Das Sitzen war genauso qualvoll wie die beiden Male davor. Die ersten
sieben Tage hatte ich zur Abwechslung fünf Stunden Karotten in der Küche
geschnippelt. Eine heilsame Erfahrung. Allerdings waren wir im Laufe der Zeit
zu viele freiwillige Helfer geworden. Meine Versuche, die Prozesse zu
verbessern, stießen dabei auf Ablehnung. Einmal mehr musste ich die Erfahrung
machen, dass sich die Arbeit immer auf die verfügbare Zeit ausdehnt. Gibt es
wenig zu tun, wird alles ein wenig umständlicher bzw. langsamer erledigt.
Also zurück zum zehnstündigen Meditieren in der Halle ohne die
Küchenarbeit. Beim Vipassana- Meditieren lernt man zwei Dinge:
Sich zu konzentrieren und Gleichmut zu entwickeln. Die Fähigkeit, sich zu
konzentrieren, hilft bei allem im Leben. Insbesondere auch bei Entscheidungen
unter großer Unsicherheit, wie es das Investieren nun einmal ist. Das
eigentlich Besondere dabei ist aber die Gleichmut, die man entwickelt, wenn man
die Schmerzen des langen Sitzens erduldet. Auch löst das Beobachten des eigenen
Körpers beim sogenannten "Body scan" zu Anfang erst einmal starke
Schmerzen und unangenehme Empfindungen aus. Egal, ob es sich dabei um Verletzungen
aus der Vergangenheit oder gespeicherten Ärger handelt: Wenn man eine Weile
zuschaut, verschwindet der Schmerz wieder. Alles vergeht. Nichts ist von Dauer.
Dem Glück des Menschen stehen zwei Dinge entgegen: Das Verlangen und der
Ärger, wenn die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollen. Selbst wenn man sich
vornimmt, frei davon zu sein, wird man immer wieder von seinen im
Unterbewusstsein gespeicherten Empfindungen übermannt. Und man regt sich trotz
aller besten Vorsätze wieder auf, wenn zum Beispiel der Partner etwas Falsches
sagt. Dieses sich Aufregen wird im Körper gespeichert und beim nächsten Mal
wieder unbewusst abgerufen, was zu einer Vervielfältigung des Elends führt.
Abgesehen davon, dass sich durch das eigene Aufregen der andere natürlich
hinterher auch schlecht fühlt. Eine Kette ohne Ende. Beobachtet man dagegen mit
Gleichmut den eigenen Körper, lösen sich die Verspannungen und man bekommt die
Chance, sich in Zukunft einmal weniger aufzuregen.
Im positiven Sinne hatte ich den Körper als Speicher für mein
Selbstbewusstsein genutzt, eine Technik, die ich dem NLP entnommen hatte. Immer
wenn ich für eine Verhandlung Selbstbewusstsein brauchte, kniff ich mich an
einer bestimmten Stelle, nachdem ich dies Gefühl entsprechend vorher verankert
hatte. Das geht einfach so: Man stellt sich eine Situation aus der
Vergangenheit vor, in der man voller Selbstbewusstsein war und setzt sich
dann im Körper einen Anker. Immer wenn nötig, kann man dann später - wie der
sprichwörtliche Pawlow'sche Hund - eine entsprechende Reaktion abrufen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen