Unendlich viele. Zu den katastrophaleren gehört der mangelhafte
Auftragseingang, den wir bei der Übernahme eines größeren Automobilzulieferers
übersehen haben. Das Umsatzwachstum der letzten Jahre hatte uns geblendet. Die
Qualitätsprobleme bei den Neuanläufen führten zu der Auslistung als Zulieferer
bei wichtigen OEM-Kunden. Aufgrund der Verzögerung zwischen Auftragseingang,
Serienanlauf ("SOP") und Umsatzgenerierung hatten wir dies übersehen.
Heute prüfen wir die Entwicklung des Auftragseingangs und -bestandes mindestens
der letzten zwei Jahre nach Monaten, idealerweise grafisch aufbereitet.
Häufig waren wir auch zu optimistisch, was die Marktentwicklung
anbelangt: was haben Küchenstudioketten, Aluminiumfolienhersteller oder
Auftragsfertiger für Telekom gemeinsam? Rückgänge im Umsatz führten dazu, dass
wir mit allen unsern Kostensenkungen im Ergebnis trotzdem nicht über die
Nulllinie kamen. Heute achten wir darauf, dass das Unternehmen "Pricing
Power" hat: Es wird nicht alle Kunden verlieren, wenn es den Preis einmal
um 5 % erhöht, um zum Beispiel gestiegene Materialpreise zu kompensieren.
Typischerweise sind diese Unternehmen in technischen Nischen tätig, wie einige
der Maschinenbauer, die wir übernommen haben, oder sind über Kanban-Prozesse eng
mit der Kundenfertigung verknüpft (z. B. unser Produzent für Elektrolaminate
K+S GmbH.)
Auch sollte sich der Deal für den Erwerber lohnen, in einigen
Fällen haben wir im Eifer des Gefechts zu viel Schulden akzeptiert, mit der
Erwartung, wenn zu wenig Cash Flow erwirtschaftet wird, nachverhandeln zu
können. In der Regel klappte dies jedoch nicht. Wir hatten dabei wohl unsern
Verhandlungsspielraum falsch eingeschätzt. So haben wir z.B. bei der Hering
Wärmetauscher fast 15 Jahre nur für die Banken gearbeitet und auf jede Form von
Dividenden verzichtet. Heute achten wir darauf, dass wir nicht zu viel für
unsere künftige Arbeit vorab bezahlen (z. B. in Form eines Kaufpreises oder in
der Übernahme von zu viel Schulden).
Wichtig ist auch, dass man sich Gedanken über den Cash-Flow Zyklus
des Geschäfts macht: ein Bekleidungshersteller, der nur zwei Kollektionen im
Jahr über die eigenen Läden verkauft, muss fast einen halben Jahresumsatz
vorproduzieren, wenn man den durchschnittlichen Orderzyklus von 180 Tagen in
der Beschaffung aus Asien mit berücksichtigt. Dies haben wir bei unserer ersten
Übernahme in der Branche glatt übersehen. Die Lieferanten fordern zumindest
einen Aval oder "Letter of credit", den die Banken in der
Anfangsphase der Sanierung sicherlich nicht ohne eine Barhinterlegung von
möglicherweise 1:1 auslegen werden. Ähnliches gilt für Anzahlungsbürgschaften bei
Projektgeschäften. Obwohl der typische Kunde eines Maschinenbauers einen Teil des Kaufpreises vorab bezahlt, erwartet er als Sicherheitsleistung einen Anzahlungs-Aval. Banken oder Versicherungen werden diese Bürgschaft aber nur mit
einer teilweisen Hinterlegung dieser Mittel auslegen. Diese Mittel stehen dann
nicht zur Verfügung, um die notwendigen Vormaterialien zu beschaffen.
Auch sollte man die Rolle von Kreditversicherern verstehen. In
Europa gibt es nur drei: EulerHermes, Coface und Atradius. Diese entscheiden
häufig über das Schicksal der neu gekauften Gesellschaft. Setzen diese die
Kreditlinie nach der Übernahme auf
null, weil zum Beispiel der Konzernverbund wegfällt, dann verlangen die
Lieferanten bei Bestellungen plötzlich Sofortkasse. Dies treibt das
erforderliche Finanzierungsvolumen in die Höhe und hat häufig die Insolvenz zur
Folge. Heute nehmen wir die Kreditversicherer sehr Ernst und suchen aktiv das
Gespräch, um durch gezielte Informationen Unsicherheiten zu nehmen und klar den
Eindruck zu vermitteln, dass die Gesellschaft eine Zukunft hat.
Generell sollte man Verkäufern gegenüber nach dem Motto verfahren:
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Auch der vermeintlich honorige
Schwabe, verheiratet mit einer Ärztin, kann sich als jemand entpuppen, der
unbezahlte Rechnungen einfach in der Schublade entsorgt hat (natürlich waren
sie vorher nicht gebucht worden). Wir haben daraus gelernt, immer mit den Originalzahlen
(z.B. BWA's, Kontoauszüge, Geschäftsberichte zu arbeiten), statt uns nur auf Excel basierte Controllingauszüge zu verlassen. Vor Betrug bleibt man allerdings nicht
gefeit. Bei schlechtem Bauchgefühl sollte man von der Transaktion die Finger
lassen und bei nachweislichen Falschaussagen auch den Vertragsrücktritt ins
Auge fassen (alle Antworten sollte man vor diesem Hintergrund auch sorgfältig dokumentieren und den
elektronischen Datenraum sich als CD geben lassen).
Auch eine von den großen Vier geprüfte Bilanz muss nicht richtig
sein. Ein Prüfungsleiter in Süditalien ist ganz anderem Druck ausgesetzt, wenn
er die Bilanz nicht testiert, obwohl weder die Vorräte, noch die Kasse
oder die Forderungen überhaupt vorhanden sind. Auch lässt das Prüfungshonorar
die Fahrt auf die Baustelle nicht zu, um den tatsächlichen Baufortschritt
wirklich beurteilen zu können. Das heißt, alle angearbeiteten Leistungen (im
Anlagenbau oft gewinn bestimmend) sind nur auf Basis von Material- und
Zeitbelegen ermittelbar, lassen aber kein Bild über die tatsächliche technische
Umsetzbarkeit und kaufmännische Abrechenbarkeit zu.
Wir haben im Laufe der Zeit versucht, eine Checkliste zu erstellen, die auf den Lernerfahrungen aus unsern Fehlern beruht. Dabei sollte man sich darauf konzentrieren, die erfolgsentscheidenden Mängel auszuschließen. Dies kann je nach Geschäft und Verkäufermotivation unterschiedlich sein. Oft lohnt es sich auch, die finanzielle Lage des Verkäufers zu untersuchen. Jemand, der selbst in der Krise steckt, neigt in seiner Verzweiflung eher dazu, unrechtmäßige Dinge zu tun.
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