Samstag, 12. April 2025

Sind wir noch zu retten?

In Deutschland arbeiten Beschäftigte im Schnitt nur noch an rund 170 Tagen im Jahr – das entspricht etwa jedem zweiten Kalendertag. Gleichzeitig steigt der Krankenstand: Im Durchschnitt fällt jeder Arbeitnehmerin mittlerweile an fast jedem zehnten Arbeitstag krankheitsbedingt aus. Für Arbeitgeber ist das kostspielig, denn sie tragen die Lohnfortzahlung.

Zugleich hat der Staat in den letzten Jahren viele seiner Aufgaben an Unternehmen delegiert – und diese zusätzlich mit immer mehr Bürokratie belastet. Ein Beispiel: Die Bauvorschriften, insbesondere im Zuge der Energiewende, wurden stark verschärft. Das hat die Kosten für Neubauten innerhalb von fünf Jahren um mehr als 30 % steigen lassen, schätzen Branchenverbände.


Wenn Regulierung zur Besitzstandswahrung wird

Einige Branchen haben sich mit der Regulierung arrangiert – und nutzen ihren Einfluss, um bestehende Strukturen zu schützen:

  • Notare: Jede Änderung im Handelsregister muss notariell beurkundet werden. Eine Kapitalerhöhung von 1 Mio. Euro bei einem Start-up verursacht dadurch etwa 5.000 Euro Kosten – allein für die Eintragung.

  • Landwirte: Die staatlichen Zuschüsse machen ein Drittel der Einnahmen aus - dazu kommen Steuervergünstigungen etwa beim Agrardiesel sowie Förderungen für Solar-, Wind- und Biogasanlagen.

  • Pflichtabgaben: Unternehmen zahlen Jahr für Jahr kleinere, aber summierende Beträge – z. B. GEZ (80 €), IHK-Beiträge (ab 300 €), LEI-Registrierung (80 €), Schornsteinfegerpauschalen (100 €) und mehr.


Verwaltung – digital nur auf dem Papier

Zwar wurde mit dem Onlinezugangsgesetz ein erster Schritt Richtung digitale Verwaltung gemacht – die Umsetzung bleibt aber oft kurios: Formulare lassen sich online einreichen, werden dann aber ausgedruckt und per Hauspost weitergeleitet.

Ein paar Beispiele:

  • Das Passamt Gauting beschäftigt drei Mitarbeitende, kann aber keine Anträge aus anderen Bezirken entgegennehmen 

  • Ärzt*innen füllen Totenscheine auf Durchschlagpapier aus – die Daten werden bis zu siebenmal manuell an unterschiedliche Stellen übermittelt. Statistiken, die daraus entstehen, sind entsprechend fehleranfällig.

  • Bürger*innen verbringen jedes Jahr viele Stunden mit Behördengängen – ein realer Produktivitätsverlust für die Gesamtwirtschaft.


Gut gemeint, aber schlecht gemacht

Viele Vorschriften verfolgen sinnvolle Ziele – wirken in der Praxis aber oft als Innovationsbremse oder schützen Marktführer:

  • Datenschutz ist wichtig, stellt aber vor allem kleine Start-ups vor große Hürden, während Konzerne wie Google und Meta die Anforderungen auf Millionen Nutzer verteilen.

  • Das Verbot der Sonntagsarbeit hatte einst sozialen Schutz im Blick – heute erschwert es flexible Modelle, während Onlinehändler mit 24/7-Verfügbarkeit den stationären Handel verdrängen.

  • Geflüchtete dürfen während ihres Asylverfahrens oft jahrelang nicht arbeiten – viele verlieren in dieser Zeit Perspektive und Struktur. Eine pragmatischere, arbeitsmarktnahe Regelung würde helfen.


Pflege und Fachkräftemangel – ein deutsches Dilemma

Wer eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause organisieren möchte, benötigt laut aktueller Arbeitsschutzregelungen vier Vollzeitkräfte. Inklusive Vermittlungsgebühren entstehen dabei Kosten von über 30.000 Euro pro Monat. Statt hier durch gezielte Fachkräftezuwanderung und Lockerungen der Arbeitszeitregeln z.B. für Bereitschaftszeit zu entlasten, steigen die Pflegekosten unaufhaltsam.


Digitalisierung? Bitte nicht mit deutscher Gründlichkeit

Digitalisierungsprojekte scheitern oft – nicht an Technik, sondern an Zuständigkeiten:

  • Datenschutz bremst Fortschritt wie z.B. elektronische Krankenakte, obwohl viele Bürger längst digital unterwegs sind.

  • Föderalismus sorgt dafür, dass selbst bewährte Lösungen nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen auf andere Regionen übertragen werden können.

  • Behörden halten oft an analogen Prozessen fest – selbst bei Softwareeinführungen wird die Technik an alte Abläufe angepasst, nicht umgekehrt. Ausdrucke und manuelle Unterschriften nach jedem Schritt bleiben Standard – auf Kosten von Zeit und Geld.


Gleiches Spiel auf der Baustelle

Öffentliche Bauprojekte dauern regelmäßig doppelt so lange wie geplant und kosten das Mehrfache privater Bauten  – und wenn ein Kindergarten nach fünf Jahren endlich eröffnet wird, droht oft schon bald wieder die Schließung wegen baulicher Mängel.


Wie sieht die Lösung aus?

Ein Blick in die Industrie zeigt, wie Effizienz funktioniert: Unser Automobilzulieferer Carbody ist vertraglich verpflichtet, die Teilepreise jährlich um 2–3 % zu senken, obwohl Löhne und Materialkosten regelmäßig steigen. Nur um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen jährlich rund 10 % der Kosten eingespart oder die Ausbringungsmenge erhöht werden – meist durch Automatisierung und Prozessoptimierung.

Warum nicht auch im öffentlichen Dienst? Eine verpflichtende jährliche Effizienzsteigerung, sei es durch Kostenreduktion, Prozessverkürzung oder Output-Erhöhung, könnte genau die Digitalisierung anstoßen, die wir so dringend brauchen.

