Die drei Schwachstellen der Serienproduktion
Den größten gesellschaftlichen Stellenwert erreichten wir mit unseren Übernahmen von Serienlieferanten – Unternehmen mit oft mehreren Tausend Mitarbeitenden, die in hoher Stückzahl Teile produzierten, meist für die Automobilindustrie. Von der Mitarbeiterzahl und dem Umsatzvolumen her waren dies unsere größten Übernahmen. Hier erlebten wir unsere größten Rückschläge – aber auch unsere bedeutendsten Erfolge.
Die Serienproduktion in Europa ist besonders krisenanfällig und bietet damit ein hohes Potenzial für 1-€-Transaktionen:
Hoher Fixkostenblock: Serienfertigung erfordert erhebliche Investitionen in Maschinen, Werkzeuge und Personal. Bei Nachfragerückgang entstehen schnell hohe Verluste.
Margenschwaches Geschäft: Der Preisdruck der OEMs ist enorm. Viele Zulieferer arbeiten mit EBIT-Margen von unter 3 %. Schon geringe Volumenschwankungen können zu Verlusten führen.
Abhängigkeit von Einzelkunden: Viele Zulieferer hängen zu über 70 % von ein oder zwei OEMs ab. Fällt der Hauptkunde weg, ist das Geschäftsmodell schnell nicht mehr tragfähig.
Hinzu kommt der technologische und regulatorische Strukturwandel:
Elektromobilität und Digitalisierung verdrängen klassische Komponenten wie Gussteile und Abgasanlagen – viele Produkte werden schlicht nicht mehr gebraucht.
Steigende Anforderungen an Software und Elektronik überfordern viele traditionelle Zulieferer.
ESG-Druck und steigende Energiekosten machen CO₂-intensive Prozesse zunehmend unattraktiv.
Chancen aus Käufersicht
Für uns als Übernehmer bieten solche Unternehmen dennoch enormes Potenzial: Dank hoher Umsätze bedeutet jede erfolgreiche Maßnahme „eine Null mehr“ beim Hebel. Forderungen gegenüber OEMs sind meist werthaltig und können zur Finanzierung genutzt werden – oft mehrere Mio. € an Liquidität, die Zeit für die Sanierung verschaffen.
Fallstudie: Lose Flaschenhalter und ein Showdown am Zürcher Flughafen
Je länger der letzte Abschluss zurückliegt, desto größer wird mitunter die Bereitschaft, auch riskantere Vorhaben einzugehen. Dieser Deal wurde zu unserer teuersten Lernerfahrung, legte aber zugleich den Grundstein für unsere größten Erfolge bei Serienfertigern.
Wir waren jedenfalls sehr stolz, als wir im dritten Jahr unserer Geschäftstätigkeit den Automobilzulieferer Paulmann & Crone übernahmen – mit fast 1.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 100 Mio. €.
Im Kaufvertrag versprachen wir der Schweizer Verkäuferin, in den ersten drei Monaten keine Insolvenz anzumelden. Auch darüber hinaus übernahmen wir Haftungen für Vermögensschäden. Im Gegenzug stattete die Verkäuferin das Unternehmen mit acht Mio. € aus, um erwartete Verluste zumindest teilweise aufzufangen.
Was sollte da schon schiefgehen?
Noch am Tag der Übernahme beglich die Geschäftsleitung alle Forderungen der ehemaligen Holding und der nicht verkauften Schwestergesellschaften – die Kasse war plötzlich um die Hälfte leer. Wir setzten daraufhin einen ehemaligen McKinsey-Berater als neuen Geschäftsführer ein, der uns noch weitere Überraschungen bereiten sollte.
Leider hatten wir den schwachen Auftragseingang übersehen. Die Wachstumszahlen der letzten Jahre hatten uns getäuscht, und Qualitätsprobleme bei neuen Projekten führten dazu, dass wichtige OEM-Kunden uns von ihrer Lieferantenliste strichen.
Unser neuer Geschäftsführer zeigte seine Liebe zum Detail, als er dem Entwicklungsleiter während eines Werksgangs sagte, dass sein Vorschlag zur Lösung des abfallenden Deckels beim BMW-Flaschenhalter ohnehin nicht funktionieren würde. Ein paar Tage später fuhr er mit seinem Porsche vor und verkündete die Schließung in Emden, dem kleinsten von vier Standorten. Die Mitarbeiter traten daraufhin in einen unbefristeten Streik.
Die Lage eskalierte schnell, und ich erhielt wütende Anrufe in München. Die Produktion bei Volkswagen, unserem wichtigsten Kunden, drohte stillzustehen, da unsere Teile fehlten.
Wir entschieden uns, den Geschäftsführer zu entlassen. Doch noch am letzten Tag der vereinbarten 90-Tage-Frist meldete er Insolvenz an – für uns völlig überraschend. Wir standen vor der Frage, welche Ansprüche die Verkäuferin gegen uns geltend machen konnte.
Wie kommen wir aus dieser Falle wieder heraus? Mehr nächste Woche...
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