Dienstag, 30. April 2024

Argentinien wird scheitern - sind wir besser dran?

Das Problem in Argentinien sind die Auslandsschulden. Diese betragen 40 % der Wirtschaftsleistung. Der eingeschlagene Sparkurs der neuen Regierung unter Milei reduziert die Nachfrage im Inland und die Wirtschaftsleistung sinkt. Damit steigt zugleich die Quote der Auslandsschulden, was die Bedienung der Kredite erschwert. Das Land importiert mehr, als es ausführt, was historisch zu steigender Auslandsverschuldung führte. Die staatlichen Schulden mit 85 % der Wirtschaftsleistung sind nicht das Problem.  Andere Industrieländer, wie z.B. die USA sind mit 120 % der Wirtschaftsleistung höher verschuldet. Mit dem eingeschlagenen Sparkurs sinkt auch die Importquote, was bei stabilen Exporten zu einer Reduzierung der Neuverschuldung führt. Es überwiegt aber wohl der Schrumpfungseffekt und die damit steigende Verschuldungsquote. 

Staatliche Schulden sind nur ein Problem, wenn das Land im Ausland verschuldet ist. Diese lassen sich nicht einfach z.B. durch das Drucken von Geld beseitigen. Musterbeispiel sind die Reparationsschulden, mit denen Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg belastet war. Mit Aufnahme neuer Schulden im Ausland boomte die deutsche Wirtschaft zunächst und es konnten Reparationszahlungen geleistet werden. Durch Ausgabe von Schuldverschreibungen lösten private US-Dollar Schulden die staatlichen ab. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise in den USA sank jedoch das Vertrauen ins Ausland. 

Neue Dollarkredite gab es keine mehr und alte Schulden mussten beglichen werden. Vertrauensverlust, Abwertung der Mark und das Drucken von immer mehr Geld führten zum Kollaps der deutschen Wirtschaft. Ein Drittel der Arbeitnehmer wurde arbeitslos und Hitler übernahm die Macht. Die neue Regierung stoppte die Zahlung aller Auslandsschulden (die Reparationsschulden wurden prompt erlassen) und kurbelte durch staatliche Nachfrage ("Autobahnbau") die deutsche Wirtschaft an und beseitigte so die Arbeitslosigkeit. Die Inlandsschulden verschwanden durch die Inflation. 

Eine Steigerung der Exporte zur Ankurbelung der Wirtschaft oder Senkung der Verschuldung, wie es die Deutschen heute predigen, ist auf Dauer nicht möglich. Das zeigt das chinesische Beispiel.  Eine noch höhere Exportquote als 14 % vom Welthandel lassen die Abnehmerländer nicht zu. Sie reagieren mit mehr Protektionismus auf die Aushöhlung der eigenen Industrie als Folge steigender Importe - Nachfrage, die für inländische Produzenten verloren geht. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist nur durch eine Steigerung der Binnennachfrage möglich.

Deutschland hat keine Auslandsschulden, dafür wächst unsere Wirtschaft nicht. Genauso wie die Chinesen sparen wir zu viel und konsumieren zu wenig. In Deutschland könnten Zukunftsinvestitionen zur Nachfragesteigerung beitragen, z.B. mehr Geld für die Bildung. In China würde eine höhere Rente den Wohlstand im Alter sichern und eine bessere Krankenversicherung die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen erhöhen und damit die heimische Wirtschaft fördern. Aus Angst vor der Zukunft sparen die Chinesen fast die Hälfte ihrer Einkommen. Maßnahmen zur Erhöhung des Konsums sollten so gestaltet sein, dass nicht nur die Nachfrage nach ausländischen Gütern steigt. Sonst profitiert nur die Wirtschaft dieser Länder davon.

Fazit: Schulden werden nie getilgt, eine Entschuldung findet nur statt, wenn die Wirtschaft nominal stärker wächst als die Zinslast und die Neuverschuldung. Eine Verschuldung im Inland gleicht ungedeckten Pensionszusagen. Diese können einfach gestrichen werden. Ein Verteilungsproblem. Der Ausgleich von Schuldner - und Gläubigerinteressen ist eine politische Entscheidung. Mit dem Kauf der Schuldentitel durch die Notenbanken verschwinden die Kredite. Auch das künstliche Niedrighalten der Zinsen entlastet die Schuldner. Inflation oder Abwertung der Währung können aber die Konsequenz sein, wie das Beispiel Japan zeigt. Devisenkontrollen und Vorschriften, in welche Schuldenpapiere Inländer investieren dürfen, können die Folge sein.

Dienstag, 23. April 2024

BAVARIA Industries nimmt Abschied von der Börse...

Nach gut 18 Jahren an der Börse haben wir gestern die Kündigung verschickt. Ich bin erleichtert. Mit einem Streubesitz von 4 % macht die Börsennotiz keinen Sinn mehr. Den Aktionären bleiben noch drei Monate, um ihre Anteile zu verkaufen. Nach dem 19. Juli ist ein Verkauf nur noch privat möglich. Die Gesellschaft führen wir seit ein paar Jahren ohnehin wie eine Vermögensverwaltung. Mit einer Mischung aus Bargeld, Gold, Rohstoffen und Aktienwetten liegt der Fokus auf Kapitalerhalt. Als Anleger sollten man den Vermögens-Mix dagegen abhängig von den eigenen Zielen selbst bestimmen und in Unternehmen investieren, deren Strategie klar auf Wachstum oder Dividenden ausgerichtet ist. Sonst akzeptiert man zusätzliche Verwaltungskosten und einen Discount zum Nettovermögen, mit dem ähnlich diversifizierte Holding-Gesellschaften üblicherweise notieren.

Würden wir nochmal an die Börse gehen? 

Der Börsengang Anfang 2006 kostete uns knapp EUR 1 Mio. und brachte EUR 11 Mio. Kapital. Das Geld benötigten wir nicht. Bereits in den ersten zwei Jahren kehrten wir diesen Betrag in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre aus. Insgesamt flossen rund EUR 150 Mio. an die Aktionäre.  Der Aufsichtsrat und die fehlende Kenntnis der Börsenanforderungen kosteten uns viel Zeit. Anfangs hatten wir viel Respekt vor der Börse und beantworteten beispielsweise jede Frage der Aktionäre, statt an die Hauptversammlung zu verweisen.   

