Montag, 29. November 2021

Inflation oder Deflation?

Die Gesamtschulden der industrialisierten Länder und China betragen heute über 400 % des Bruttosozialprodukts und sind nur bezahlbar, solange die Zinsen nahe bei null bleiben. Die Aufwendungen der USA für Zinsen und für die Pensionäre (die eine zusätzliche, versteckte Schuldenlast bedeuten) übersteigen mittlerweile die Steuereinnahmen. US-Staatsschulden sind in zwei Jahren um 30 % auf 130 % des Bruttosozialproduktes hochgeschnellt. Sie befinden sich damit auf dem Niveau des Zweiten Weltkrieges, wie die folgende Übersicht von Lyn Alden zeigt: 

 


 

Noch höher ist die Verschuldung der privaten Haushalte und der Unternehmen in den USA: nämlich doppelt so hoch. Zwar reduzierten sich die privaten Schulden seit der Finanzkrise um 20 %, sie sind aber nach wie vor noch auf dem höchsten Niveau der letzten 100 Jahre.

Da Staatsschulden eigentlich nie getilgt werden, findet ein Abbau nur statt, wenn die Zinsen niedriger sind als das Wirtschaftswachstum. Insofern kommt die Inflation den USA nicht ganz ungelegen, so findet der Schuldenabbau schneller statt.

Um die US-Inflationsrate von derzeit 5 % wirksam zu bekämpfen, müssten die Zinsen um 5 % höher als im Augenblick sein (Staatspapiere mit 5 Jahre Laufzeit sind bei ca. 1,3 %).

Da dies die privaten Haushalte aber in den Bankrott treiben würde, ist eine nachhaltige Zinserhöhung faktisch ausgeschlossen. Paul Volker bekämpfte die hohen Inflationsraten in den US in den 70’er Jahren (mehr als 10 %) mit Zinsen, die deutlich darüber lagen. Damals waren die privaten Schulden weniger als halb so hoch, trotzdem kam es zu einer schweren Rezession der US-Wirtschaft.  

So beschränkt sich die Politik der US-Zentralbank auf ein Management der Erwartungen. Es wird von einer möglichen Zinserhöhung im nächsten Jahr gesprochen, allerdings sind homöopathische 0,25 % angedacht.  Und stellt eine Reduzierung der Aufkäufe festverzinslicher Wertpapiere durch die US-Notenbank (QE) in Aussicht. Die Aufkäufe dienen dabei zur Vermeidung von Negativzinsen und reduzieren das effektive Zinsniveau um zusätzlich ca. 2 %. Gleichzeitig werden die Finanzinstitute gezwungen, zur Sicherheit mehr festverzinsliche Wertpapiere zu halten, was ebenfalls der Reduzierung des Effektivzinses dient.

Die Frage bleibt, ob die US-Inflation nur temporär so hoch ist, wie die US-Zentralbank zu Anfang behauptete. Sie sprach davon, dass die erhöhte Nachfrage nach Konsumgütern dank der Beendigung der Covidrestriktionen auf ein - Virus bedingt - reduziertes Angebot traf. Das folgende Bridgewater Schaubild zeigt allerdings, dass das Angebot an Gütern höher als 2019 ist und dass die gestiegene Nachfrage den Inflationsanstieg verursacht:

 



In der lesenswerten Analyse wird darauf hingewiesen, dass der Inflationsschub in den USA erst am Anfang steht. Genannt werden zwei Gründe: die höheren Immobilienpreise, die erst mit einer Verzögerung Mietsteigerungen zur Folge haben, die direkt Eingang finden in den Konsumpreisindex CPI. Und das hohe Angebot an offenen Stellen, das erst nach einiger Zeit zum Ausgleich höhere Löhne erfordert. Grundsätzlich lässt sich nicht vorhersagen, ob höhere Inflationsraten von Dauer sind oder ob sich die Lage nach einiger Zeit wieder beruhigt. Unklar ist auch, ob die US-Regierung weitere Mehrausgaben zum Ausgleich der wachsenden Ungleichheit umsetzen kann. Ohne (nur schwer durchsetzbare) Steuererhöhungen riskiert die Regierung dabei, die Inflation erst richtig anzufachen. 

 

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