Mehr Anreize für Wohnungsbau schaffen

Ein effektiver Weg, den Wohnungsbau anzukurbeln, wäre eine zielgerichtete Reform der Grund- und Grunderwerbsteuer:

  • Die derzeit niedrige Grundsteuer könnte erhöht werden, um das Horten unbebauter Grundstücke weniger attraktiv zu machen.

  • Im Gegenzug könnte die Grunderwerbsteuer beim Bau oder Erstkauf von Wohnraum gesenkt werden – insbesondere für Selbstnutzer oder Investoren, die tatsächlich bauen.

So würden Brachflächen oder ungenutzte Grundstücke stärker in die Verantwortung genommen und gleichzeitig Anreize für Bebauung und Nutzung geschaffen.

Digitalisierung der Unternehmensverwaltung vereinfachen

Auch im Bereich Unternehmensgründung und -verwaltung ist Effizienzsteigerung möglich:
Eintragungen ins Handelsregister oder Gesellschafteränderungen könnten längst vollständig digital abgewickelt werden – sicher und rechtsverbindlich, z. B. durch Video-Ident oder Online-ID-Check, wie er bereits bei Kontoeröffnungen eingesetzt wird.

Wenn man heute innerhalb weniger Minuten online ein Bankkonto eröffnen kann, sollten einfache Verwaltungsvorgänge wie Handelsregisteränderungen nicht mehr tagelang dauern oder zwingend einen Notartermin erfordern.


Fazit: Nicht kaputtsparen, aber kaputtregulieren auch nicht

Deutschland steht vor der Herausforderung, Verwaltung, Bürokratie und Prozesse auf ein neues Effizienzniveau zu heben – ohne sozialen Schutz über Bord zu werfen. Doch dafür braucht es Mut, Offenheit und die Bereitschaft, liebgewonnene Strukturen zu hinterfragen.

Denn wer heute nicht reformiert, riskiert morgen Stillstand – und den können wir uns schlicht nicht mehr leisten.

Freitag, 11. April 2025

US-Schuldenkrise – Bessere Lösungen statt willkürlicher Zölle und Handelsstreitigkeiten

Statt auf protektionistische Maßnahmen wie Zölle oder Handelskonflikte zu setzen, sollte die US-Regierung über strategisch durchdachte und langfristig wirkende Alternativen nachdenken, um strukturelle Ungleichgewichte zu korrigieren. Bereits in den 1990er Jahren schlug Warren Buffett einen innovativen Mechanismus vor: Ein Zertifikatesystem, bei dem Importeure von Waren Lizenzen von Exporteuren ersteigern müssen – ähnlich einem Emissionshandelssystem. Der Marktmechanismus dieses Systems sorgt dafür, dass Importe und Exporte über den Preis ins Gleichgewicht gebracht werden. Im Ergebnis wirkt dieser Ansatz wie ein flexibler, marktwirtschaftlich organisierter Zoll, ohne direkte Handelspartner zu benachteiligen. 

Die “Dutch Disease” der USA – Der Export von Dollar statt von Gütern

Die Vereinigten Staaten leiden heute unter einer Form der „Dutch Disease“: Während rohstoffreiche Länder natürliche Ressourcen exportieren und ihre Währungen dadurch aufwerten, exportiert die USA ihre eigene Währung – den US-Dollar. Dies ist historisch gewollt. Seit dem Petrodollar-Abkommen in den 1970er Jahren wird Öl weltweit in Dollar gehandelt, oft als Gegenleistung für militärische oder sicherheitspolitische Garantien. Dieses Arrangement sichert eine konstante Nachfrage nach dem Dollar, führt jedoch auch zu strukturellen Handelsdefiziten und einer tendenziellen Überbewertung der Währung – zum Nachteil amerikanischer Exporteure.

Sterilisierte Kapitalflüsse: Ein strategischer Wealth Fund für Amerika

Eine mögliche Lösung wäre ein öffentlicher Vermögensfonds („Public Wealth Fund“), wie ihn der US Schatzmeister Graham Bessent vorschlug. Dabei würden die Kapitalzuflüsse in den Dollar – etwa durch ausländische Investitionen – sterilisiert, indem die US-Regierung gezielt Auslandsinvestitionen tätigt, anstatt das Geld in der Binnenwirtschaft zirkulieren zu lassen. Dieses Modell ähnelt dem Vorgehen Chinas mit seiner Belt-and-Road-Initiative oder der Schweiz, wo Zentralbanken und Staatsfonds seit Jahren erfolgreich den Wechselkurs managen, um eine übermäßige Aufwertung der eigenen Währung zu verhindern und die Exportindustrie zu schützen.

Die USA könnten damit ähnlich wie andere Länder bewusst externe Nachfrageüberschüsse neutralisieren, ohne die Geldpolitik zu lockern oder die Inflation zu steigern – durch eine Art „Schattenpolitik“ der Kapitalbilanz. Die langfristige Folge wäre ein stabilerer, schwächerer Dollar, eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie und eine strategische Diversifikation nationalen Reichtums durch internationale Anlagen.

Weitere Optionen: Kapitalmarkt-Kontrollen und Ertragssteuern auf USD-Schulden

Alternativ oder ergänzend könnten Kapitalertragssteuern auf USD-Schulden, beispielsweise in Höhe von 30 %, eingeführt werden. Dies würde den Anreiz für kurzfristige, spekulative Kapitalzuflüsse in den US-Markt dämpfen und die externe Nachfrage nach US-Dollar reduzieren. Auch eine moderat regulierte Kapitalmarktpolitik – wie sie China praktiziert – könnte ein Instrument sein, um einseitige Aufwertungsdynamiken zu bremsen und dem Exportsektor eine strategische Entlastung zu verschaffen.

Dienstag, 8. April 2025

Exportweltmeister und kein Wachstum mehr?

Seit Jahrzehnten lebt Deutschland gut vom Ausland – vor allem von den USA. Doch das Modell kommt an seine Grenzen. Warum das gefährlich ist und was wir dringend ändern müssen.

Der stille Deal mit Amerika

Deutschland gilt als Exportweltmeister. Unsere Industrie florierte über Jahrzehnte, weil andere Länder – allen voran die USA – unsere Produkte kauften. Doch was viele übersehen: Diese Nachfrage war nicht nachhaltig finanziert. Bis zur Großen Finanzkrise 2008 waren es vor allem amerikanische Privathaushalte, die sich verschuldeten, um deutsche Autos, Maschinen oder Chemieprodukte zu kaufen.

Nach der Krise sprang der amerikanische Staat ein – mit immer höheren Defiziten. Heute liegt die US-Staatsverschuldung bei etwa 130 % der Wirtschaftsleistung. In Deutschland sind es knapp 70 %. Allein 2024 betrug das amerikanische Haushaltsdefizit rund 7 % des BIP – und entspricht damit fast exakt dem US-Importüberschuss.

Konsum auf Pump – und wir profitieren?

Die USA leisten sich diesen Konsum auf Kredit. Die Zinslast wird mittlerweile zum Problem: Rund 15–17 % der US-Staatsausgaben fließen inzwischen in Zinszahlungen. Um etwas Zinsen zu sparen, setzt das US-Finanzministerium zunehmend auf kurzlaufende Anleihen (2 Jahre) – Die durchschnittlichen Laufzeit alle US-Schulden beträgt nur noch etwa 5 Jahren. Die baldige Refinanzierung droht.

Gleichzeitig bröckelt die industrielle Basis in den USA. Kein Wunder, dass Trump mit Zöllen gegensteuern wollte – ein eher grobes Werkzeug, aber Ausdruck echter wirtschaftlicher Schieflagen.

Deutschland: Sparen als Selbstzweck?

Und was passiert bei uns? Sparen gilt weiterhin als Tugend – selbst wenn niemand weiß, was mit dem Geld geschehen soll. Der Staat spart, obwohl Brücken, Schulen und die Bahn dringend saniert werden müssten. Unternehmen investieren wenig, und auch Privathaushalte halten sich zurück.

Ein Beispiel: Deutschland baut jedes Jahr rund 130.000 bis 200.000 Wohnungen zu wenig, obwohl der Bedarf bei etwa 400.000 liegt. Statt Anreize zu schaffen, werden Regularien verschärft – Stichwort Mietpreisbremse.

Ein Irrtum: Die Wirtschaft kann nicht „im Saldo“ sparen

Was dabei oft übersehen wird: Eine Volkswirtschaft kann in Summe nicht sparen, wenn niemand Schulden aufnimmt. Sparen bedeutet Konsumverzicht – und damit sinkende Nachfrage. Nur wenn ein Sektor – Staat, Unternehmen oder Haushalte – Schulden macht, kann ein anderer sparen.

In Deutschland liegt die Sparquote bei rund 10 % des BIP. Wenn dieses Geld nicht im Inland investiert wird, müssen wir es ins Ausland exportieren – samt der Nachfrage. Die Folge: Andere Länder verschulden sich, während wir ihre Industrie verdrängen.

Die dunkle Seite der Exportüberschüsse

Das alles hat eine Kehrseite. Die USA finanzieren unsere Exporte mit Schulden – und haben dafür zunehmend weniger Spielraum. Auch Deutschland spürt die Folgen: Das Wirtschaftswachstum pro Kopf liegt seit fünf Jahren bei mageren 0,2 % pro Jahr.

Selbst China – mit einer Sparquote von über 40 % – tritt wirtschaftlich auf der Stelle. Auch dort funktioniert das Modell "Exportüberschuss gegen Auslandsschulden" nicht mehr wie früher.

Was wäre die Alternative?

Statt weiterhin Produkte gegen zunehmend wertlose Schuldscheine zu tauschen, sollten wir uns stärker auf das Binnenwachstum konzentrieren:

  • Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Wohnungsbau
  • Maßnahmen zur Stärkung des Konsums
  • Produktivitätssteigerung, vor allem im öffentlichen Sektor

Denn: Die Reallöhne stagnieren – nicht, weil Arbeitgeber nicht zahlen wollen, sondern weil die Produktivität nicht wächst. Der Staat macht rund 50 % der Wirtschaftsleistung aus, hat aber in den letzten 20 Jahren keinen Effizienzgewinn erzielt. Die Privatwirtschaft allein kann das nicht ausgleichen.

Und die Politik?

Die Vorschläge der Parteien wirken oft planlos: Die SPD setzt auf Mietpreisbremsen, die CSU verteilt Rentenzuschläge und Boni. Dabei verschärft sich die demografische Lage spürbar: Heute gibt es nur noch halb so viele 19-Jährige wie zur Zeit der Babyboomer. Gleichzeitig steigen die Rentenausgaben – sie machen ein Drittel des Haushalts aus, jährlich um fast 1 % steigend.

Fazit: Deutschland braucht eine neue Balance

Wir können nicht ewig darauf hoffen, dass andere Länder unsere Nachfrage übernehmen – und sich dafür verschulden. Die Weltwirtschaft braucht neue, ausgewogene Modelle, und Deutschland muss Verantwortung für das eigene Wachstum übernehmen.

 Es ist Zeit für eine Politik, die versteht, dass man Wohlstand nicht sparen kann, sondern gestalten muss – durch kluge Investitionen, moderne Infrastruktur und eine aktivierende Wirtschaftspolitik.

Freitag, 14. März 2025

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Montag, 16. Dezember 2024

Was ist das wichtigste beim Investieren?

Seitdem ich die Investorenkonferenz ValueX in Klosters besuche, habe ich viele hoffnungsvolle Investoren kennengelernt. Erst liebäugeln sie mit der Idee eine Investmentfirma zu gründen, nach ein paar Jahren schlechter Performance schließen sie die Gesellschaft wieder. Was muss ich tun, um erfolglos zu bleiben?

Immer bin ich auf der Suche nach Gewinnern und jage nach der nächste Microsoft oder Nvidia. Bei der Analyse konzentriere ich mich darauf, was gut laufen kann. Risiken betrachte ich erst später und in der Investmentpräsentation erwähne ich sie höchstens auf der letzten Seite im Kleingedruckten. Als Beispiel ein M&A Manager, der mir seine todsichere Idee vorstellte. Die slowenische IT Gesellschaft machte EUR 5 Mio. operatives Ergebnis und war für EUR 25 Mio. zu haben - das Geld war in der Firmenkasse! Mein Besuch in Ljubljana nur eine Formalie ...

Die Firma erwirtschaftete ihren Umsatz in den ehemaligen russischen Republiken. Der Geschäftsführer trieb die Forderungen ein, in dem er tagelang mit dem Kunden Wodka trank. Wir hatten ihn für überflüssig gehalten. Die Kasse war so hoch, weil zum Jahresende keine Rechnungen mehr bezahlt und die Kreditlinien maximal ausgeschöpft waren. Das Management und die Belegschaft waren froh, ihre Anteile an uns zu verkaufen!

Der Investitionsprozess gleicht dem Kauf eines Gebrauchtwagens. Wenn etwas billig ist und gut sein soll, frage ich mich wo der Haken ist.  Zum Beispiel bei der indischen Bank IIfl Finance. Trotz 15 % jährlichen Wachstums und bestem Marktausblick kostet die Bank nur das 11-fache des Nettoergebnisses und das 1,5-fache des Buchwertes (= Eigenkapitals). Wettbewerber wie Kotak, HDFC oder Bajaj Finance notieren mit dem 2,5 - 5-fachen des Buchwertes. 

Auf Anhieb fallen mir folgende Risiken ein: Kann die Bank mit den Großen der Branche konkurrieren? Hat die Bank genügend Eigenkapital? Stellt die zunehmende Digitalisierung im Finanzbereich eine Gefahr dar? Wie finanziert sie sich, wenn IIFL als Non-Bank keine Kundeneinlagen zur Finanzierung nutzen darf? Wie übersteht die Bank die vielen Krisen in Indien (MWST Einführung, Abschaffung Papiergeldes, Covid, ??)? Braucht sie nicht weiteres Kapital zum Wachstum?

Mit 4.300 kleinen Filialen profitiert die Gesellschaft vom Wachstum in den B und C Lagen. Da viele Filialen noch nicht lange offen sind, rechnen wir mit Skaleneffekten. Die Eigenkapitalrate beträgt 25 % und ist damit viermal so hoch wie bei der Deutschen Bank. Die Eigenkapitalrendite beträgt 15 % und ermöglicht ohne zusätzliches Kapital ein Wachstum in gleicher Größenordnung.  Dem Management gehören 25 %; entsprechend vorsichtig wird das Geschäft ausgebaut. Die Nettozinsmarge beträgt 8 % und die Bank kann sich die Kreditnehmer noch aussuchen. Der private Kredit beträgt nur 30 % der indischen Wirtschaftsleistung, in anderen Entwicklungsländern macht er das Doppelte aus. Trotz aller Krisen betrug die Abschreibungsrate bei Krediten nie mehr als 1,8 % - der Durchschnitt der letzten 5 Jahre liebt bei 1,1 %. Bereits die Hälfte der Kredite wird ausschließlich digital vergeben. 

Kein Risiko?

Im März 24 untersagte die Bankenaufsicht RBI der IIFL weitere Kredite mit Gold als Sicherheit zu vergeben, immerhin ein Drittel des Geschäftes. Der Aktienkurs fiel um ein Drittel, der Gewinn war durch einen Wegfall von Skaleneffekten sicherlich noch höher belastet. Wir dachten sofort, dass die Bank nicht die nötigen Bestechungsgelder gezahlt hatte.

Viele Banken erlitten aber dank der Auflagen der Bankenaufsicht ähnliche Einbußen im Geschäft. Als 1,5 % Gesellschafter nahmen wir wie das Management an einer Kapitalerhöhung zur Stärkung des Geschäfts teil. Mittlerweile sind die Auflagen der Bankenaufsicht erfüllt und die Einschränkungen im Geschäft wurden aufgehoben. Das Beispiel zeigt, dass immer etwas schiefgehen kann. Um Krisen zu überstehen und langfristig zu überleben, ist ein ausreichender Risikopuffer nötig.

In der Wissenschaft versuche ich eine These zu widerlegen und so indirekt den Beweis der Gültigkeit (bis auf Weiteres) zu erbringen. Löcher in eine These zu schießen, ist einfacher, als den positiven Nachweis zu erbringen. Beim Investieren ist es leichter, offensichtliche Rohrkrepierer zu vermeiden. Als Nebeneffekt erhöhe ich die Chance auf Gewinner im Portfolio. Bei uns steht immer das langfristige Überleben im Vordergrund. 

Neue Investments und riskantere Werte gehen wir zunächst nur mit kleinen Summen ein und erhöhen erst nach und nach den Einsatz. Wir nehmen bei diesem "Averaging-In" in Kauf, dass die Aktie in der Zwischenzeit teurer wird. Dabei hat sich unser Investitionsrisiko dank der längeren Prüfphase verringert. Kleine Fehler bieten uns die Chance, kontinuierlich unseren Investitionsprozess zu verbessern. Uns reichen 15 % Wachstum im Jahr und wir vermeiden teuer erkaufte 30 %. Bis auf eine kleine Alphabetposition haben wir keine Wachstumswerte im Portfolio. Trotzdem schlossen wir in den letzten 19 Jahren besser ab als der S&P.



Mittwoch, 4. Dezember 2024

In 10 Jahren geht die Welt unter...

Beim Abspülen kam das Thema Klimaerwärmung zur Sprache. Die jungen Leute waren sich einig, dass die Temperatur in den nächsten 10-20 Jahren um mehrere Grade steigen wird und dann Schluss sei mit der Menschheit. Der Pessimismus meine Mithelfer überraschte mich. Allerdings habe ich in meinem Leben schon mehrere Weltuntergangsszenarien erlebt. Waldsterben, durch Nato-Doppelbeschluss provozierter Atomkrieg, der Strahlungstod dank nuklearer Endlager oder ein IT-Kollaps nach der Jahr 2000 Wende - mehrmals gab es Endzeitszenarien, die rasch vergessen waren. 

Warum sollte es diesmal anders sein?