Ich weiß nicht, ob uns die Notiz beim Erwerb von Firmen half. Vielleicht war es unser guter Ruf? Ausschlaggebend war wohl eher die Direktansprache und viele Vorstellungsgespräche bei Konzernen und (noch wichtiger) bei M&A Vermittlern. Bei der Restrukturierung führte der Blick auf die gefüllte Unternehmenskasse zu mehr Begehrlichkeiten und zusätzlichen Verhandlungsrunden.

Enttäuschungen blieben nicht aus. Schon nach der offiziellen Roadshow begann mein Mitgründer, seine Anteile mithilfe des IPO-Beraters zu verkaufen. Kurz nach Notizaufnahme wurden wir durch einen Shortseller mit erstaunlichem Insider-Wissen öffentlich angezählt. Der Börsenkurs lag nie mehr über dem Wert der Beteiligungen. Also die Kehrtwende: keine Werbung mehr, sondern Aktienrückkäufe unter Substanzwert. Durch Zukäufe verdoppelte ich meinen Anteil am Unternehmen und erzielte damit eine Rendite von knapp 20 % p.a. Ohne die Börsennotiz hätten meine Mitgesellschafter vielleicht höhere Kaufpreise erwartet. 

Die Klage des Aufsichtsrates traf mich, als ich nach einem Radunfall im Krankenhaus lag. Ich hatte einen der Aufsichtsräte im Namen der Gesellschaft auf Schadensersatz verklagt. Den Prozess wegen Fehlberatung beim Unternehmenskauf verloren wir gleichwohl. Ohne die Börsennotiz wäre es nicht zu der teuren Klage gekommen, die der Aufsichtsrat auf Kosten der Gesellschaft führte.  

Das deutsche Aktienrecht ist zu kompliziert und führt dazu, dass nur wenige Unternehmen in Deutschland öffentlich gehandelt werden. So müssen bei Unternehmensabspaltungen stille Reserven vom Unternehmen versteuert werden, statt dass die künftigen Aktionäre ihre Gewinne selber versteuern. Jede Maßnahme, wie zum Beispiel ein Reverse-Aktiensplitt, unterliegt dem Risiko jahrelanger Anfechtungsklagen auf Kosten des Unternehmens. 

Statt beim Squeeze-out den zuletzt gezahlten Kurs als fair zu erachten, müssen drei Gutachten eingeholt werden. Trotzdem findet in der Regel ein Schiedsverfahren statt - die Gesellschaft trägt die Kosten. Rechtsanwälte haben sich darauf spezialisiert, nach Bekanntmachung der Maßnahme eine Aktie zu kaufen und die Gesellschaft mit Klagen zu überziehen. Kosten und Zeitaufwände können sie dem Unternehmen in Rechnung stellen. Das Ganze kann wie im Fall der HypoBank 15 Jahre dauern! Wen wundert es, dass die Unternehmen die Handelsnotiz einstellen und danach die Minderheitsaktionäre ein Schattendasein fristen. 

Als Abschiedsgeschenk fordert die deutsche Börse von uns knapp EUR 50.000, weil wir zum geforderten Termin vor zwei Jahren einen Geschäftsbericht zunächst nicht testiert einreichten.

Dienstag, 21. November 2023

Wofür die Schuldenbremse?

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts fordern die Politiker neue Steuern und unser Finanzminister hat einen Ausgabenstopp verhängt. Das Verbot der Neuschuldenaufnahme* wurde 2009 in der Verfassung verankert, wohl um ein Vorbild für die verschuldeten südeuropäischen Länder zu sein. Leider ignorieren diese Länder uns. So beträgt z.B. die Neuverschuldung in Frankreich 5 % des Bruttosozialproduktes ("BSP").  

Die Deutschen sind mit einer Quote von 10 % Weltmeister im Sparen.  Was nur funktioniert, wenn jemand anders Schulden macht. Wirtschaftsleistung ist nichts weiter als die Summe aller Ausgaben. Sparen bedeutet eine Reduzierung des Bruttosozialproduktes, wenn keiner Schulden aufnimmt, um damit Ausgaben zu finanzieren. Die deutschen Unternehmen nehmen keine Kredite auf und der Staat darf nicht mehr ... Also leihen wir unser Geld den Amerikanern, die damit ihren Konsum finanzieren. Die Exporte in die USA erhöhen unsere Wirtschaftsleistung und bieten das wesentliche Ventil für die deutschen Ersparnisse (Europäer sind mittlerweile auch Nettosparer). Da Staatsschulden nie getilgt, sondern nur refinanziert werden, sammeln wir amerikanische Schuldentitel. Und finanzieren mit unseren Ersparnissen den amerikanischen Staatshaushalt. Das hohe amerikanische Staatsdefizit von 8 % der Wirtschaftsleistung führt zu einer verstärkten Inflation, die dafür sorgt, dass diese Papiere schnell den Wert verlieren.

Stattdessen könnten wir mit den Ersparnissen die Bundesbahn sanieren und Verspätungen abbauen, ein schnelleres Internet schaffen, sozialen Wohnungsbau zur Beseitigung der Wohnungsnot unterstützen oder Steuersenkungen finanzieren. Alle diese Maßnahmen kurbeln die Nachfrage in Deutschland an und erhöhten die Wirtschaftsleistung. Die geplanten Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen lassen unsere Wirtschaft dagegen noch mehr schrumpfen. Was die Schuldenquote erhöht (vorhandene Schulden im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt) - auch ohne Neuschulden!

Das Dogma der Schuldenbremse wird nicht infrage gestellt. Sonderausgaben wie zu Covidzeiten sind vom Verfassungsgericht ein Riegel vorgeschoben worden, da sie mit Recht dem Inhalt der damals mit 2/3 Mehrheit im Verfassungsgesetz beschlossenen Schuldenbremse widersprechen. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel heraus? Es bleibt nur die Einigung mit der Opposition, um diese völlig widersinnige Regel wieder loszuwerden. 

Ein anderes Dogma, keinen Fisch zu essen, trug im Mittelalter zum Verhungern der Wikinger-Kolonie in Grönland bei (1). Diese hatten sich in einer Wärmeperiode dort angesiedelt und ernährten sich ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht. Das Essen von Fisch wurde zum Tabu erklärt. Ein Verbot, dass sich diese junge Kolonie zum Unverständnis der dortig ansässigen Inuit leistete.  



*erlaubt sind Neuschulden in homöopathischer Dosis von 0,35 % des Bruttosozialproduktes

Dienstag, 14. November 2023

Ryman Healthcare - was haben wir falsch gemacht?

