Montag, 3. November 2025

Fallstudie: Rund-um-die-Uhr-Dienst mit Betriebsrat?

Die Fallstudie zeigt, wie schwer es ist, ein mittelständisches IT-Servicegeschäft profitabel zu führen, wenn Fixkosten, ein starker Betriebsrat und hohe Kundenansprüche aufeinandertreffen. Und wie schnell vermeintlich gute Exit-Optionen sich in Luft auflösen können.

Ein riskanter Einsatz

Unser vierter Unternehmenskauf im Jahr 2004 war Neef IT Solutions AG. Für diese Firma haben wir zum ersten Mal wirklich eigenes Geld eingesetzt: 1,4 Mio. € – das ganze Geld, das wir bis dahin gemeinsam verdient hatten! Die Firma arbeitete an der Gewinnschwelle und unsere Anteile hatten somit höchstens einen Optionswert.

Neef IT brachte zwar rund 2 Mio. € Liquidität mit. Dieses Geld durften wir aber nicht einfach zur Tilgung des Verkäuferdarlehens verwenden – das Verbot der ‘Financial Assistance’ untersagt, dass ein Unternehmen seinen eigenen Erwerb finanziert. Unsere Lösung: Wir verschmolzen die Zwischenholding mit Neef IT, sobald der Betriebsrat zugestimmt hatte, und führten die Mittel anschließend als zulässige Darlehensrückzahlung ab.

Ganz reibungslos lief das nicht. Beim Handelsregister erklärte uns der Richter, die Verschmelzung erfordere die Zustimmung des Betriebsrats. Also präsentierten wir das Vorhaben als willkommene Chance, den ungeliebten Firmennamen zu ändern – ein Wunsch, den die Belegschaft ohnehin hatte. Mit diesem Argument erhielten wir das notwendige Votum.

Widerstand gegen unsere Strategie

Solche Finanzstrukturen erklären, warum Private-Equity-Investoren oft in der Kritik stehen: Wird Fremdkapital aufgenommen, nur um es anschließend an die Gesellschafter auszuschütten, kann das ein Unternehmen empfindlich schwächen. Unser damaliger Geschäftsführer sah das genauso – er wollte die Liquidität im Betrieb halten und war von unserem Plan alles andere als begeistert.

Überhaupt stellten wir fest, dass es in all unseren Firmen immer wieder schwierig war, Gewinne an die Gesellschafter auszuzahlen. Ein entsprechender Beschluss war schnell gemacht, aber bis das Geld tatsächlich ausgezahlt wurde, gab es oft lange Diskussionen.

Unser Eindruck verfestigte sich, dass der Vorstand – trotz aller bisherigen Sanierungserfolge – zu sehr auf Konsens bedacht war. Also entschied ich mich, temporär die Geschäftsleitung zu übernehmen. Ich erinnere mich an drei Monate, in denen ich täglich im McDonald’s nebenan saß, einen Fish Mac mit Salat aß und vergeblich nach neuen Aufträgen suchte.

Personalkosten runter mit Betriebsrat?

Neef IT installierte Netzwerke und Kassensysteme für Geschäfte und Fabriken. Die Kunden verlangten Service rund um die Uhr. Der Betriebsrat bestand darauf, dass jede Bereitschaftsstunde als normale Arbeitszeit bezahlt wurde. Das machte unsere Personalkosten sehr hoch – aber um langfristig Gewinne zu machen, hätten wir diese Kosten senken müssen.

Als es zur Entscheidung kam, plädierte der Betriebsrat am Hauptsitz mit über 130 Mitarbeitern gegen Lohnkürzungen und stimmte stattdessen 13 Entlassungen zu. Er selbst genoss Kündigungsschutz, während er von den Lohnkürzungen persönlich betroffen war. In der viel kleineren Niederlassung in Hannover zeigte sich der Betriebsrat dagegen solidarisch und wollte keine Kollegen entlassen.

Bei den Gesprächen mit dem Betriebsrat ging es nicht nur darum, wie viele Arbeitsplätze gestrichen werden sollten, sondern auch darum, wie sicher die restlichen Jobs in Zukunft sein würden. Gerade wenn ein Unternehmen saniert werden muss, arbeitet der Betriebsrat oft mit der Geschäftsführung zusammen, um das Unternehmen langfristig zu retten. Ein kluger Sanierungsplan sollte dabei immer etwas Spielraum für Verhandlungen lassen, damit der Betriebsrat später gegenüber den Mitarbeitern zeigen kann, was er für sie erreicht hat.

Der gescheiterte Verkauf

Auch nachdem wir einen erfahrenen IT-Manager als Geschäftsführer eingestellt hatten, wurde der Umsatz nicht besser. Es zeigte sich, dass ein kleiner IT-Dienstleister kaum Gewinne machen kann, wenn 9 von 130 Mitarbeitern als Betriebsrat unkündbar sind und wenig zur Wertschöpfung beitragen. Jede Bereitschaft oder Dienstreise verursachte hohe Überstundenkosten und insgesamt waren wir einfach zu klein, um überall in Deutschland ständige Bereitschaft anbieten zu können. Am Ende beschlossen wir, die Firma zu verkaufen.

Weil wir in der Vertraulichkeitsvereinbarung kein Abwerbe- oder Anstellungsverbot verankert hatten, konnte der erste Kaufinteressent unser komplettes Vertriebsteam abwerben. Uns blieb am Ende nichts anderes übrig, als die Firma erneut für einen symbolischen 1 Euro zu veräußern.

Nächste Woche adressieren wir Turnarounds in der Serienproduktion.

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