Bei aller Diskussion um Erderwärmung wird vergessen, dass wir Energie zum Leben brauchen. Ohne fossile Brennstoffe könnte die Erde nur ein paar Millionen Menschen ernähren und bei jedem Wetterwechsel würde die Hungerkatastrophe drohen. Die Produktion und der Transport eines Kilo Weizenmehl kostet so viel Energie wie das 3-5 fache Nutzen der Waschmaschine (bei 60 Grad). Der Energieaufwand für die Verpackung ist nicht mitgerechnet, ein Kilo Tomaten verbraucht ein Vielfaches davon. 

Carbon Null in 2050?

Ein Viertel des Stromes wird aus erneuerbaren Energien gewonnen. Allerdings deckt der Strom nur 20 % des Energieverbrauches ab. Rechnet man die 10 % der durch das Verbrennen von Holz (meistens in den ärmeren Ländern) gewonnen Energie hinzu, wird ca. 1/5 des Energieverbrauches durch erneuerbare Energien gedeckt. Da der Energieverbrauch in den nächsten 10 Jahren um ca. 1,5 % im Jahr steigen wird, erhöht sich der Verbrauch an fossilen Brennstoffen weiter, trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien. 

Wie stark erwärmt sich die Erde wirklich?

Seit Beginn der Industrialisierung vor 175 Jahren stiegen die Temperaturen weltweit um ca. 1 %. In den nächsten 75 Jahren soll der Anstieg weitere 1-2 % betragen.

Wie katastrophal ist dies für die Menschheit?

Die meiste Energie wird für die Heizung und nicht die Kühlung aufgebracht. In Delhi oder Marokko überstehen die Menschen im Sommer 42 Grad - es gibt trotz fehlender Klimaanlagen nur wenige Hitzetote, solange die Luft nicht zu feucht ist. Mit zunehmendem Wirtschaftswachstum können sich mehr Menschen eine Klimaanlage leisten und die Zahl der Hitzetoten in diesen Ländern wird weiter fallen. 

Also?

Keine Panik verbreiten. Die erneuerbaren Energien ausbauen, solange es sich rechnet. Allerdings dafür kein Wachstum zu opfern, den dies ermöglicht uns, mit den Folgen der Erwärmung besser zu Recht zu kommen (besonders in den Entwicklungsländern).  Nur das Wirtschaftswachstum ermöglicht uns einen effizienteren Umgang mit der Energie, die Entwicklung alternativer Energieformen (Geothermie, sichere Kernkraftwerke). Als Absicherung gegen die plötzliche Beschleunigung des Temperaturanstieges durch unbekannte Rückkopplungsmechanismen (Permafrost, Golfstrom?) können alternative Lösungen (z.B. künstliche Wolken) geprüft werden. 

Der technische Fortschritt und der starke Rückgang der Weltbevölkerung ab ca. 2050 werden uns dabei helfen, das Problem der globalen Erwärmung längerfristig zu lösen.


Quellen (unter Nutzung von Perplexity):

https://yearbook.enerdata.net/total-energy/world-consumption-statistics.html

https://www.statista.com/statistics/270281/electricity-generation-worldwide/

https://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/34028.html

https://www.smwa.sachsen.de/blog/2022/08/12/was-kann-man-mit-einer-kilowattstunde-tun/


Dienstag, 30. April 2024

Argentinien wird scheitern - sind wir besser dran?

Das Problem in Argentinien sind die Auslandsschulden. Diese betragen 40 % der Wirtschaftsleistung. Der eingeschlagene Sparkurs der neuen Regierung unter Milei reduziert die Nachfrage im Inland und die Wirtschaftsleistung sinkt. Damit steigt zugleich die Quote der Auslandsschulden, was die Bedienung der Kredite erschwert. Das Land importiert mehr, als es ausführt, was historisch zu steigender Auslandsverschuldung führte. Die staatlichen Schulden mit 85 % der Wirtschaftsleistung sind nicht das Problem.  Andere Industrieländer, wie z.B. die USA sind mit 120 % der Wirtschaftsleistung höher verschuldet. Mit dem eingeschlagenen Sparkurs sinkt auch die Importquote, was bei stabilen Exporten zu einer Reduzierung der Neuverschuldung führt. Es überwiegt aber wohl der Schrumpfungseffekt und die damit steigende Verschuldungsquote. 

Staatliche Schulden sind nur ein Problem, wenn das Land im Ausland verschuldet ist. Diese lassen sich nicht einfach z.B. durch das Drucken von Geld beseitigen. Musterbeispiel sind die Reparationsschulden, mit denen Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg belastet war. Mit Aufnahme neuer Schulden im Ausland boomte die deutsche Wirtschaft zunächst und es konnten Reparationszahlungen geleistet werden. Durch Ausgabe von Schuldverschreibungen lösten private US-Dollar Schulden die staatlichen ab. Mit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise in den USA sank jedoch das Vertrauen ins Ausland. 

Neue Dollarkredite gab es keine mehr und alte Schulden mussten beglichen werden. Vertrauensverlust, Abwertung der Mark und das Drucken von immer mehr Geld führten zum Kollaps der deutschen Wirtschaft. Ein Drittel der Arbeitnehmer wurde arbeitslos und Hitler übernahm die Macht. Die neue Regierung stoppte die Zahlung aller Auslandsschulden (die Reparationsschulden wurden prompt erlassen) und kurbelte durch staatliche Nachfrage ("Autobahnbau") die deutsche Wirtschaft an und beseitigte so die Arbeitslosigkeit. Die Inlandsschulden verschwanden durch die Inflation. 

Eine Steigerung der Exporte zur Ankurbelung der Wirtschaft oder Senkung der Verschuldung, wie es die Deutschen heute predigen, ist auf Dauer nicht möglich. Das zeigt das chinesische Beispiel.  Eine noch höhere Exportquote als 14 % vom Welthandel lassen die Abnehmerländer nicht zu. Sie reagieren mit mehr Protektionismus auf die Aushöhlung der eigenen Industrie als Folge steigender Importe - Nachfrage, die für inländische Produzenten verloren geht. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist nur durch eine Steigerung der Binnennachfrage möglich.

Deutschland hat keine Auslandsschulden, dafür wächst unsere Wirtschaft nicht. Genauso wie die Chinesen sparen wir zu viel und konsumieren zu wenig. In Deutschland könnten Zukunftsinvestitionen zur Nachfragesteigerung beitragen, z.B. mehr Geld für die Bildung. In China würde eine höhere Rente den Wohlstand im Alter sichern und eine bessere Krankenversicherung die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen erhöhen und damit die heimische Wirtschaft fördern. Aus Angst vor der Zukunft sparen die Chinesen fast die Hälfte ihrer Einkommen. Maßnahmen zur Erhöhung des Konsums sollten so gestaltet sein, dass nicht nur die Nachfrage nach ausländischen Gütern steigt. Sonst profitiert nur die Wirtschaft dieser Länder davon.

Fazit: Schulden werden nie getilgt, eine Entschuldung findet nur statt, wenn die Wirtschaft nominal stärker wächst als die Zinslast und die Neuverschuldung. Eine Verschuldung im Inland gleicht ungedeckten Pensionszusagen. Diese können einfach gestrichen werden. Ein Verteilungsproblem. Der Ausgleich von Schuldner - und Gläubigerinteressen ist eine politische Entscheidung. Mit dem Kauf der Schuldentitel durch die Notenbanken verschwinden die Kredite. Auch das künstliche Niedrighalten der Zinsen entlastet die Schuldner. Inflation oder Abwertung der Währung können aber die Konsequenz sein, wie das Beispiel Japan zeigt. Devisenkontrollen und Vorschriften, in welche Schuldenpapiere Inländer investieren dürfen, können die Folge sein.

Dienstag, 23. April 2024

BAVARIA Industries nimmt Abschied von der Börse...

Nach gut 18 Jahren an der Börse haben wir gestern die Kündigung verschickt. Ich bin erleichtert. Mit einem Streubesitz von 4 % macht die Börsennotiz keinen Sinn mehr. Den Aktionären bleiben noch drei Monate, um ihre Anteile zu verkaufen. Nach dem 19. Juli ist ein Verkauf nur noch privat möglich. Die Gesellschaft führen wir seit ein paar Jahren ohnehin wie eine Vermögensverwaltung. Mit einer Mischung aus Bargeld, Gold, Rohstoffen und Aktienwetten liegt der Fokus auf Kapitalerhalt. Als Anleger sollten man den Vermögens-Mix dagegen abhängig von den eigenen Zielen selbst bestimmen und in Unternehmen investieren, deren Strategie klar auf Wachstum oder Dividenden ausgerichtet ist. Sonst akzeptiert man zusätzliche Verwaltungskosten und einen Discount zum Nettovermögen, mit dem ähnlich diversifizierte Holding-Gesellschaften üblicherweise notieren.

Würden wir nochmal an die Börse gehen? 

Der Börsengang Anfang 2006 kostete uns knapp EUR 1 Mio. und brachte EUR 11 Mio. Kapital. Das Geld benötigten wir nicht. Bereits in den ersten zwei Jahren kehrten wir diesen Betrag in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre aus. Insgesamt flossen rund EUR 150 Mio. an die Aktionäre.  Der Aufsichtsrat und die fehlende Kenntnis der Börsenanforderungen kosteten uns viel Zeit. Anfangs hatten wir viel Respekt vor der Börse und beantworteten beispielsweise jede Frage der Aktionäre, statt an die Hauptversammlung zu verweisen.   

Ich weiß nicht, ob uns die Notiz beim Erwerb von Firmen half. Vielleicht war es unser guter Ruf? Ausschlaggebend war wohl eher die Direktansprache und viele Vorstellungsgespräche bei Konzernen und (noch wichtiger) bei M&A Vermittlern. Bei der Restrukturierung führte der Blick auf die gefüllte Unternehmenskasse zu mehr Begehrlichkeiten und zusätzlichen Verhandlungsrunden.

Enttäuschungen blieben nicht aus. Schon nach der offiziellen Roadshow begann mein Mitgründer, seine Anteile mithilfe des IPO-Beraters zu verkaufen. Kurz nach Notizaufnahme wurden wir durch einen Shortseller mit erstaunlichem Insider-Wissen öffentlich angezählt. Der Börsenkurs lag nie mehr über dem Wert der Beteiligungen. Also die Kehrtwende: keine Werbung mehr, sondern Aktienrückkäufe unter Substanzwert. Durch Zukäufe verdoppelte ich meinen Anteil am Unternehmen und erzielte damit eine Rendite von knapp 20 % p.a. Ohne die Börsennotiz hätten meine Mitgesellschafter vielleicht höhere Kaufpreise erwartet. 

Die Klage des Aufsichtsrates traf mich, als ich nach einem Radunfall im Krankenhaus lag. Ich hatte einen der Aufsichtsräte im Namen der Gesellschaft auf Schadensersatz verklagt. Den Prozess wegen Fehlberatung beim Unternehmenskauf verloren wir gleichwohl. Ohne die Börsennotiz wäre es nicht zu der teuren Klage gekommen, die der Aufsichtsrat auf Kosten der Gesellschaft führte.  

Das deutsche Aktienrecht ist zu kompliziert und führt dazu, dass nur wenige Unternehmen in Deutschland öffentlich gehandelt werden. So müssen bei Unternehmensabspaltungen stille Reserven vom Unternehmen versteuert werden, statt dass die künftigen Aktionäre ihre Gewinne selber versteuern. Jede Maßnahme, wie zum Beispiel ein Reverse-Aktiensplitt, unterliegt dem Risiko jahrelanger Anfechtungsklagen auf Kosten des Unternehmens. 

Statt beim Squeeze-out den zuletzt gezahlten Kurs als fair zu erachten, müssen drei Gutachten eingeholt werden. Trotzdem findet in der Regel ein Schiedsverfahren statt - die Gesellschaft trägt die Kosten. Rechtsanwälte haben sich darauf spezialisiert, nach Bekanntmachung der Maßnahme eine Aktie zu kaufen und die Gesellschaft mit Klagen zu überziehen. Kosten und Zeitaufwände können sie dem Unternehmen in Rechnung stellen. Das Ganze kann wie im Fall der HypoBank 15 Jahre dauern! Wen wundert es, dass die Unternehmen die Handelsnotiz einstellen und danach die Minderheitsaktionäre ein Schattendasein fristen. 

Als Abschiedsgeschenk fordert die deutsche Börse von uns knapp EUR 50.000, weil wir zum geforderten Termin vor zwei Jahren einen Geschäftsbericht zunächst nicht testiert einreichten.

Dienstag, 21. November 2023

Wofür die Schuldenbremse?

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts fordern die Politiker neue Steuern und unser Finanzminister hat einen Ausgabenstopp verhängt. Das Verbot der Neuschuldenaufnahme* wurde 2009 in der Verfassung verankert, wohl um ein Vorbild für die verschuldeten südeuropäischen Länder zu sein. Leider ignorieren diese Länder uns. So beträgt z.B. die Neuverschuldung in Frankreich 5 % des Bruttosozialproduktes ("BSP").  

Die Deutschen sind mit einer Quote von 10 % Weltmeister im Sparen.  Was nur funktioniert, wenn jemand anders Schulden macht. Wirtschaftsleistung ist nichts weiter als die Summe aller Ausgaben. Sparen bedeutet eine Reduzierung des Bruttosozialproduktes, wenn keiner Schulden aufnimmt, um damit Ausgaben zu finanzieren. Die deutschen Unternehmen nehmen keine Kredite auf und der Staat darf nicht mehr ... Also leihen wir unser Geld den Amerikanern, die damit ihren Konsum finanzieren. Die Exporte in die USA erhöhen unsere Wirtschaftsleistung und bieten das wesentliche Ventil für die deutschen Ersparnisse (Europäer sind mittlerweile auch Nettosparer). Da Staatsschulden nie getilgt, sondern nur refinanziert werden, sammeln wir amerikanische Schuldentitel. Und finanzieren mit unseren Ersparnissen den amerikanischen Staatshaushalt. Das hohe amerikanische Staatsdefizit von 8 % der Wirtschaftsleistung führt zu einer verstärkten Inflation, die dafür sorgt, dass diese Papiere schnell den Wert verlieren.

Stattdessen könnten wir mit den Ersparnissen die Bundesbahn sanieren und Verspätungen abbauen, ein schnelleres Internet schaffen, sozialen Wohnungsbau zur Beseitigung der Wohnungsnot unterstützen oder Steuersenkungen finanzieren. Alle diese Maßnahmen kurbeln die Nachfrage in Deutschland an und erhöhten die Wirtschaftsleistung. Die geplanten Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen lassen unsere Wirtschaft dagegen noch mehr schrumpfen. Was die Schuldenquote erhöht (vorhandene Schulden im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt) - auch ohne Neuschulden!

Das Dogma der Schuldenbremse wird nicht infrage gestellt. Sonderausgaben wie zu Covidzeiten sind vom Verfassungsgericht ein Riegel vorgeschoben worden, da sie mit Recht dem Inhalt der damals mit 2/3 Mehrheit im Verfassungsgesetz beschlossenen Schuldenbremse widersprechen. Wie kommen wir aus diesem Schlamassel heraus? Es bleibt nur die Einigung mit der Opposition, um diese völlig widersinnige Regel wieder loszuwerden. 

Ein anderes Dogma, keinen Fisch zu essen, trug im Mittelalter zum Verhungern der Wikinger-Kolonie in Grönland bei (1). Diese hatten sich in einer Wärmeperiode dort angesiedelt und ernährten sich ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht. Das Essen von Fisch wurde zum Tabu erklärt. Ein Verbot, dass sich diese junge Kolonie zum Unverständnis der dortig ansässigen Inuit leistete.  



*erlaubt sind Neuschulden in homöopathischer Dosis von 0,35 % des Bruttosozialproduktes

Dienstag, 14. November 2023

Ryman Healthcare - was haben wir falsch gemacht?

Seit unserem Einstieg bei dem Betreiber von Altenheimen hat sich die Bewertung gedrittelt.  Der Verkauf von Wohnungen in attraktiven Clubanlagen an Rentner auf Zeit hat seine Attraktivität behalten. Der Buchwert wuchs in den letzten fünf Jahren 20 % p.a. (von 21 % in zehn Jahren). Dieses hohe Wachstum wurde zu zwei Dritteln durch Vorauszahlungen ("Float") und zu einem Drittel durch Fremdkapital finanziert. Trotzdem wurde noch eine Dividende von 1 bis 2 % bezahlt. Als angesehener Marktführer machte das Management jedoch Fehler. Zu viele Entwicklungsprojekte wurden angestoßen, darunter die rasche Expansion in Australien und der Anteil an unprofitablen Pflegebetten wurde zu hoch angesetzt. Bei den Clubformaten wurde zu wenig auf den Deckungsbeitrag geschaut. Der Anstieg der Nettoverschuldung auf fast zwei Drittel vom Eigenkapital erforderte in diesem Jahr eine Kapitalerhöhung. Die Dividende wurde gestrichen und unser Anteil verwässerte sich um ein Drittel. Die Nettoverschuldung liegt nun bei NZD 2.3 Mrd. (50 % vom Eigenkapital) und erscheint angemessen.

Eine Clubanlage erzielt neun Jahre nach Kauf des Grundstückes den  Cash Break-even und die durchschnittliche Kapitalrendite beträgt 9 %. Durch den kostenlosen Float (1:1) und Fremdkapital (1:0,5) gehebelt, betrug die Eigenkapitalrendite im letzten Jahr 22 %. In 12 Monaten haben sich die Kosten der Verschuldung per Ende März um rund ein Drittel auf 5,4 % erhöht. Die Drittelung der Bewertung ist jedoch nicht gerechtfertigt, da die Eigenkapitalrendite noch mindestens das Zweifache der sonst erzielbaren Rendite beträgt. Diese marktübliche Rendite sehen wir bei 8 % (entspricht KGV von ca. 12). Für die Aktie bezahlt man 20 % weniger als Buchwert, während wir bei unserem Einstieg das mehr als 2,5-fache gezahlt hatten. Ryman profitiert dank der begonnen Bauvorhaben noch viele Jahre von der steigenden Nachfrage nach Altenheimplätzen.

Unter Berücksichtigung der gezahlten Dividende sind wir mit einem Drittel unseren Einsatzes im Minus (ca. EUR 4 Mio.). Erfolgreicher war unser Investment in den neuseeländischen Konkurrenten Summerset Group Holding. Der Buchwert wuchs 22 % p.a. in 5 Jahren. Die Gesellschaft erzielte diese hohe Wachstum ohne die Verschuldungsquote von ca. 50 % vom Eigenkapital zu erhöhen. Die Dividendenrendite beträgt 2,3 % und es gab keine Kapitalerhöhungen. Trotz der Halbierung der Bewertung seit unserem Einstieg liegen wir deutlich im Plus und konnten damit die Verluste bei Ryman mehr als ausgleichen.

Als Fazit bleibt, dass wir die Auswirkungen der höheren Zinsen auf die Rendite und insbesondere auf die Bewertungen unterschätzten. Hätten wir bei den hohen Bewertungen vor ein paar Jahren (mehr als das 3-fache vom Buchwert) einen Teil der Gewinne realisiert, hätten wir jetzt vielleicht den Mut noch nachzukaufen.

Freitag, 10. November 2023

Grupo Catalana - der weltbeste Versicherer?

Grupo Catalana ist weltweit die Nr.  2 im Oligopol der Kreditversicherer und die Nr. 4 bei den spanischen Sach- und Lebensversicherern. Die geringe Schadens- und Vertriebskostenquote ("Combined Ratio") von 72 % im Kreditversicherungsgeschäft Atradius im letzten Jahr (45 % vom Umsatz) erstaunt weniger als die geringe Kostenquote von 92 % im traditionellen spanischen Versicherungsgeschäft (55 % vom Umsatz). 


Die Prämieneinnahmen ("Float") ermöglichen die gewinnbringende Anlage der Mittel, da nur ein schrumpfendes Versicherungsgeschäft zur Rückzahlung führt. Warren Buffet freut sich in seinen Aktionärsbriefen, wenn das Combined Ratio unter 100 liegt und der Float damit nichts kostet. Die Anlage der Mittel deckt die Fixkosten ab und was übrig bleibt, ist Gewinn. Der Float beträgt EUR 13,5 Mrd. (ohne separierte Kundengelder) und entspricht fast dem vierfachen der Marktkapitalisierung von 3,6 Mrd. Zum 30.9. waren knapp 85 % des Floats in verzinsliche Anlagen investiert. Da die durchschnittliche Laufzeit 3,4 Jahre beträgt, wird die Gesellschaft in kurzer Zeit von den auf rund 4 % gestiegenen Zinsen profitieren. In den letzten Jahren wurde mit dem Float wenig verdient, so rechnen wir mit weiterem Ergebniszuwachs. Steigende Prämieneinnahmen verbessern die Auslastung und erhöhen die Margen bei dem noch kleinem spanischen Versicherer. Die Gesellschaft notiert mit einem KGV von unter 7. Die Aktie bekommt man mit 30 % Nachlass auf den Nettowert, während Berkshire etwas unter Verkehrswert notiert (1,4-fache vom Buchwert) und die Allianz Aktie mit 70 % Prämie gehandelt wird. Mit der gleichen 70 % Prämie hatte uns die Allianz auch bei der Übernahme von Euler Hermes abgefunden, der Nummer 1 unter den Kreditversicherern.

Das Nettovermögen der Catalana beträgt EUR 5,2 Mrd. und entspricht dem 1,4-fachen der Marktkapitalisierung. Das Nettovermögen hat sich in den letzten 20 Jahren trotz der gezahlten Dividende (die Rendite beträgt derzeit 3,4 %) verzehnfacht (12,5 % p.a.).

Da Versicherer hoch verschuldeten Hedgefunds gleichen, ist die Minimierung der Risiken entscheidend. Catalana gehört zu Zweidritteln dem Management und der Gründerfamilie. Entsprechend vorsichtig wird agiert. Dies zeigt sich unter anderen in der geringen Laufzeit des verzinslichen Wertpapierportfolios von 3,4 Jahren (versus 8,8 Jahre bei Allianz) und der Höhe des Eigenkapitals von 30 % (versus 6 % bei Allianz).   Bei der angesehenen Allianz sind die Kapitalanlagen mit dem 16-fachen des Eigenkapitals gehebelt, während der Hebel bei Grupo Catalana unter 3 liegt, wenn man den Verkehrswert der Nettoanlagen zugrunde legt.

Was kann schiefgehen?

Kreditversicherer kennen aufgrund der hohen Marktanteile das Zahlungsverhalten der Kunden genau und können zeitnah die Limits anpassen. Als Service veröffentlichen sie regelmäßig in aggregierter Form das Zahlungsverhalten jeder Branche. Für viele Lieferanten ist die Kreditversicherung essenziell, da sie sich ein Zahlungsausfall der Kunden in der Regel nicht leisten können. So haben die Regierungen zur Sicherung des Handels während der Covidkrise die Risiken der Kreditversicherer rück verbürgt. Insofern birgt nur das traditionelle Versicherungsgeschäft Risiken, die aber aus unser Sicht gut diversifiziert sind.

Zinsen können wieder fallen. Mittelfristig deutet die hohe Verschuldung der Industrienationen und die Notwendigkeit der Refinanzierung eher auf ein gestiegenes Zinsniveau hin. Auch führt der beginnende kalte Krieg mit China und die Kosten der geplanten Energiewende zu weiter steigenden Preisen. 

Aus unserer Sicht gleicht der Kauf einer Versicherungsaktie dem Erwerb einer Festgeldanlage; allerdings mit knapp vierfach gehebelter Rendite. Wir haben rund 20 % unserer Mittel in inhabergeführte Versicherer (darunter auch Berkshire) investiert. 


Sind wir noch zu retten?

In Deutschland arbeiten Beschäftigte im Schnitt nur noch an rund 170 Tagen im Jahr – das entspricht etwa jedem zweiten Kalendertag. Gleichze...