Seit unserem Einstieg bei dem Betreiber von Altenheimen hat sich die Bewertung gedrittelt.  Der Verkauf von Wohnungen in attraktiven Clubanlagen an Rentner auf Zeit hat seine Attraktivität behalten. Der Buchwert wuchs in den letzten fünf Jahren 20 % p.a. (von 21 % in zehn Jahren). Dieses hohe Wachstum wurde zu zwei Dritteln durch Vorauszahlungen ("Float") und zu einem Drittel durch Fremdkapital finanziert. Trotzdem wurde noch eine Dividende von 1 bis 2 % bezahlt. Als angesehener Marktführer machte das Management jedoch Fehler. Zu viele Entwicklungsprojekte wurden angestoßen, darunter die rasche Expansion in Australien und der Anteil an unprofitablen Pflegebetten wurde zu hoch angesetzt. Bei den Clubformaten wurde zu wenig auf den Deckungsbeitrag geschaut. Der Anstieg der Nettoverschuldung auf fast zwei Drittel vom Eigenkapital erforderte in diesem Jahr eine Kapitalerhöhung. Die Dividende wurde gestrichen und unser Anteil verwässerte sich um ein Drittel. Die Nettoverschuldung liegt nun bei NZD 2.3 Mrd. (50 % vom Eigenkapital) und erscheint angemessen.

Eine Clubanlage erzielt neun Jahre nach Kauf des Grundstückes den  Cash Break-even und die durchschnittliche Kapitalrendite beträgt 9 %. Durch den kostenlosen Float (1:1) und Fremdkapital (1:0,5) gehebelt, betrug die Eigenkapitalrendite im letzten Jahr 22 %. In 12 Monaten haben sich die Kosten der Verschuldung per Ende März um rund ein Drittel auf 5,4 % erhöht. Die Drittelung der Bewertung ist jedoch nicht gerechtfertigt, da die Eigenkapitalrendite noch mindestens das Zweifache der sonst erzielbaren Rendite beträgt. Diese marktübliche Rendite sehen wir bei 8 % (entspricht KGV von ca. 12). Für die Aktie bezahlt man 20 % weniger als Buchwert, während wir bei unserem Einstieg das mehr als 2,5-fache gezahlt hatten. Ryman profitiert dank der begonnen Bauvorhaben noch viele Jahre von der steigenden Nachfrage nach Altenheimplätzen.

Unter Berücksichtigung der gezahlten Dividende sind wir mit einem Drittel unseren Einsatzes im Minus (ca. EUR 4 Mio.). Erfolgreicher war unser Investment in den neuseeländischen Konkurrenten Summerset Group Holding. Der Buchwert wuchs 22 % p.a. in 5 Jahren. Die Gesellschaft erzielte diese hohe Wachstum ohne die Verschuldungsquote von ca. 50 % vom Eigenkapital zu erhöhen. Die Dividendenrendite beträgt 2,3 % und es gab keine Kapitalerhöhungen. Trotz der Halbierung der Bewertung seit unserem Einstieg liegen wir deutlich im Plus und konnten damit die Verluste bei Ryman mehr als ausgleichen.

Als Fazit bleibt, dass wir die Auswirkungen der höheren Zinsen auf die Rendite und insbesondere auf die Bewertungen unterschätzten. Hätten wir bei den hohen Bewertungen vor ein paar Jahren (mehr als das 3-fache vom Buchwert) einen Teil der Gewinne realisiert, hätten wir jetzt vielleicht den Mut noch nachzukaufen.

Freitag, 10. November 2023

Grupo Catalana - der weltbeste Versicherer?

Grupo Catalana ist weltweit die Nr.  2 im Oligopol der Kreditversicherer und die Nr. 4 bei den spanischen Sach- und Lebensversicherern. Die geringe Schadens- und Vertriebskostenquote ("Combined Ratio") von 72 % im Kreditversicherungsgeschäft Atradius im letzten Jahr (45 % vom Umsatz) erstaunt weniger als die geringe Kostenquote von 92 % im traditionellen spanischen Versicherungsgeschäft (55 % vom Umsatz). 


Die Prämieneinnahmen ("Float") ermöglichen die gewinnbringende Anlage der Mittel, da nur ein schrumpfendes Versicherungsgeschäft zur Rückzahlung führt. Warren Buffet freut sich in seinen Aktionärsbriefen, wenn das Combined Ratio unter 100 liegt und der Float damit nichts kostet. Die Anlage der Mittel deckt die Fixkosten ab und was übrig bleibt, ist Gewinn. Der Float beträgt EUR 13,5 Mrd. (ohne separierte Kundengelder) und entspricht fast dem vierfachen der Marktkapitalisierung von 3,6 Mrd. Zum 30.9. waren knapp 85 % des Floats in verzinsliche Anlagen investiert. Da die durchschnittliche Laufzeit 3,4 Jahre beträgt, wird die Gesellschaft in kurzer Zeit von den auf rund 4 % gestiegenen Zinsen profitieren. In den letzten Jahren wurde mit dem Float wenig verdient, so rechnen wir mit weiterem Ergebniszuwachs. Steigende Prämieneinnahmen verbessern die Auslastung und erhöhen die Margen bei dem noch kleinem spanischen Versicherer. Die Gesellschaft notiert mit einem KGV von unter 7. Die Aktie bekommt man mit 30 % Nachlass auf den Nettowert, während Berkshire etwas unter Verkehrswert notiert (1,4-fache vom Buchwert) und die Allianz Aktie mit 70 % Prämie gehandelt wird. Mit der gleichen 70 % Prämie hatte uns die Allianz auch bei der Übernahme von Euler Hermes abgefunden, der Nummer 1 unter den Kreditversicherern.

Das Nettovermögen der Catalana beträgt EUR 5,2 Mrd. und entspricht dem 1,4-fachen der Marktkapitalisierung. Das Nettovermögen hat sich in den letzten 20 Jahren trotz der gezahlten Dividende (die Rendite beträgt derzeit 3,4 %) verzehnfacht (12,5 % p.a.).

Da Versicherer hoch verschuldeten Hedgefunds gleichen, ist die Minimierung der Risiken entscheidend. Catalana gehört zu Zweidritteln dem Management und der Gründerfamilie. Entsprechend vorsichtig wird agiert. Dies zeigt sich unter anderen in der geringen Laufzeit des verzinslichen Wertpapierportfolios von 3,4 Jahren (versus 8,8 Jahre bei Allianz) und der Höhe des Eigenkapitals von 30 % (versus 6 % bei Allianz).   Bei der angesehenen Allianz sind die Kapitalanlagen mit dem 16-fachen des Eigenkapitals gehebelt, während der Hebel bei Grupo Catalana unter 3 liegt, wenn man den Verkehrswert der Nettoanlagen zugrunde legt.

Was kann schiefgehen?

Kreditversicherer kennen aufgrund der hohen Marktanteile das Zahlungsverhalten der Kunden genau und können zeitnah die Limits anpassen. Als Service veröffentlichen sie regelmäßig in aggregierter Form das Zahlungsverhalten jeder Branche. Für viele Lieferanten ist die Kreditversicherung essenziell, da sie sich ein Zahlungsausfall der Kunden in der Regel nicht leisten können. So haben die Regierungen zur Sicherung des Handels während der Covidkrise die Risiken der Kreditversicherer rück verbürgt. Insofern birgt nur das traditionelle Versicherungsgeschäft Risiken, die aber aus unser Sicht gut diversifiziert sind.

Zinsen können wieder fallen. Mittelfristig deutet die hohe Verschuldung der Industrienationen und die Notwendigkeit der Refinanzierung eher auf ein gestiegenes Zinsniveau hin. Auch führt der beginnende kalte Krieg mit China und die Kosten der geplanten Energiewende zu weiter steigenden Preisen. 

Aus unserer Sicht gleicht der Kauf einer Versicherungsaktie dem Erwerb einer Festgeldanlage; allerdings mit knapp vierfach gehebelter Rendite. Wir haben rund 20 % unserer Mittel in inhabergeführte Versicherer (darunter auch Berkshire) investiert. 


Freitag, 3. November 2023

Bolloré SE - ein günstiger Weg Universal Music zu erwerben?

Bolloré SE ("Bol") wird an der Börse mit rund EUR 15 Mrd. bewertet. Die 21 % Beteiligung an Universal Music (EUR 44 Mrd.) allein ist knapp EUR 9 Mrd. wert. Hinzu kommen Beteiligungen an gelisteten und ungelisteten Firmen (z.B. Canal Plus, Havas, Lagardere, Logistik und Energie) mit einem Wert von rund EUR 11 Mrd. (1, 2). Ein Holding Abschlag von 25 % auf den Nettowert ist allerdings nichts Ungewöhnliches. 


Interessant wird es, wenn man das Kleingedruckte im Geschäftsbericht der Bolloré liest. Der Firma selbst gehören nicht nur 35,5 % an der Mutter Compagnie Odet (der per Ende Dezember letzten Jahres 67,7 % an Bolloré gehörten), sondern auch knapp 50 % an den jeweiligen Obergesellschaften der Eigentümerpyramide. Dem geschäftsführenden Gesellschafter Vincent Bolloré gehören knapp die Mehrheit der Geschäftsanteile an den Zwischengesellschaften Sofibol, Financiere V und Omnium Bollore. Mit diesem Konstrukt sichert er sich die Kontrolle der Geschäftsanteile und minimiert den eigenen Kapitalaufwand. Die Frage ist, wie viel gehören ihm wirtschaftlich und wie hoch ist der Eigenbesitz von Bolloré SE?

Nach dem im Mai 23 abgeschlossenen Kauf eigener Aktien durch Bol (3,4 %), gehören der Compagnie Odet ("CO") 71,1 % an Bol. CO hält 57 % der Sofibol (71,1 % * 57 % = 40,5 %) und 35,5 % Bol selbst (71,1 % * 35,5 % = 25,2 %). Die Sofibol ist zu 51 % im Eigentum der Financiere V (51 % * 40,5 % = 20,7 %) und zu 49 % bei Bol (49 % * 40,5 % = 19,8 %). Die Financiere V gehört zu 50,1 % Omnium Bollore (20,7% * 50% = 10,4 %) und zu 49,9 Bol selbst (20,7 % *50 %= 10,3 %). Bei der Omnium gilt das gleiche: diese gehört zu 50,1 % der Bolloré Participations - einer 100 % Tochtergesellschaft der Familie Bolloré (10,4 %* 50 % = 5,2 %). Damit sind 60,5 % der Anteile im Eigenbesitz der Bol (25,2 +19,8 %+10,3 %+5,2 %). Korrigiert um den Eigenbesitz beträgt die Marktkapitalisierung der Bolloré SE nur EUR 6,2 Mrd. (15 Mrd. * 0,4). Allein die Universal Music ist das Doppelte wert - zusammen mit den 30 % an Vivendi (mit Canal Plus, Havas und Lagardere als Beteiligungen) und den 100 % an Logistik und Energie ist der Wertabschlag 70 %. 

Wie könnte eine Wertrealisierung aussehen?

Vereinfacht Vincent Bolloré die Struktur, bevor er die Firma seinem Sohn überträgt, wie in der Presse spekuliert wird?

Da sein wirtschaftlicher Anteil so niedrig ist, führt die Vereinfachung der Struktur zu einem wohl unakzeptablen Kontrollverlust.

Am wahrscheinlichsten ist der weitere Erwerb eigener Anteile. Die Bol Holding ist frei von Schulden, hat EUR 6 Mrd. Banklinien und wird nach dem Closing der Logistik Transaktion (voraussichtlich Ende 23) EUR 4,6 Mrd. zusätzlich in der Kasse haben. Jeder Euro der in Rückkäufe investiert wird, bringt 2,3 Euro an Wertzuwachs! Insofern ist wie beim letzten Rückkaufangebot mit einer deutlichen Prämie zu rechnen.  Mit der vorhanden Genehmigung dürfen noch 6,4 % der Aktien gekauft werden. Bei EUR 6 je Aktie, die beim letzten Mal gezahlt worden, würde dies EUR 1,1 Mrd. kosten. Abzüglich der Erlöse aus dem Verkauf weiterer Vivendi Anteile von ca. 0,4 Mrd., um den Anteil nicht über 30 % wachsen zu lassen.  Selbst wenn die übrigen Aktien von 22,4 % zum Verkehrswert erworben werden müssten, würde dies nur 4,5 Mrd. kosten, was durch die Liquidität der Bolloré abgesichert wäre. 

Dienstag, 10. Oktober 2023

Warum nimmt die Bürokratie zu?

Wie eine Bürokratie sich verselbständigt, konnte ich bei meinem ersten richtigen Job in der Treuhandanstalt in Berlin erleben. Als junger Controller bestand mein Posteingang (damals noch ohne E-Mails) zu 90 % aus Schriftverkehr mit Firmen und Investoren. Anderthalb Jahre später waren es noch 10 % - der Rest war interner Schriftverkehr mit anderen Abteilungen des Finanzministeriums. 

Wir sind Weltmeister im Erfinden immer komplizierterer Regeln. Der Staatsanteil in Deutschland ist ständig gestiegen und beträgt über 52 %. Der Staat sucht mehr und mehr Aufgaben für sich. So möchte man es nicht dem Markt überlassen, die beste Form des Energiesparens bzw. der Energieerzeugung zu bestimmen, indem man einen ausreichend hohen Preis für den Ausstoß von Kohlendioxid festsetzt. Stattdessen versucht man dem Bürger vorschreiben, wann er wie zu heizen hat. Jeder, der neuen Wohnraum schafft, wird als Spekulant gesehen, weil er dies ja nur aus Profitsucht macht. Dass es ohne Gewinnerzielungsabsicht keine Eigeninitiative gibt, wird übersehen. 

Meine eigene Tochter schimpft auf die Spekulanten in Berlin und sieht Wohnen als Grundrecht an. Die Berliner bestimmten per Volksentscheid, dass der Tempelhofer Flughafen eine riesige Brachfläche im zentrumsnahen Kreuzberg bleibt, statt neuen Wohnraum zu schaffen. Dabei erhöht jeder Neubau, auch Luxuswohnungen, das Angebot an Wohnfläche und verringern damit anteilig den Preisdruck auf die Mieten. Auch derjenige, der in die Luxuswohnung zieht, wohnte vorher weniger luxuriös. Meine Tochter sieht nichts Verwerfliches darin, ihren Bruder anzustellen, um gebrauchte Klamotten im Internet zu verkaufen. Das Stichwort "Circular Economy" verdeckt, dass dies auch nur mit Gewinnabsicht geschieht.   

Der Flughafen Berlin wurde ohne Projektleitung ausgeschrieben, schließlich hatte man ja genügend Mitarbeiter in der Baubehörde. Die Verdreifachung der Bauzeit und ein Vielfaches an Kosten waren die Konsequenz. Ob Stuttgart 2030 oder der Bau staatlicher Kindergärten - alles dauert viel länger und kostet mindestens doppelt so viel wie private Bauvorhaben. Der Staat sollte sich auf das Notwendigste beschränken, statt sozialistische Mangelverwaltung herbei zu wünschen. Rahmenbedingungen zu setzen ist sinnvoll, Wirtschaftswachstum aber gibt es nur durch private Initiative und dem Streben nach Gewinn. Sonst kostet die Schutzmaske eben 30 Euro statt wenige Cents. Steuersenkungen, auch mit staatlichen Defiziten erkauft, fördern die private Initiative und den Konsum - das Ziel aller privaten Investitionen. Nur wenn der Staatsanteil reduziert wird, wächst die deutsche Wirtschaft wieder.

Donnerstag, 28. September 2023

Allianz - noch ein tönerner Koloss?

Gestern erwähnte mein Vater beiläufig in einem Telefonat, weitere Allianz Aktien kaufen zu wollen. Als Grund gab er die Dividendenrendite von 5 % an. 

Der beste Gradmesser für den Erfolg einer Versicherung und jeder Kapitalanlagegesellschaft ist die Steigerung des Buchwertes (= Eigenkapital) je Aktie. Dieser sank bei der Allianz in den letzten 5 Jahren um 3 % und blieb über 10 Jahre konstant. Mit anderen Worten, der gesamte Gewinn wurde an die Aktionäre ausgeschüttet! Da die Bilanzsumme in der Zwischenzeit leicht angewachsen ist, fiel die Eigenkapitalquote von 7 auf 6 %. Das Management hat das Ziel, die Eigenkapitalrendite zu steigern. Am einfachsten geht dies durch die Erhöhung der Bilanzsumme (mehr Finanzanlagen) bzw. die Verringerung des Eigenkapitals durch Aktienrückkäufe wie bei der Allianz.

Die Deutsche Bank konnte bis zur großen Finanzkrise 2009 die Rendite auf fast 20 % steigern. Dann brach das Kartenhaus zusammen: Das Eigenkapital betrug zum Zeitpunkt der Krise noch 1,4 % und als Aktionär schaute man seitdem in die Röhre; der Aktienkurs fiel stetig und beträgt noch 10 % des ursprünglichen. Die Aktionäre sind durch fortlaufende Kapitalerhöhungen auf weniger als ein Drittel ihres Anteilsbesitzes verwässert worden.  Dividenden wurden durch Kapitalerhöhungen finanziert, die Eigenkapitalquote ist mit 5,6 % trotzdem weniger als halb so hoch wie bei den großen amerikanischen Banken. 

Bei einem Großschaden droht der Allianz das gleiche Schicksal. Das Bondrating würde sich verschlechtern und die Refinanzierung der Finanzanlagen wird teurer. Es droht die Kürzung der Dividende und eine Verwässerung durch Kapitalerhöhungen.

Vergleicht man die Allianz mit dem kanadischen Versicherer Fairfax Holding wird deutlich, wie unattraktiv die Allianz Aktie ist:

Trotz des fehlenden Wachstums werden Allianz Aktien mit 70 % Prämie auf den Buchwert gehandelt, während Fairfax Aktien ohne Prämie zu haben sind. Dafür stieg der Buchwert per Aktie in den letzten 5 Jahren bei Fairfax um 15 % p.a. Das Unternehmen zahlt eine kleine Dividende von 1,2 % und investiert lieber in das Wachstum der Firma. Wir profitieren von der Wertsteigerung, ohne jedes Jahr 30 % Steuern auf die Dividende zahlen zu müssen. Der Vorstand Prem Watsa selber hält 10 % der Aktien und ist ein angesehener Value Investor. Er handelt sehr vorsichtig, wie der Blick auf die Finanzanlagen zeigt. Ende 22 betrug die durchschnittliche Laufzeit der verzinslichen Anlagen nur knapp über 1,5 Jahre, während die Laufzeit bei der Allianz durchschnittlich fast 9 Jahre ist! So war Fairfax der einzige Versicherer, der als Folge der höheren Zinsen keine Abschreibungen auf die Finanzanlagen vornehmen musste. Wegen der kurzen Laufzeit stieg der Buchwert im letzten Jahr (bereinigt um die Dividende) um 6 %.  

Wir rechnen mit deutlichen Gewinnsteigerungen, da die Gesellschaft in 1,5 Jahren vollständig in den Genuss der höheren Zinsen kommt, während es bei Allianz sechsmal so lange dauert. Die Finanzanlagen bei Fairfax waren zum 30.6. durch 30 % Eigenkapital finanziert. Hätte Fairfax die Bilanz genauso stark wie Allianz gehebelt, dann läge die Eigenkapitalrendite der letzten fünf Jahre nicht bei 10 %, sondern bei über 50 %. Die Allianz hatte in den fünf Jahren trotz des viel kleineren Risikopuffers 11 % Rendite.


Dienstag, 29. August 2023

Nur noch Rentner…

Während in den 60'er Jahren sechs Arbeitnehmer einen Rentner finanzierten, unterstützen heute zwei Arbeitnehmer einen Rentner. 18,6 % des Bruttolohnes wird an die Rentenkassen abgeführt und als Rente ausgezahlt. Das reicht aber nur für zwei Drittel der Rente, ein Drittel schießt der Bund zusätzlich zu. Mehr als ein Viertel des Bundeshaushaltes (28,3 %)  dient zum Ausgleich der Verluste der Rentenkassen (1).  Die Verteidigungsausgaben sind weniger als halb so hoch - sie machen nur 12,5 % des Bundeshaushaltes aus. Weitere 9,3 % des Bruttolohnes dienen so als Steuern zur Finanzierung der Renten. Über ein Viertel des Bruttogehaltes eines Arbeitnehmers (ca. 28 %) kommt den heutigen Rentnern zugute. Und jedes Jahr erhöhen sich die Ausgleichszahlungen des Bundes an die Rentenkassen um fast 0,5 % Prozent - nicht zuletzt, weil die Generation der Babyboomer ins Rentenalter kommt.

Warum?

Das Durchschnittsalter in Deutschland beträgt 45 Jahre (2) - ein Wähler ist 10 Jahre älter. Nur über 18-Jährige wählen und bei Älteren ist die Wahlbeteiligung höher. Wir sind eine rasch alternde Gesellschaft und die Politik in Deutschland wird zulasten der Jüngeren gemacht. So waren die Schulen während der Covidzeit für ein Jahr geschlossen, um alte Menschen vor einer Ansteckung zu schützen. Statt die Schutzmaßnahmen auf alte Menschen zu beschränken, wurde bedenkenlos die Erziehung der Kinder geopfert, obwohl die Kinder und Jugendlichen in der Regel nur milde Covidverläufe hatten.

Das Rentenalter zu erhöhen oder die Rente zu kürzen kommt einem politischen Selbstmord gleich. An eine Umstellung des Rentensystems von der Umverteilung auf ein persönliches Sparmodell mit staatlichem Ausgleich in Härtefällen, wie es im Ausland teilweise üblich ist (z.B. Schweiz, Singapur oder skandinavische Länder), wird nicht gedacht. Die Umstellung unseres Rentensystems von der Umlage zur eigenen Altersvorsorge durch Vermögensbildung könnte schrittweise erfolgen. Die Anlage der Mittel vorzugsweise in Aktien (der DAX steigt im Mittel um 6 %) würde den Kapitalstock in Deutschland erhöhen. So würde wieder das Wachstum im Vordergrund der Politik stehen. Statt darüber nachzudenken, nur den Kuchen zu verteilen und wachstumshemmende, immer kompliziertere Vorschriften (Datenschutz, ESG, Klimaschutz) zu erfinden. Nur das Wachstum unseres Gesamtvermögens sichert die eigene Altersvorsorge und liefert die Mittel, um den Klimaschutz und notwendige Dinge wie Verteidigung zu finanzieren.

 


Dienstag, 22. August 2023

Immer ärmer?

In den letzten fünf Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft knapp 3 % - real 0,6 % im Jahr. Durch Zuzug stieg die Zahl der deutschen Einwohner seit 2017 um fast 2 % auf 84,4 Mio. Unsere Wirtschaftsleistung pro Kopf erhöhte sich in fünf Jahren dagegen nur um 1 %! Das Pro-Kopf-Einkommen betrug in 2022 EUR 47.744; verfügbar sind aufgrund der Steuerlast von 45 % nur halb so viel (EUR 26.000) (1).

Die US-Wirtschaft wuchs im gleichen Zeitraum um 10,6 % - real 2 % p.a. Die Bevölkerungszahl stieg um 4 % auf 338 Mio., während sich das pro Kopf Einkommen um 6,6 % auf USD 76.348 erhöhte. In Euro gerechnet liegt das Bruttoeinkommen pro Kopf in den USA mit EUR 69.476 um fast 50 % über dem deutschen. Dank der geringeren Steuerlast ist das Netto-Einkommen mit EUR 46.543 gut 80 % höher als das unsrige (2).

Wieso wuchs die USA stärker als Deutschland?

Die Staatsverschuldung in den USA stieg in den letzten fünf Jahren um 3 % pro Jahr auf 122 % der Wirtschaftsleistung; in Deutschland blieb sie konstant bei 66 % (3). Die gestiegene US-Leistung beruht auf höheren Staatsausgaben. Der Anstieg der Wirtschaftsleistung fiel allerdings nur halb so hoch aus wie die Erhöhung der Staatsausgaben. Es ist zu vermuten, dass dank der hohen Importüberschusse auch Ausländer von den Mehrausgaben der USA profitierten. Die hohe US-Neuverschuldung von geschätzten 8 % in diesem Jahr bei Vollauslastung der US-Wirtschaft (Arbeitslosenquote 3 %) sind wohl auch der Grund dafür, dass die US-Wirtschaft trotz der um 5 % gestiegen Leitzinsen noch wächst und die Inflationsrate nur langsam fällt.

Mit höheren Staatsausgaben lässt sich die Wirtschaft also ankurbeln. In Deutschland wäre dies möglich, ohne die Verschuldungsquote zu erhöhen. Im Gegenteil, dank der momentan fallenden Wirtschaftsleistung steigt die Verschuldungsquote trotz des Versuches, die Schuldenbremse einzuhalten (siehe letzter Blog). 

Welche Verschuldungsrate ist vertretbar? 

Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten, wie das Beispiel Japan zeigt. Die japanische Staatsverschuldung ist mit 261 % der Wirtschaftsleistung viermal höher als die deutsche. Solange die Verschuldung nicht durch Ausländer finanziert wird, sondern durch inländische Ersparnisse oder den Kauf der Schuldenpapiere durch die eigene Notenbank (Monetarisierung), ist eine durch Kapitalflucht ausgelöste plötzliche Abwertung der Währung bzw. Anstieg der Inflation wie bei Ländern mit hohen Auslandsschulden (Türkei oder Argentinien) unwahrscheinlich. Das japanische Beispiel zeigt aber, dass es zu einer Abwertung der Währung kommen kann, wenn die Höhe der Staatsschulden keine Zinserhöhungen zulässt. In den fünf Jahren änderte sich der Wechselkurs des Yen's gegenüber dem Euro nur wenig (5 % Abwertung beim Yen-Euro-Kurs von 142 Ende 2022). Dagegen fiel der Yen dieses Jahr schon um 12 % (Yen-Euro-Kurs 159). Nach den jüngsten Zinserhöhungen der EZB beträgt der Zinsunterschied mehr als 3 %, während das Zinsniveau vorher vergleichbar war. Der US-Dollar hat sich trotz der höheren US-Schulden um 12 % auf 1,07 zum Euro verteuert. Zum Vergleich blieben die Schulden im Euroraum mit 84 % der Wirtschaftsleistung im gleichen Zeitraum konstant (4). 

Da Schulden, mit wenigen Ausnahmen (Russland) nie zurückgezahlt werden, sind die Zinszahlungen im Staatshaushalt ein limitierende Faktor für die Höhe der Schulden. Je nach Laufzeit der Staatspapiere wird die Refinanzierung der Schulden teurer und andere Staatsausgaben (Verteidigung, Soziales etc.) müssen zurückgefahren werden, wenn die Verschuldung nicht immer stärker wachsen soll.

Ein weiteres Risiko der hohen Staatsausgaben ist Inflation. Die USA verschulden sich im Augenblick mit 8 % vom Bruttosozialprodukt zusätzlich trotz der Vollauslastung der Wirtschaft (Vollbeschäftigung). Die hohe Zinsen reichen nicht, um den Inflationsdruck der hohen Staatsausgaben zu kompensieren. Besser wäre es, die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben zu senken. Im Euroraum und besonders in Deutschland ist die Wirtschaft nicht ausgelastet, sodass die gestiegene Inflationsrate wohl eher an höheren Energie- und Rohstoffkosten liegt. Wobei die Einkaufspreise und die Inflationsrate augenblicklich stärker fallen. 

Und wie lässt sich unser Wachstum von rund 0,6 % p.a. noch erhöhen? 

Neben höheren Staatsausgaben steigern auch private Mehrausgaben das Wachstum. Diese hängen davon ab, wie zuversichtlich der Einzelne in die Zukunft schaut. Ist die Alters-, Kranken- und Arbeitslosenabsicherung gut, muss weniger gespart werden und der Konsum steigt. Unternehmen investieren mehr, wenn sie an ein Umsatzwachstum glauben, das den Payback auf Investitionen stärkt. Nachfrageimpulse können dabei aus dem In- und Ausland kommen. Auch die geplante Energiewende und das Onshoring kritischer Produktion (Chips) erhöhen die Ausgaben und steigern das Wachstum.  Jedes Wachstum hängt so von einem "Stretch" ab, man investiert bzw. gibt mehr Geld als vorher aus und das Einkommen aller steigt, was wiederum zu mehr Ausgaben bzw. Wirtschaftsleistung führt. Zweifelt man den Wert der eigenen Vermögenswerte an, wie jetzt in China, wo 70 % des privaten Vermögens in Immobilien investiert ist, droht die Deflation. Statt zu steigen, fallen die Immobilienpreise und der Wert des volkswirtschaftlichen Gesamtvermögens sinkt. Ein Teufelskreis von Vertrauensverlust, Kürzung der Ausgaben und weiter fallender Preise beginnt, aus dem es ohne staatliche Mehrausgaben oder einem Reset der Schulden kein Entrinnen gibt. 

Ist ein Reset der Schulden bzw. eine Entschuldung möglich?

Im alten Rom wurden angeblich alle sieben Jahre sämtliche Schulden erlassen. Mit Schuldenerlass ist immer eine Umverteilung verbunden, da die Schulden jemanden gehören. Für jeden Schuldner gibt es einen Gläubiger, der von den Zinseinnahmen profitiert. Politisch schwierig ist die Umsetzung, da es bei Schuldenerlass immer Gewinner und Verlierer gibt; der Sparer wird bestraft und der Schuldner belohnt. Der politisch einfachste Weg, die Schulden einer Volkswirtschaft abzubauen, ist wohl die Kontrolle der Zinsen durch die Zentralbank ("Yield Control") verbunden mit einer Einschränkung der freien Kapitalbewegung. Bleibt der Zinssatz aufgrund der Intervention der Zentralbank unter dem nominalen Wachstum (reales Wachstum+Inflation), dann sinkt tendenziell die Schuldenlast. Allerdings müssen parallel dazu Kapitalkontrollen eingeführt werden, damit die Anleger nicht mit ihren Spareinlagen ins Ausland flüchten.


Donnerstag, 3. August 2023

Wir sparen uns zu Tode...

Die deutschen Haushalte sparen dieses Jahr wieder über 10 % des verfügbaren Einkommens (1). Wenn einer spart, muss jemand anders das Geld ausgeben, sonst sinkt die Wirtschaftsleistung.  Die deutschen Unternehmen können das Geld nicht gebrauchen; sie nahmen im letzten Jahr keine neuen Schulden auf (2).  Die Euroländer sparen nach dem Schock der großen Finanzkrise 2008 mit 14 % sogar noch mehr (3). Dies hat dazu geführt, dass die übrigen Europäer auch mehr produzieren als sie ausgeben.  Im Saldo sind die Euroländer seit 2009 zu Nettoexporteuren geworden (4).  Die Wirtschaftsleistung in Deutschland profitiert deswegen nicht mehr von der Nachfrage der Nachbarn.   

Bleiben die Amerikaner. Unsere Exportüberschüsse im letzten Jahr landeten zu 80 % in den USA - zulasten der amerikanischen Nachfrage und Beschäftigung (5). Eine hohe amerikanische Importquote führt zum stetigen Rückgang der amerikanischen Industrieproduktion mangels Nachfrage nach Produkten "Made in USA".  Wachsende Unzufriedenheit, mehr Populismus (Trump) und steigender Protektionismus (auch unter Biden) in den USA sind die Folge. Der Zorn traf zunächst die Chinesen, da hier das Defizit mehr als doppelt so hoch ist. Die Frage ist, wie lange können wir Deutsche noch von der amerikanischen Großzügigkeit profitieren?

Im Jahr 2022 betrug unser Exportüberschuss infolge der gestiegenen Energiepreise nur noch knapp über 2 % der Wirtschaftsleistung. Im Vorjahr war der Überschuss mit 4,8 % noch mehr als doppelt so hoch gewesen (6). Zum Glück sprang im letzten Jahr der deutsche Staat in die Bresche und finanzierte Transferzahlungen an Bürger und Unternehmen, um die gestiegenen Energiepreise zu subventionieren und nahm neue Schulden in Höhe von EUR 71 Mrd. auf. Wegen der bestehenden Schuldenbremse (7) ist dies aber nur ausnahmsweise möglich. Die Ersparnisse der Deutschen (ca. 5 % der Wirtschaftsleistung bei rund 50 % Steuerlast) finanzierten im letzten Jahr etwa jeweils zur Hälfte die Neuschulden des Staates und den internationalen, besonders amerikanischen Konsum (durch den Kauf entsprechender Schuldentitel).  

Wie sinnvoll ist die Schuldenbremse und wie schädlich sind Staatsschulden?

Staatsschulden werden so gut nie zurückgezahlt. Der Verschuldungsgrad fällt mit der wachsenden Wirtschaftsleistung, solange die Neukreditaufnahme (inklusive Zinsen für alte Schulden) unter dem Nominalwachstum liegt. Trotz der EUR 71 Mrd. Neuschulden des Bundes (2,6 % der Wirtschaftsleistung) fiel die Schuldenquote im letzten Jahr um immerhin 3 % auf 66 % des Bruttoinlandproduktes ("BIP" = Wirtschaftsleistung - siehe 8).  Der Grund? Die Wirtschaft wuchs mit 8 % stärker als die Schulden, und zwar real um 1,8 % zuzüglich 6,2 % Inflation. Eine Schuldenbeschränkung auf 0,35 % der Wirtschaftsleistung gemäß Schuldenbremse ist Unsinn.  Die Schuldenlast fällt immer, solange die Wirtschaft nominal (inklusive Inflation) stärker als die Schulden wächst. Eine sinkende Staatsverschuldung dagegen ist gleichbedeutend mit einem Rückgang der staatlichen Nachfrage zulasten der Wirtschaftsleistung bzw. der Einkommen aller Deutschen.

Seit dem Beginn der Schuldenbremse im Jahr 2016 haben sich die Staatsschulden in Deutschland wie folgt entwickelt (8):
 

Jahr

Schuldenstand in Mrd. €

Schuldenstand in % des BIP

2022

2.566

66,4

2021

2.495

69,3

2020

2.340

68,7

2019

2.069

59,6

2018

2.083

61,9

2017

2.131

65,2


Dank Coronahilfen stieg die Verschuldung im Jahr 2020 um gut 9 %. Hätte der Staat nicht geholfen, wäre die Wirtschaft noch stärker geschrumpft. Die Verschuldungsquote läge aufgrund des Rückganges möglicherweise über der heutigen. Auf jeden Fall wäre die Arbeitslosigkeit mangels Nachfrage drastisch gestiegen. Geringere Steuereinnahmen und mehr Transferzahlungen wären die Folge gewesen. Was wiederum eine höhere Neuverschuldung bedeutet hätte.  

Was passiert, wenn zunehmender Protektionismus in den USA und anderswo dazu führt, dass die Nachfrage nach unseren Exporten fällt und in Deutschland die Schuldenbremse bleibt?

Die Wirtschaftsleistung ist die Summe aller Ausgaben, egal ob für Konsum oder Investitionen. Wenn jeder Bürger 10 % spart, fallen alle Ausgaben um 10 %. Die sinkende Wirtschaftsleistung führt im gleichen Verhältnis zu einer Verringerung der Einnahmen. Sparen die Bürger trotz des verringerten Einkommens aus Angst immer noch 10 % der Einnahmen oder vielleicht noch mehr, fällt die Wirtschaftsleistung weiter. Ein Teufelskreis, der in den 30-er Jahren in den USA und in der Weimarer Republik zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um über 50 % führte, da es keine staatliche Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld als Ausgleich gab. Erst die durch Schulden finanzierten Ausgabenprogramme der Nazis ("Autobahnen") und die Kriegsausgaben des Zweiten Weltkrieges führten überall zu Vollbeschäftigung und steigender Wirtschaftsleistung. Nach Beendigung des Krieges sorgten Wiederaufbau und steigende Nachfrage nach Konsumgütern für Wirtschaftswachstum und den Rückgang der Schulden; trotz neuer Schulden ging der Verschuldungsgrad zurück.


Fazit

"Sparen ist gut und Schulden sind schlecht." Dies mag für den Einzelnen gelten, gerade wenn neue Schulden den Konsum finanzieren. Dies gilt aber nicht für die Volkswirtschaft als Ganzes. Ohne die Aufnahme neuer Kredite durch Unternehmen oder den Staat zur Finanzierung von Ausgaben gibt es keine Verwendung für die Ersparnisse. Wenn alle inklusive Staat und Unternehmen sparen, dann sparen wir uns arm! Dabei spielt es kurzfristig keine Rolle, wofür der Staat das Geld ausgibt. Bürgerentlastungen, die zu mehr Ausgaben führen, Straßenbau oder neue Investitionen - alle Ausgaben erhöhen die Wirtschaftsleistung und steigern das Einkommen. Natürlich habe Investitionen zum Beispiel in die Pünktlichkeit der Bahn positive Folgeeffekte. Die Reduzierung von Verschwendung durch den Abbau der Wartezeiten steigert die Produktivität. Damit vergrößert sich das Potenzial der Wirtschaft. Eine erhöhte Nachfrage wirkt weniger inflationär und steigert unser Trendwachstum von derzeit real 1-2 % p.a.  Derzeit geht die deutsche Wirtschaftsleistung zurück (wir befinden uns in der Rezession) und eine Steigerung der deutschen Staatsausgaben zur Ankurbelung der Wirtschaft wären dringend erforderlich. Bis zur Höhe von 3 bis 4 % der Wirtschaftsleistung ist dies sogar ohne die Erhöhung der Verschuldungsquote möglich, da die Wirtschaft in der Regel nominal um diese Rate wächst. Stattdessen fordern Politiker, staatliche Ausgaben zu kürzen und die Schuldenbremse unbedingt einzuhalten. Was die deutsche Wirtschaft noch mehr schädigt und der AFD zusätzliche Stimmen zutreibt!






____________________________________

Argentinien wird scheitern - sind wir besser dran?

Das Problem in Argentinien sind die Auslandsschulden. Diese betragen 40 % der Wirtschaftsleistung. Der eingeschlagene Sparkurs der neuen Reg...