschaft
Referent für Wirtschafts- und Verkehrspolitik
SPD-Parteivorstand
Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstraße 141
10963 Berlin
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen